Wenn sich die Strategie-Experten der Gaming Minds Studios eines der schönsten WiSim-Spiele aller Zeiten zum Vorbild nehmen, kann ja eigentlich nur etwas Geniales entstehen. Und so pflanzen wir in Railway Empire wie zu besten Microprose-Zeiten neue Bahnhöfe in die Weltgeschichte, bauen unser Schienennetz aus, verbinden Städte, Industrien und Landwirtschaft miteinander und profitieren letztlich durch das Prinzip von Angebot und Nachfrage, in dem wir uns für den Transport der Waren und Passagiere bezahlen lassen.
Und da es allein zu einfach wäre, baut die KI kräftig mit und lässt sich sogar via Aktienmarkt komplett aus dem Spiel nehmen. Toll auch der wunderschöne Modellbau-Charakter, den das Spiel mitbringt -- die Züge legen eine echte Detailverliebtheit an den Tag, die so manchen Zugfan das Herz höher schlagen lassen wird. Zusammengenommen also ein prima Mix. Oder etwa nicht?
Nun, im Prinzip schon, und dennoch beschleicht mich bisweilen das Gefühl, bei Railway Empire keine echte Simulation vor mir zu haben: Wenn die KI ihre Züge einfach ineinander durchfahren lassen kann, weil das Spiel keine Unfälle kennt. Wenn es zwar heißt, dass die Städte per Kutsche beliefert werden, aber Kutschen immer nur in einer Endlosschleife im Kreis um den Betrieb herum flanieren. Wenn es zwar einen Forschungsbaum gibt, bei dem es ständig etwas freizuschalten gilt, die neuen Technologien zum Großteil aber einfach nur einen Bonus von 5% auf Zugleistung, 10% weniger Wartungsarbeiten, 10% weniger Ausfälle geben. Man zwar Lokführer und Begleiter einstellen kann, es aber auch hier kaum um den reinen (Bonus-)Wert hinaus geht. Wenn die KI zwar vorhanden ist, aber im Grunde immer nur ihrem Schema folgt und am laufenden Band mit (wohl witzig gemeinten) Sprüchen nervt. Dann muss man Ende vielleicht festhalten: Der Mix funktioniert, aber Innovation, Überraschung und echte Simulation sieht anders aus. Mehr als bei vielen anderen Spielen dieser Art merkt man Railway Empire an, dass es sich hier im Kern um eine Tabellenkalkulation handelt, sich unter all den Details und Aufklebern reine Zahlenwerte verbergen.
Hinzu kommt, dass die Präsentation ein zweischneidiges Schwert ist: Auf der einen Seite sehen die Loks wirklich wunderschön detailliert und animiert aus. Auf der anderen Seite wirkt die gesamte Spielkarte optisch wie aus dem letzten Jahrzehnt. Auch sind die Figuren tatsächlich sehr gut mit deutscher Sprachausgabe vertont, jedoch nerven die KI-Sprüche während des Spielens so sehr, dass dem Spiel eine einigermaßen ernst zu nehmende Atmosphäre flöten geht. Zweischneidig ist auch das Gameplay an sich: Dass der Aktienmarkt wirklich auf die simpelste Mechanik runtergebrochen wurde und der Streckenbau bis auf Signale quasi gar nichts kennt, was man so aus den Konkurrenz gewohnt ist, mag erstmal ernüchternd klingen, andrerseits ist das Spiel sehr zugänglich und flutscht so dermaßen von der Hand, dass ich trotz all der Mängel mein erstes Spiel erst um halb 2 Uhr morgens beendet habe.
Fazit: Bleibt also das Fazit zu formulieren und das ist gar nicht so einfach. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Wer Lust auf eine WiSim mit Eisenbahnbezug hat, sich auf gute Zugänglichkeit und sich weniger auf den Streckenbau-Charakter und eine akurate Simulation der Umwelt versteift, ist mit Railway Empire ganz gut aufgehoben. Ich für meinen Teil hätte mir allerdings mehr Tiefe für die doch recht satten 49 Euro gewünscht.