Rise & Fall -- die erste (und hoffentlich nicht das letzte) Erweiterung zu Civilization VI hinterlässt mich mit gemischten Gefühlen. Sicherlich: Die neuen Spielmechaniken heben sich wohltuend von der bisherigen Contenttropfen-Politik der Szenarien- und Völker-DLCs ab und verdammt, es war endlich Zeit für ein echtes Add On. Aber sind auch die Baustellen, allen voran die oft bemängelte KI, behoben worden? Macht Rise & Fall aus CIV 6 das, was einst die Add Ons Gods&Kings und Brave New World mit CIV 5 vollbrachten?

Was kommt jetzt eigentlich genau mit der Expansion dazu?

  • 8 neue Völker + 1 neuen Anführer (für Indien)
  • Neues Zeitalter-System
  • Loyalitätsystem
  • Gouverneure
  • Aufgebohrtes Allianz-System
  • Neue Gebäude, Wunder, Einheiten etc.

Völker:

Eine Sache, die mir in Civ 6 schon immer etwas sauer aufstieß und die der Vorgänger eindeutig besser hinbekam: Die Völker waren insgesamt viel kreativer ausgedacht, hatten mehr Persönlichkeit in ihrer Spielweise (denkt mal an Venedig). In Civ 6 kommt mir das alles ein wenig dahingeschludert vor oder vielleicht kann man auch sagen: Hier wurde mehr wert auf die optische Inszenierung der Anführer als auf den Inhalt gelegt.

Das hat sich meiner Ansicht nach mit dem Add On nicht sehr verändert. Es gibt ein paar positive Ausnahmen wie die Cree, deren Handelskarawenen zum Beispiel Felder annektieren, aber Civs wie Korea oder Schottland spielen sich schon recht uninspiriert.

Zeitalter:

Zeitalter (Antike, Klassik, etc) gab es ja schon immer. Neu ist, dass diese nun in drei Stufen aufgeteilt sind: Dunkel, Normal, Golden. Es müssen Punkte durch "große" Taten verdient werden, um in die jeweiligen Stufen zu kommen. Diese Ereignisse werden ganz nett auf einer historischen Schriftrolle zum Volk festgehalten. Die Auswirkung der Zeitalter halten sich allerdings in Grenzen und wirken sich zum Großteil nur auf das neu eingeführte Loyalitätssystem aus: Dunkle Zeitalter produzieren weniger Loyalität, Goldene deutlich mehr. Außerdem erhält man spezielle soziale Karten: Ein dunkles Zeitalter beschert uns Karten mit besonders starken Boni, aber gleichzeitig auch besonders starken negativen Eigenschaften. Insgesamt eine gute Idee, obschon ich mir gewünscht hätte, dass ein Goldenes Zeitalter mehr Auswirkung hat als nur Loyalität zu erhöhen.

Wer in ein Zeitalter eintritt, kann nun eine Widmung wählen, über welche Zeitalter-Punkte verdient werden. Insgesamt dreht sich bei den Mechaniken irgendwie viel um sich selbst: Ich trete in ein Zeitalter ein, um eine Widmung auszuwählen, die steuert, wie ich Zeitalter-Punkte verdiene. Wieviel umspannender kann man eine Mechanik gestalten?

Loyalität:

Trügt mich meine Erinnerung nicht, wurde ab Teil 3 Kultur als Faktor in Civ eingeführt, die dazu führen konnte, dass Städte zu unserer Civ übergetreten konnten, wenn wir sie mit unserer überlegenden Kultur quasi überschwemmt haben. Diesen Mechanismus habe ich in Civ 6 nicht wiedergefunden -- bis jetzt: Denn das Loyalitätsystem macht genau das: Städte haben einen Loyalitätswert, der auf die Umgebung ausstrahlt. Werden Städte zu stark unter Druck gesetzt, können sie rebellieren und im Besten Fall Teil unserer Nation werden. So weit, so bekannt. Schön ist der zweite Mechanismus, der sich dahinter verbirgt: Wer mit seiner Stadt irgendwie weit entfernt in die Pampa siedelt, verliert automatisch den Bezug zu seiner Nation -- wer keine Gegenmaßnahmen ergreift, verliert die Stadt quasi aufgrund mangelnder Loyalität an Rebellen und die können dann wiederum von jeder Nation erobert werden. Gegenmaßnahmen wären zum Beispiel Annehmlichkeiten oder das Abkommandieren eines Gouverneurs. Damit wären wir bei der nächsten neuen Spielmechanik...

Gouverneure:

Es gibt sieben Gouverneure, die, wenn man die grafische Fassade weglässt, einfach nur Boni sind, die man Städten zuteilen kann. Jeder Gouverneur hat zwei grundsätzliche Aufgaben: Erste Aufgabe ist das Erzeugen von Loyalität. Das heißt, wer eine weit entfernte Stadt mit Loyalitäts-Problemen hat, kann einen Gouverneur dort etablieren und umgeht damit das Problem (hoffentlich). Zweite und wichtigere Aufgabe ist das Kerngebiet des Gouverneurs: Jeder ist einer speziellen Richtung gewidmet: Der Kastellan stärkt etwas die heimische Abwehr der zugeteilten Stadt, die Diplomatin beeinflusst Stadtstaaten und verströmt Loyalität im weiten Umkreis. Andere kümmern sich mehr um unser Vermögen oder den Glauben. Jeder Gouverneur kann ähnlich wie die "normalen" Einheiten in mehreren Stufen baumartig aufgelevelt werden.

Was sich auf den ersten Blick erstmal richtig toll anhört (wow Gouverneure, wow Rollenspiel-Aufleveln) ist im Endeffekt eine ziemlich billige Mechanik, denn die Gouverneure sind wie gesagt einfach nur Boni, die man ein wenig entwickeln kann und durch ihre vorgegebene Richtung halt weder dynamisch noch sonderlich spannend. Oder anders ausgedrückt: Im Grunde genommen ziemlich primitives Spieldesign.

KI-Probleme gelöst?

Was ja die meisten beschäftigt sind ja die KI-Probleme. Und wie das neue Allianzen-System funktioniert. Vorweg: Ich finde die Art und Weise, wie man Allianzen abschließen und verbessern kann, ganz gut. Es gibt dem ganzen etwas mehr Tiefe. Wie die KI reagiert und das vor allem in Bezug auf den Kampf, kann ich aber immer noch nicht ganz nachvollziehen. Vor allem die Aggressivität lässt echt zu wünschen übrig. In einer Runde erklärten mir die Amerikaner den Krieg, waren militärisch auch weit voraus, aber stellten sich so passiv an, dass bis zur Beendigung des Krieges absolut kein Benefit für die USA eingestellt hätte. Auch lassen sich manche Kriegserklärungen von eindeutig unterlegenen Völkern weiterhin nicht so recht erklären. Um es kurz zu machen: In dieser Beziehung hat sich nicht viel getan.

Fazit

Unterm Strich ist Rise&Fall eher unspektakulär: Das Zeitalter-System ist ne coole Idee, hat für mich aber viel zu wenig Auswirkungen. Das Loyalitätssystem wirkt sich für mich in der Praxis nicht so aus, wie man es sich vielleicht erhofft hat -- am ehesten ist da noch die Mechanik des nicht weit-weg-Siedelns der interessante Kernpunkt. Die Gouverneure -- ja, nette Idee, aber spieldesigntechnisch auf keinem sonderlich cleveren Niveau. Und die neuen Civs: Eher so hübsch-hässlich -- manche sind ganz nett, viele wie die Koreaner (10% Bonus auf Städten mit Gouverneuren gääähn) eher belanglos. Da wurde wieder mehr Wert auf die optische Ausarbeitung der Anführer gelegt.

Der große Wurf ist dieses Add On nicht geworden und es macht Civ 6, wenn überhaupt, eher im geringen Maße zu einem deutlich besseren Spiel, aber Spaß macht es natürlich trotzdem und deshalb empfehle ich es trotzdem. Für das nächste Add On erhoffe ich mir dennoch, dass Firaxis mal was Revolutionäres auf die Beine stellt, von dem man sagt: Ohne DIESES Add On macht Civ 6 absolut keinen Spaß. Das sehe ich bei Rise&Fall eher nicht.

Wertung: 9 / 12

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