Das Spice MUSS fließen: Nach dem sehr respektablen Northgard und dem vielversprechenden Wartales (aktuell im EA) versucht sich SHIRO Games erneut an einem Echtzeitstrategiespiel -- und diesmal einem, das in sehr große Fußstapfen treten müsste: Ausgestattet mit Funcoms Dune-Lizenz wandeln wir hier auf Dune 2-Pfaden -- größer geht für ein RTS ja fast nicht ;)

Aber halt, so ganz stimmt das nicht: Spice Wars spielt sich komplexer und weniger schnell als ein klassisches RTS und ist mit seiner pausierbaren Echtzeit spielerisch mehr mit Stellaris, also einem 4X-Titel, als mit klassischer RTS. Das klingt interessant und das ist es auch.

Doch der Reihe nach: In der aktuellen Early Access-Version spielen wir im Skirmish eine von vier Fraktionen (Atreides, Harkonnen, Fremen, Schmuggler) -- lt. Entwickler kommen hier noch maximal 2 Fraktionen nach Ende der EA-Phase hinzu. Hoffnung für all jene also, die im Moment noch die Ordos aus Dune 2 vermissen. Außerdem wird Shiro sowohl eine Kampagne, als auch einen Multiplayer-Modus hinzufügen.

Spice Wars ist in Regionen / Zonen aufgeteilt. Jede Zone besitzt als Mittelpunkt eine Siedlung und oftmals eine spezielle Ressource, die mit dieser Siedlung verbunden ist. Erobert man die Siedlung, gehört die Zone unserer Fraktion und färbt sich entsprechend in deren Fraktionsfarbe um. Zoomt man das Spiel ordentlich raus, hat man im Laufe des Spiels also einen bunten Farbenteppich und nicht nur das erinnert an Stellaris: Bevor man munter erobern kann, müssen die Regionen vorerst erkundet werden. Dies macht ein Ornithopter in der Regel im Automatikmodus. Heißt: Ein Fluggerät fliegt von Punkt zu Punkt und erforscht via Prozentbalken das noch unbekannte Objekt. Ein Schelm, der da an die Stellaris-Forschersschiffe denkt.

Gehört einem die Siedlung, was nie ohne Kampf gegen die lokale Miliz oder andere Fraktion geschieht, darf man Gebäude auf einer Art Drahtgitter-Raster auf den Boden setzen. Wo man das Gebäude hinplatziert, scheint  relativ egal zu sein -- wahrscheinlich wollte man dem Spieler das Ding nicht einfach automatisch hinklatschen. Anfangs lassen sich pro Siedlung nur zwei Gebäude bauen, später kann man weitere Slots gegen große Mengen Plastahl freischalten.

Auch die Gebäude-Auswahl ist anfangs überschaubar, wird aber durch Forschung im Laufe des Spiels ordentlich aufgestockt. Die Forschung selbst ist aktuell mit seinen vier Ausrichtungen (etwa Spionage oder Militär) nicht mit den großen 4X-Titeln wie Civilization oder Stellaris vergleichbar, überfordert dafür aber auch nicht. Mal schauen, ob hier im Lauf des EA noch mehr Optionen hinzukommen. Wenn Forschung mit drin ist, darf natürlich Diplomatie ebenfalls nicht fehlen. Und auch hier gilt: Ja, ist mit dabei. Aber auf einer überschaubaren Ebene. Wir können Handel mit anderen Fraktionen treiben. Wir können zum Beispiel Forschungsverträge schließen und unsere Beziehungsstufen zu den anderen Fraktionen erhöhen. Und das war's eigentlich schon. Das Besondere dabei ist vielleicht: in meiner Atreides-Partie war ich manchmal in solch' einer ressourcentechnischen Sackgasse angelangt, dass ich ohne Fraktionen-Handel nur mühsam aus diesem Tal der Tränen herausgekommen wäre. In anderen Spielen (nochmal Stellaris als Beispiel) hätte ich eine solche Knappheit einfach durch Verkauf überschüssiger Ressourcen und Ankauf der benötigten Ressourcen auf einem Markplatz erledigt.

Forschung, Diplomatie, Spionage, Ratsversammlungen -- alles drin?

Neben Forschung und Diplomatie hat es Shiro zusätzlich geschafft, zwei weitere, aus anderen 4X-Spielen wohlbekannte Elemente miteinzubauen. Das wäre zum einen die Spionage: Alle paar Minuten erhalten wir neue Agenten, die wir auf verschiedene "Schienen" einsetzen können. Jede Schiene bringt andere Ressourcen und Boni und levelt sich mit der Zeit von alleine auf, um effizienter zu werden. Außerdem können wir Sondereinsätze durchführen, etwa Aufklärungsmissionen, die allerdings eine weitere Ressource kosten, nämlich Aufklärung. Von Zeit zu Zeit dürfen wir zudem am so genannten Landsraad teilnehmen, was eine Art intergalaktische Ratversammlung ist. Die Atreiden und Harkonnen haben hier einen Sitz und können mittels Einfluss über Resolutionen abstimmen. Fremen und Schmugler können zwar ebenfalls teilnehmen, haben aber deutlich weniger Hebel, um eine Entscheidung in ihrem Sinne herbeizuführen.

Ressourcen ohne Ende

Wer die erste Partie Spice Wars startet, wird möglicherweise erstmal erschlagen von den zahlreichen Ressourcen, die das Spiel aufruft: Neben Solari (dem "Geld" im Dune-Universum), müsst ihr Wasserreserven managen, Arbeitskräfte vorhalten, Einflusspunkte und Autorität gewinnen, Brennstoffzellen und Plastahl produzieren und natürlich das namensgebende Spice abbauen. Dass die Ressourcen dabei mannigfaltige Einsatzzwecke haben und auf unterschiedliche Art und Weise gewonnen werden, ist selbstredend. Beispiel: Das Rekrutieren eines Soldaten etwa braucht Solari (klar, der kostet Geld), aber auch Wasser und Arbeitskraft sind gefordert. Zudem werden Kommandopunkte in Anspruch genommen (im Grunde eine weitere Ressource) und der Knabe kostet zu allem Übel auch noch dauerhaft Ressourcen im Unterhalt.

Gewonnen werden diese Ressourcen über Gebäude, aber auch Agenteneinsätze oder Handel. Eine besondere Rolle spielt hier natürlich das Spice: Ähnlich wie in Dune 2 können wir Ernter (sogar standesgemäß mit Carryall-Transport) zum hiesigen Spice-Feld schicken und dort abbauen lassen. Das gewonnene Spice darf man per Schieberegler einteilen: Wieviel Prozent werden direkt auf dem galaktischen Markt verkauft und wandern in unseren Solari-Gelbeutel und wieviel Prozent gehen in das Spice-Lager für die große Monatsendabrechnung. Was denn für eine Abrechnung, fragt ihr? Nun ja, gemäß der Buch- und Filmvorlage vergibt Imperator Shaddam IV. aus dem Hause Corrino den Planet Arrakis als Lehen. Aber das macht er nicht aus reiner Gutherzigkeit: Die Fraktion, die auf Dune das Spice abbaut, muss Steuern an den Imperator zahlen -- und zwar mit der härtesten Währung, über die das bekannte Universum verfügt: Spice. Das Problem hierbei: Die monatlichen Abgaben werden mit der Zeit größer und es fällt in der Tat immer schwieriger, genug Geld zu verdienen, um das Überleben auf Dune zu sichern und gleichzeitig den Imperator zufrieden zu stellen. Eine verzwickte Spielsituation.

Nah an der Vorlage oder Eigenintepretation?

Apropos Vorlage: Die Entwickler orientieren sich hauptsächlich an der Buchvorlage, sagen aber auch, dass mannigfaltige Quellen in das Spiel geflossen ist. So ist es sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die aktuelle Villeneuve-Verfilmung dazu beigetragen haben mag, dass der planetare Ökologe Liet Kynes auch im Spiel zu einer Frau geworden ist, obwohl das die Buchvorlage schon rein logisch nicht hergeben würde.

Kampf und Verschleiß

Ein letztes Wort noch zum Kampf: Der Kampf läuft recht rudimentär ab. Wir schicken Truppen in Echtzeitmanier zum Einsatzort, meist eine Siedlung, und schauen dem Kampf mehr oder weniger zu. Zwar lassen sich Einheiten durch die Gegend ziehen, doch das macht meist wenig Sinn, außer eine Fernkampfeinheit hat sich mal wieder aus irgendeinem Grund in einen Nahkampf verstrickt und erhält dadurch diverse Mali. Es gibt ein leichtes Erfahrungspunkte und Levelsystem, aber auch hier gilt, wie bei so vielen in Dune: Spice Wars: Ja, ist mit drin, aber halt auf ganz niedrigem Niveau. Was mir recht gut gefallen hat, ist das Verschleißsystem: Wandern unsere Einheiten durch Gebiete, die nicht unter unserer Kontrolle stehen, verringert sich ihr Versorgungswert. Anders ausgedrückt: Die Wasservorräte gehen zur Neige. Ist die Versorgung bei 0 angelangt, erleiden die Truppen erheblichen Schaden. Wer größere Strecken zurücklegen will, baut in den Siedlungen großzügig Flughäfen, die unsere Truppen schnell von a nach b transportieren.

Ebenfalls mit drin: Würmer. Natürlich! Ohne die geht es nicht. Ganz wie in der Vorlage locken wir mit Kampfaktivitäten (und unserem Ernter) unfreiwillig Sandwürmer an. Das Spiel gibt uns daraufhin eine kleine, recht unscheinbare Meldung. Und wer dann seine Truppen (oder den Ernter mittels Carryall) nicht ganz schnell in sichere Gegenden bringt, erleidet dramatische Verluste.

Fazit:

Reduziert man Dune: Spice Wars auf seine Gampeplay-Mechaniken, dann hat dieser Titel ohne Wenn und Aber mehr mit Paradox' Stellaris gemein, als mit der auf den ersten Blick offensichtlichen Vorlage Dune 2 aus dem Hause Westwood. Klar, die Dune-Lizenz sorgt für Gemeinsamkeiten und deshalb dürfen wir uns auch über ein Wiedersehen mit Spice-Erntern, Ornithoptern und Carryalls freuen. Dass die Fremen als eigene Fraktion geführt werden und nicht einfach nur ein Anhängsel der Atreiden sind, finde ich übrigens gut. Die Schmuggler sind hingegen eine seltsame Entscheidung, sofern diese nicht in späteren Dune Buchfortsetzungen eine Rolle gespielt haben.

Dass das Spiel recht clean und fast schon trist daherkommt, das könnte man natürlich dem Wüstenszenario unterschieben, aber so ganz stimmt das trotzdem nicht: Es wird durchaus dem Budget oder dem kleinen Entwicklerstudio geschuldet sein, dass Shiro hier nicht mehr vermocht hat. Gefühlt wuselt hier fast noch weniger auf der Karte herum, als im Jahr '92 und dass keine der Einheiten oder Gebäude optisch in irgendeiner Weise aufwändig gestaltet wurde, ist enttäuschend. Etwas mehr überzeugen kann hingegen die Soundkulisse: Die Soundeffekte tun was sie sollen und die Musik wabert und bläst angenehm im Hintergrund vor sich hin -- manchmal kurz unterbrochen durch ein paar aufmüpfige Themes. Insgesamt nicht spektakulär, aber durchaus gefällig.

Die Präsentation ist also nicht das Zugpferd dieses Spiels, aber wie schauts denn aufm Platz aus? Man kann es Shiro entweder zur Last legen oder die Entwickler dafür loben, dass sie quasi jede gängige 4X-Mechanik in Spice Wars reingepackt haben, die sie in den letzten Jahren in den Konkurrenzprodukten gefunden haben. Lob deshalb, weil da schon einiges im Spiel drin ist. Zur Last legen deshalb, weil jede Mechanik für sich genommen sehr rudimentär ist und grade mal die Grundmechanik der Themen Diplomatie, Forschung oder Spionage abdeckt. Da gibt es nichts, was noch tiefer drin steckt -- das bleibt doch alles sehr an der Oberfläche. Vorteil: Ganz grundsätzlich kommt man ziemlich schnell in das Spiel rein, weil der Titel nicht überkomplex wirkt.

Das kann allerdings täuschen: In Spice Wars ist vieles miteinander verzahnt und ich habe selten ein Strategiespiel erlebt, das so gnadenlos mit dem Spieler bei Fehlentscheidungen umgeht und bei dem die Wechselwirkungen zwischen Ressourcen, Gebäude, Einheiten und deren Unterhalt so empfindlich sind, dass unheimlich schnell (Wüsten-)Sand ins Getriebe kommt. Hier erinnert das Spiel tatsächlich an seinen Vorgänger Northgard. Hinzu kommt, dass es das Spiel einem nicht leicht macht, wirklich einschneidende Ereignisse sofort zu erkennen. Klar, bei Sandwürmern wird ein unscheinbares Icon eingeblendet und der Sand wabert unheilvoll. Aber nur für den Fall, dass ich grade an einer anderen Stelle meines Reiches bin, kriege ich davon wahrscheinlich gar nichts mit. Wie schön war es damals noch, also uns ein verrauschtes (aber atmosphärisches) "Achtung, Wurmzeichen" aus dem Lautsprecher dröhnte. Und wie schön wäre es aktuell, wenn das Spiel vielleicht einfach automatisch bei solchen Ereignissen anhalten würde. Aber gut, wir sind im Early Access, das kann also durchaus noch kommen.

Skeptisch bin ich hingegen bei der kommenden Kampagne: Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass Shiro diese in irgendeiner Form besonders aufwändig in Szene setzen wird. Und unter dieser Annahme und mit den aktuellen Gameplay-Mechaniken könnte ich mir durchaus vorstellen, dass einem solchen Kampagne auf halber Strecke die Luft ausgeht. Aber gut, das sind Bauchgefühle. In der aktuellen Realität haben wir es hier mit einem RTS 4x-Spiel in einem sehr ordentlichen Zustand zu tun, das vielleicht einen Hauch mehr Aufwand in Sachen Präsentation und eine kleine Schippe mehr in Richtung Tiefe gebrauchen könnte. Und falls das nicht kommen sollte, dann vielleicht eine Preissenkung, denn 30 Euro scheinen mir ein klein wenig zu happig für den aktuellen Gegenwert.