94% Zufriedenheit bei gut 2000 Reviews. Das ist der aktuelle Stand der Bewertung -- und was soll ich sagen: Ich kann es verstehen. Diese polnische Diablo 1-Hommage namens Book of Demons (weitere "Books" werden vermutlich im Laufe der Zeit folgen), war schon im Early Access ein ziemlich geschliffener Diamant, zum gestrigen Release wurde ein weiterer, gut 1 GB großer Patch, hinzugefügt und das Ganze auf Version 1.0 gehoben. Und diese 1.0 hat es sich redlich verdient.
Das Ganze ist wie gesagt eine Hommage an das gute alte Diablo 1 -- es finden sich überall Referenzen. Sei es das Dorf, das verdammt an Tristram erinnert. Sei es die Kathedrale, die man betreten muss, um den bösen Erzdämon zu töten. Sei es der Weise, der dann und wann Deckard Cain zitiert. Sei der Butcher, der hier halt als Koch unterwegs ist. Und natürlich arbeitet man sich in Hack&Slay-Manier etagenweise nach unten.
Und dennoch gibt es große Unterschiede zum Vorbild: Der Humor, die Optik, das Pacing und viele Grundmechaniken sind bisweilen grundverschieden. Während Diablo 1 eine bierernste morbide Atmosphäre auf den Bildschirm zaubert, nimmt sich Book of Demons gerne selbst auf die Schippe - etwa weil es desöftere Zickenkrieg zwischen den im Dorf vesammelten NPCs (die Wahrsagerin und unser Weiser auf den Tod nicht ausstehen). Und die Vorschau auf den zu besigenden Oberfiesling offenbart, dass dieser ein Faible für Quieteentchen hat.
Auch optisch geht Book of Demons einen eigenen Weg, wobei sich beide Titel atmosphärisch die Klinke in die Hand geben: Die Untergründe der Kathedrale versprühen bei beiden Titeln gothisches Wohlfühl-Kribbeln in der Magengegend, vom Style jedoch bedient sich das polnische Produkt einem Papierschnittverfahren: Alle Figuren und auch die Umgebung sieht aus, als wären sie mit Papercraft-Bastelbögen erstellt, die ganze Welt heißt demnach folgerichtig auch Paperverse. Das macht auch Sinn, denn im Grunde spielen wir das "Book of Demons" nach -- das, was wir also erleben sind Seiten des Buches. Die Entwickler planen im Laufe der Zeit noch weitere "Books" hinzuzufügen.
Große Unterschiede gibt es auch bei manchen Gameplay-Mechaniken und beim Pacing: Zwar können wir auch hier Krieger, Magier, Rogue als Klasse auswählen. Haben Stats, EXPs, Level, Lebens- und Manapool und jede Menge(!) Statistiken. Aber: Das Spiel kennt keine Ausrüstung. Stattdessen finden sich aktive und passive Karten, die in Kartenslots gesteckt werden können, und beim Benutzen an unserem Manapool zehren. Diese Karten haben teilweise Ladungen (etwa die Heiltränke, die es ebenfalls nur in Kartenform gibt), die man im Dorf gegen Gold wieder herstellen kann. Und sie lassen sich in bis zu drei Stufen verbessern. Besonders schnell ist das Spiel nicht: Zwar haben wir es in den Kämpfen mit Echtzeit zu tun, außerhalb der Kämpfe spielt sich Book of Demons aber fast wie ein rundenbasiertes Spiel. Außerdem gibt es jede Menge Gespräche zu führen, die freundlicherweise ins Deutsche übersetzt wurden.
Was das Spiel unter anderem ausmacht, und das heben die Entwickler explizit hervor, sind die Komfortfunktionen. Wenn ihr einen Dungeon durchlauft, bekommt ihr etwa am oberen Bildschirmrand gegen Ende genau angezeigt, was ihr an Kisten, Truhen oder Bossen verpasst habt. Es ist möglich, jederzeit wieder zurück zur Stadt zu gehen, ohne sowas wie Portal-Schriftrollen mit sich rumschleppen zu müssen. Geldhaufen, die es ähnlich wie in Diablo quasi an jeder Dungeon-Ecke gibt, müssen nicht mühselig aufgehoben werden -- nein -- einmal mit der Maus drüber fahren und der Haufen ist eingesammelt. Mit dem Flexiscope genannten System passt sich das Spiel zudem an unsere zeitlichen Geflogenheiten anpasst: Dungeon-Runs werden aufgrund unserer bisherigen Spielweise zeitlich angepasst, so dass auch Gelegenheitsspieler die eine oder andere schnelle Runde starten können.
Das Spiel hat eine Fülle von Statistiken, unglaublich vielen Erfolgen, Rangaufstiegen und kleinen Movitionskarotten -- die abgesehen vom eigentlichen Gameplay zusätzlich bei der Stange halten. So gesehen macht das Spiel also vieles, wenn nicht sogar alles richtig. Wenn man dem Spiel eines vorhalten kann ist es vielleicht, dass es aufgrund der vielen Komfortmechaniken und der teils puristischen Optik prima auch als Touch-Spiel funktionieren würde. Aber eine derartige Abwertung wird dem Titel nicht gerecht -- dafür steckt einfach zu viel Inhalt und Liebe zum Detail dahinter. Ich wünsche den Entwicklern Think Trunk jedenfalls viel Erfolg mit Book of Demons und hoffe, dass noch viele weitere Kapitel folgen werden, zumal der Preis von aktuell unter 18 Euro mehr als fair ist.