Es fällt mir schwer einen Anfang für diese Zeilen zu finden. Nicht etwa, weil ich
The Bard’s Tale (das eigentlich
Shadow Snare heißen sollte) nicht mögen würde oder weil ich es vielleicht nie gespielt hätte. Es hat mit meinen Erinnerungen zu tun: The Bard’s Tale ist nach meiner Definition mein allererstes Computerrollenspiel. Nicht, dass ich nicht vorher bei meinem Onkel und Freunden noch nie eins gesehen hätte, jedoch war der Barde mein erster, selbst gekauftes RPG-Titel. So etwas wie eine erste Liebe.
Aus heutiger Sicht ist das schwer nachvollziehbar, denn was ich damals mit meinem spärlichen Taschengeld erwarb, war ein Spiel, das auf zwei Datasetten für ein 8-Bit-System namens
Schneider CPC ausgeliefert wurde. Praktisch bedeutete dies, dass eine Vor- und Rückspulorgie für jedes einzelne Dungeon notwendig war und es stets galt, den genauen Einstiegspunkt auf der Kassette zu finden. Dass die Ladezeiten exorbitant waren, während man den akustischen Klängen des Kassettendeck-Tonkopfes zuhörte, versteht sich von selbst. Klingt für euch unglaublich? Für mich mittlerweile auch und doch war ich so unheimlich dankbar für dieses Stück Software.
8-Bit-Portierung in deutscher Sprache
Die CPC-Version war bei Weitem nicht die optisch schönste Portierung von The Bard’s Tale. Einige Punkte, die das Spiel überhaupt erst von seinem Konkurrenten
Wizardry abhoben, wie etwa die Animationen der Charakterbilder, fanden auf diesem System einfach nicht statt. Doch das hatte für mich keine Relevanz. Das in meinen Augen viel größere Novum war ohnehin die Tatsache, dass das Spiel komplett eingedeutscht war (was für eine großartige Sache zu jener Zeit!), dass das Handbuch (übrigens auch in deutsch) so unheimlich ausführlich geschrieben war, die hübsche Karte von
Skara Brae, die mir als Vorlage für meine Exkursionen diente und dann natürlich das gesamte Spielsystem. Wizardry sagte mir zu dieser Zeit überhaupt nichts, aber The Bard’s Tale war für mich der heilige Gral des Rollenspiels: Monster metzeln, Looten, Leveln -- das war genau mein Ding und es gab auf meinem kleinen 8-Bitter kein CRPG, das diese Disziplinen so ansprechend und spielbar verpackt hätte wie es The Bards Tale tat.
Dabei ist die Story ziemlich simpel: Der finstere Magier Mangar hat Skara Brae mit massiven Eis umschlossen; niemand kann mehr herein oder hinaus. Dafür kontrollieren nun seine Schergen, die in Form allerlei klassischem Fantasy-Gewürm daherkommen die Straßen der Stadt. Einzig die hiesige Heldengilde, der Händler Garth und die Tempelanlage scheinen unbehelligt zu bleiben -- warum dies so ist, lässt sich allerdings nicht plausibel erklären. Und ihr werdet es erahnen: Wirkliche Interaktion mit den NPCs gibt es nicht; hier ging
Ultima 4, das im gleichen Jahr rauskam, einen komplett anderen Weg.
Klassensystem zum Niederknien
Doch sei’s drum: Allein schon für das Zaubersystem hätte ich morden können: Vier Magierklassen mit über 80 Spells. Zwei der Klassen (Sorcerer und Wizard) waren anfangs nicht wählbar und taten sich erst im Spielverlauf auf; wer alle vier Klassen meisterte, trug am Ende sogar den Titel eines Erzmagiers. Ein Klassensystem, das im Mid- und Engame noch mit Tiefe aufwarten konnte -- was konnte es Schöneres geben? Auch der Rest der Heldenauswahl war ein Quell der Freude: Abgesehen von den üblichen Standards wie Fighter, Paladin oder Rogue war es in The Bard’s Tale möglich, mit einem körpergestählten Mönch loszuziehen. Der entpuppte sich im Verlauf des Spiels als bester Nahkämpfer, der ohne Ausrüstung mehr Schaden verteilen und einstecken konnte als sein Großschwert- und vollplattentragender Kämpferfreund nebendran. Der Mönch begegnete mir nebenbei bemerkt Jahre später in den jüngeren Wizardry-Teilen und sogar in Everquest wieder -- in beiden Spielen basierte der Monk auf der gleichen Mechanik wie in Bard’s Tale.
Und dann gab’s da natürlich noch den titelgebenden Barden: Richtig, auch mit dem Troubadour durfte man losziehen und der offenbarte sich mit seinen Liedern und Kampfkünsten als echte Bereicherung für die Gruppe. Wer einen Barden wählte, freute sich zudem über die akustische Untermalung: Jedes Lied, das ein Barde zur Unterstützung der Gruppe trällerte, wurde ingame kurz angespielt. Heute noch habe ich die Melodie eines dieser sechs Songs im Kopf -- und das obwohl mein CPC nicht grade als Klangwunder galt. Nicht mehr überliefert ist allerdings, ob die Datasetten für jeden Song anlaufen musste, aber ich könnte mir vorstellen, dass ich auch in dieser Beziehung höchst leidensfähig war.
Geklaute Spielmechanik
Runtergebrochen auf die reine Spielmechanik hatte sich Schöpfer Michael Cranford natürlich kräftig bei Sir Techs Wizardry bedient. Die Gruppenmechanik und das Kampfsystem ähneln sich: Mit sechs Charakteren geht’s aus der Egoperspektive einer schier unendlichen Zahl an Gegnern an den Kragen; die vorderen drei Helden betreiben Nahkampf und müssen Treffer einstecken, die hinteren drei sind für Fernkampf und Magie zuständig. Diese Spielmechanik wird sich später in vielen CRPGS wiederfinden -- als prominentester Vertreter wäre hier Dungeon Master und sämtliche Klone zu nennen. Als Besonderheit führte The Bard’s Tale im Übrigen noch einen siebten Slot, der temporären Gruppenmitgliedern vorbehalten war -- wurde etwa ein Erdelementar beschworen, landete der auf diesem Sonderposten.
Kam es zur Begegnung mit feindlich gesinnten Kreaturen, und Begegnungen ploppten stets aus dem Nichts auf, durften wir uns zwischen Kampf und Flucht entscheiden. Der Kampf war dabei rundenbasiert: zuerst wurde die Aktionen aller Gruppenmitglieder ausgewählt, dann der Kampfablauf gestartet. Es beharkten sich nun Gruppe und Kreaturen gegenseitig -- der Kampfverlauf wurde dabei zeilenweise ausgegeben. War die Runde zuende, ging es wieder von vorne los bis einer der beiden Gruppen komplett vernichtet war.
Wer in einem solchen Gefecht seinen Helden verlor, musste zurück an die Oberfläche, den hiesigen Tempel aufsuchen und auf Wiederbelebung hoffen. Einfaches Laden des Spielstandes war nicht drin: wer speichern oder auch nur rasten wollte, hätte sich gefälligst wieder in der Heldengilde einzufinden. Das sorgte für so manches graue Haar, wenn man mitten im Dungeon hing, die Manapunkte der Gruppenmitglieder gen Null gingen und man wieder den Heimweg antreten musste -- wohl wissend, dass jede Menge Zufallskämpfe zwischen uns und dem Ziel lagen.
Doch auch abseits der Kämpfe war das Spiel sehr knackig: Dunkelheit, Anti-Magie- und Drehfelder und eine fehlende Automap machten The Bard’s Tale zu einem echten Geduldsspiel. Mein persönliches i-Tüpfelchen waren allerdings die sporadisch eingestreuten Rätsel. Oftmals galt es, eine Rätselfrage zu beantworten, um weiterzukommen. Dies musste dann brav in einen Parser eingetippt werden. Wer die Antwort nicht wusste, konnte das Spiel schlicht nicht weiterspielen und ich bin mir sicher, dass es hier nicht selten zu Übersetzungsfehlern gekommen ist, die das Ganze zusätzlich erschwert haben. Wohl dem, der eine
ASM mit passender Komplettlösung zur Hand hatte.
The Bard’s Tale war seinerzeit so erfolgreich, dass weitere Barden-Spiele folgten: Mit
The Bard’s Tale 2: Destiny Knight wurde ein bockschwerer und insgesamt eher enttäuschender Nachfolger ins Leben gerufen; die Scharte wetzte der sehr gute dritte Teil,
Thief of Fate, allerdings wieder aus. Danach wurde es erstmal still um die Erfolgsserie: Erst mit
Dragon Wars kam so etwas wie ein inoffizieller vierter Teil in die Läden, sonderlich erfolgreich war das Spiel allerdings nicht.
Offiziell und über Kickstarter äußert großzügig finanziert wurde im letzten Jahr hingegen
The Bard’s Tale 4 aus dem Brian Fargo-Haus inXile, von dem sich der Autor dieser Zeilen tatsächlich sehr viel verspricht. Wir dürfen auf das Ergebnis gespannt sein und können nur hoffen, dass sich das Spielprinzip auch 2016 als unverwüstlich erweist.