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Wer Rundenstrategiespiele mit Rollenspielanleihen mag, denkt zuerst an die altehrwürdige Heroes of Might and Magic-Saga -- und das, obwohl es doch schon seit einigen Jahren sehr hartnäckige Konkurrenz in Form der Disciples-Reihe gibt. Wo HoMM in Sachen Atmosphäre mit bunten Bildchen und Kitschfantasy nicht jedermanns Geschmack trifft, springt Disciples, das von Kalypso veröffentlicht wird, seit jeher in die Bresche: Dunkle Töne, erwachsener Grafikstil und ein generelles Dark Fantasy-Ambiente wissen zu gefallen. Spielerisch war der große Konkurrent allerdings stets einen Schritt voraus, ob sich dies mit Disciples 3: Renaissance ändert?
Satte 13 Seiten Hintergrundgeschichte umfasst das insgesamt 75seitige Handbuch. Nicht schlecht für ein Strategiespiel, möchte man fast sagen, hätte Entwickler Akella die Story weniger dröge verpackt: Die Einführungen in die jeweiligen Kampagnenmissionen bestehen aus einem schlichten Standbild; der darauf liegende Text wird immerhin (in Deutsch) vorgelesen. Alle weiteren Dialoge im Missionsverlauf sind allerdings Leseratten vorbehalten, denn hier wurde einfach an der Vertonung gespart. Dafür sind die Storywendungen recht interessant gestaltet und weit weniger klischeebehaftet als bei der gängigen Konkurrenz.
Wer das Spiel erstmalig startet darf sich über drei Modi freuen: Entweder man steigt direkt in die Kampagne ein, probiert eine Einzelspieler-Map aus oder stürzt sich wagemutig in den Hotseat-Modus, der eine etwas knapp bemessene Anzahl an Maps (fünf an der Zahl) zur Verfügung stellt. Einen Multiplayermodus via Netzwerk gibt es leider nicht.
Die Kampagne dröselt sich in drei unterschiedliche Völker auf: Das Imperium (aka Menschen), die Legion (Dämonen) und die Elfenallianz (Name spricht für sich). Zusätzlich gibt es ein kurzes Tutorial, das relativ spröde auf die wichtigsten Punkte des Gameplays eingeht. Die einzelnen Kampagnen sollte man übrigens, so empfiehlt es dankenswerterweise auch das Programm, in der vorgegebenen Reihenfolge spielen, um den Storyverlauf in seiner Gänze genießen zu können.
Im Kern wie HoMM
Grundsätzlich ähneln die Spieleelemente, die Disciples aufs Parkett bringt, sehr stark denen aus Heroes of Might and Magic: In weitgehend frei begehbaren Karten gilt es in isometrischer Ansicht seine Helden rundenbasiert von Location zu Location zu führen, Gebiete zu annektieren, Ressourcen einzusammeln und jede Menge Schlachten zu schlagen. Jeder Held führt dabei einen variationsreichen Tross an Streitern mit sich, deren Anzahl von der Führungsstärke des Helden abhängig und dadurch anfangs arg begrenzt ist. Trupps von mehr 3-4 Personen wird man in den ersten Missionen kaum befehligen können.
Die meisten Kämpfe bestreitet man in Form fest positionierter NPC-Anhäufungen, die zum einen als Bewacher diverser Bauwerke und Schätze dienen, zum anderen wichtiger Lieferant für Erfahrungspunkte sind. In Disciples levelt nämlich alles und jeder mit: Steigt einer der Helden um eine Stufe auf, dürfen die üblichen Rollenspielattribute (Stärke, Gewandtheit, Intelligenz, etc.) verteilt werden, und was noch viel wichtiger ist, es dürfen jede Menge Fähigkeiten erlernt werden. Hier wird unter anderem die Anzahl der maximal führbaren Truppen gesteuert, aber auch die Bewegungsreichweite erhöht, passive Skills oder besondere Fähigkeiten zugewiesen. Zu guter Letzt dürfen dem Helden natürlich auch Ausrüstungsgegenstände angelegt werden, die entweder aus dem Beutegut oder von fliegenden Händlern stammen.
Abgesehen von den Helden, die übrigens in die nächste Mission mitgenommen werden dürfen, erhalten auch die regulären Truppen Erfahrungspunkte und können im Rang aufsteigen. Hier kommt dann das rudimentäre Wirtschafts- und Bausystem zum Tragen: Gold und Stein dienen als Ressourcen um Städte mit Truppenbauwerken zu erweitern.
Diese sind in unterschiedliche Bäume unterteilt, ein Baum für jeden Archetyp (Nahkämpfer, Fernkämpfer, Magier und Heiler). Steigt ein Truppenmitglied nun auf, richtet sich seine nächste Klasse nach den Bauwerken, die in der Hauptstadt errichtet wurden. Hat man sich beispielsweise bei den Nahkämpfern für die Paladin-Linie entschieden, entwickeln sich die Soldaten zu Rittern, die weniger Schaden austeilen, dafür aber mehr einstecken können. Wählt man hingegen den Inquisitoren-Pfad, entfalten sich die Recken genau andersrum. Dies mag gut überlegt sein, denn der eine Entwicklungsweg schließt den anderen stets aus. Anders als die Helden können Truppen keine Ausrüstungsteile zugeschanzt werden und entwickeln sich weitgehend autark.
Gestutzter Aufbaupart
Das Aufbaupart steht leider weit weniger im Fokus als die Kampfsequenzen, so dass es bei den Klassenbauwerken und einigen wenigen anderen Gebäuden bleibt -- die Hauptstadt ist demnach recht zügig ausgebaut und die Ressourcen (vor allem Stein) häufen sich und erfüllen keinen erkennbaren Zweck mehr. Hier hatte die HoMM-Reihe etwas mehr Vielfalt zu bieten.
Kein Fantasyspiel ohne Magie und so ist es auch bei Disciples 3 möglich, Zaubersprüche zu erforschen und anzuwenden -- entweder in globaler Form auf der Spielkarte oder direkt als vorher umgewandelte Rune, die dann auch in den Schlachten verwendet werden können. Die Möglichkeiten, die das Magiesystem bietet, sind ausreichend und erfüllen in Sachen Vielfalt ihren Zweck -- so ist von der Heilung bis hin zur Beschwörung von Einheiten vieles dabei, aber so richtig ausgefallene Sachen suchen wir vergebens.
Stark gemausert: Das Kampfsystem
Zum Kernstück des Spiels kommt man ohne Zweifel, sobald einer der zahlreichen Kämpfe beginnt. Und hier hat Disciples 3 auch am deutlichsten gegenüber dem Vorgänger zugelegt: War bei diesem das Kampfsystem mehr ein grafischer Augenschmaus, denn spielerisch wirklich sinnvoll, macht Teil 3 wirklich alles besser: Auf einem großzügig bemessenen Hex-Schlachtfeld lassen sich ausgefeilte Stellungskämpfe durchführen, Deckungspositionen einnehmen und taktische Überlegungen einbauen. Hier machen dann vor allem gut gemischte Truppentypen mit Fern- und Nahkämpfern richtig Sinn und als i-Tüpfelchen darf sich der Stratege zusätzlich überlegen, ob er seine Truppen auf die zufällig verteilten Fokusfelder postieren möchte, die die Schlagkraft einer Einheit hübsch verdoppelt. Solcherlei Finessen erfüllen natürlich nur dann ihren Zweck, wenn der Gegner an diesem Feld vorbeikommt oder wenn es sich bei der Einheit um einen Fernkämpfer handelt.
Abbildung: Kämpfe bieten im Cinematic-Modus beeindruckende Kamerafahrten
Die Kämpfe sind also recht spannend gestaltet und sehen zudem sehr ansprechend aus. Leider hat der Entwickler, wie auch an manch anderer Stelle, das Spieldesign nicht komplett zu Ende gedacht: So kommt es vor, dass ein Bogenschütze einen Pfeil gen Feind schickt, wir den Aufprall aber gar nicht zu sehen bekommen und erst mal raten dürfen, wer jetzt grade mit wie viel Schadenspunkten angegriffen wurde. Da fällt es doppelt stark ins Gewicht, dass der einblendbare Kampflog unten abgeschnitten ist und nicht alle Ereignisse anzeigt. Dafür darf man den Kampf stets automatisieren oder schnell ausfechten lassen -- zwei Optionen, die ich im Spielverlauf dankend angenommen habe.
Das Spiel ist in drei Schwierigkeitsstufen unterteilt, wobei die mittlere mit der richtigen Einteilung der Fähigkeitspunkte fast schon zu simpel wirkt. Überhaupt scheint es im Sinne des Effizienz am Einfachsten zu sein, sich auf einen Helden zu konzentrieren und mit diesem die gesamten Erfahrungspunkte abzugreifen. Allzu viel Gegenwehr darf man von der KI ohnehin nicht erwarten: Zwar laufen auch deren Truppen in Form der Elfen-, Dämonen- oder Untotenfraktion in der Botanik umher, aber so richtig sinnvoll ist leider nicht jede Aktion: So werden zwar gerne gut bewachte Knotenpunkte angegriffen, aber dass der Sieg bisweilen von vornherein ausgeschlossen ist, scheint den Computer nicht zu stören.
Außergewöhnliche Atmosphäre
In Sachen Atmosphäre kann Disciples 3 wie eingangs erwähnt ordentlich Pluspunkte einfahren: Die grafische Gestaltung wirkt in der Farbgebung und im Design deutlich erwachsener als HoMM und hebt sich damit wohltuend von der Wir-zeichnen-alles-bunt-und-geschwungen-Manie ab, die die letzten Jahre durch Spiele wie Warcraft 3 in den Fantasybereich eingezogen sind. Dabei ist insbesondere der Detailreichtum der globalen Karte anzuführen, der allerdings Segen und Fluch zugleich ist: So schön die Map auch anzusehen ist, die Übersichtlichste ist sie nicht.
Fazit: Einzige Alternative zu Heroes of Might and Magic V
Das Genre der Rundenstrategie im Rollenspielgewand ist beliebt, wird aber bisweilen etwas stiefmütterlich behandelt. Bis auf das fulminante Heroes of Might and Magic V und dessen kleinen Bruder, Kings Bounty, kam lange Zeit nichts, das im Spitzenfeld einer Erwähnung wert wäre -- zumindest bis jetzt, denn mit Disciples 3 dürfen Fans wieder Hoffnung schöpfen.
Dass Disciples 3 an den Bildschirm zu fesseln weiß, liegt nicht unbedingt daran, dass das Spiel das Genre neu erfindet, im Gegenteil: Als Spieler ist man heilfroh, dass die meisten Mechanismen, die man kennen und lieben gelernt haben, in der Akella-Produktion genauso Bestand haben. Und trotzdem ist da etwas anders, und das ist vor allem dem Grafikstil geschuldet. Dieser fasziniert und gefällt -- und hebt sich wohltuend von dem ab, was die Entwickler der Heroes-Reihe als Fantasy-Welt bezeichnen.
Leider hat die grafische Pracht auch ihre Nachteile: Da fällt zum einen auf, dass die globale Karte aufgrund der vielen Details etwas unübersichtlich wirkt, aber das wäre noch zu verschmerzen. Richtig störend ist hingegen, dass das Spiel zum Teil recht träge ist. Wenn ich beispielsweise einen globalen Zauber durchführe, bemüht sich erst eine ewig anmutende Sequenz diesen Zauber grafisch umzusetzen, was irgendwann einfach auf die Nerven geht. Wenn ich etwa die Wahl habe, meinen Helden mittels Geschwindigkeitszauber ein paar Schritte mehr zu spendieren oder lieber auf die nächste Runde zu drücken, um wieder mit vollen Bewegungspunkten weiter agieren zu können, entscheide ich mich für Letzteres -- ganz einfach deshalb, weil ich in der Zeit, in der die Animation durchläuft, schon zwei Runden weiter gedrückt haben könnte. Auch an anderen Punkten, etwa dem unübersichtlichen Inventar oder einigen fehlenden Komfortfunktionen merkt man dem Spiel leider an, dass das Spieldesign zum Teil etwas holprig ist.
Der größte Kritikpunkt ist für mich persönlich allerdings die etwas zu passive KI und der schwache Aufbaupart. Zwar ist die Idee mit den jeweiligen Klassenpfaden ein sehr guter Ansatz, aber der Verbessern der Hauptstadt fällt im Vergleich zur Heroes-Reihe deutlich zurück -- zu wenig Ressourcen und zu wenig Ausbaumöglichkeiten tun sich hier dem Spieler auf, zumal die Eroberung weiterer Städte fast schon unter die Kategorie "sinnlos" fällt. Und das ist schade, denn so gut das neue Kampfsystem auch ist: Man hätte mit einem stärkeren wirtschaftlichen Aspekt deutlich mehr aus dem Spiel machen können.
Spielerisch ist Disciples 3: Renaissance dem großen Vorbild daher unterlegen, aber wer daraus schließt, dass das Spiel deshalb keine Alternative wäre, liegt völlig falsch, denn das Gegenteil ist der Fall: Disciples 3 ist vermutlich die einzige aktuelle Alternative, die man zu Heroes of Might and Magic V empfehlen kann.
Wertung: 9/12
Wer ältere Titel nicht scheut, ist im Sektor Rundenstrategie wohl nach wie vor mit Age of Wonders: Shadowmagic am besten beraten. Zumindest bietet dieses Spiel wesentlich mehr taktischen Tiefgang als die Heroes of Might and Magic-Reihe.
Stimmt, Age of Wonders 1 und 2 habe ich auch gerne gespielt. Wobei mein eigentlicher Favorit schon seit jeher Master of Magic ist -- eine Art Civilization im Fantasygewand. Davon dürfte man gerne mal ein Remake herausbringen.
Hört sich gut an aber ist noch etwas teuer. Werde vielleicht zuschlagen wenn es im Preis gesenkt wurde. Schöner Test.