Während sich die Computerrollenspielwelt noch im Stadium des exzessiven Hack&Slay befindet, geht Richard Garriott andere Wege. Das Genre soll sich weiterentwickeln: weg vom typischen Oberfiesling-Plot, hin zu einem neuen Verständnis dafür, was Rollenspiele wirklich sein können. Den Pfad zur Selbstfindung pflastert Ultima 4 mit einem Tugend-System: Wer tapfer ist, Mitleid zeigt und spirituell auf seine Umgebung einwirkt, gewinnt Pluspunkte. Wer stiehlt, sich feige aus Kämpfe zurückzieht oder barsche Antworten gibt, muss mit dem Gegenteil rechnen.
Am Ende dieses Pfades steht der Avatar, personifiziertes Vorbild für alle Bürger Britannias. Ob Garriott aus vollster Spieldesign-Überzeugung handelt oder eher den Gutmenschen aus dem BADD-Lager den Spiegel vorhalten will, ist indes nicht überliefert. Wahrscheinlich ist eine Mischung aus Beidem.
Doch gehen wir nochmal ein Stück zurück: Ultima 4 krempelt das in die Jahre gekommene Serien-Gameplay gehörig auf und gilt als erster Teil der zweiten Ultima-Trilogie. So wird nicht nur das alte Sosaria entsorgt und gegen ein frisch gestricktes Britannia getauscht. Auch das in Ultima 3 eingeführte Gruppensystem wird in dieser Form über Bord geworfen -- zukünftig müssen potentielle Mistreiter gefunden und überzeugt werden. Innovativ gibt sich zudem die Charaktererschaffung: Per Tarot-Karten im Zigeunerwagen werden wir zu Entscheidungen gezwungen, die unsere spätere Klasse bestimmen.
Die Spielwelt, die der potentielle Avatar bereist, wirkt wesentlich lebendiger, sowohl in Bezug auf NPCs (es sind nun Gespräche per Parser möglich), wie auch beim Detailgrad der Umgebung. Schön wird Ultima damit immer noch nicht, aber immerhin läutet das Spiel endlich das EGA-Zeitalter ein -- eine grafischer Sprung, der durchaus zu gefallen weiß. Hauptentwicklungsplattform bleibt zwar der Apple II -- doch das soll sich bald ändern, 1985 ist der C64 die beliebteste Basis für Computerspiele.
In Sachen Benutzerführung tut sich wenig: Zwar wirkt die ganze UI im Vergleich zu Exodus entschlackt und übersichtlicher, doch noch immer wird viel kruden Abkürzungen gearbeitet. Dass die Gruppe nun auf maximal acht Mitglieder anwachsen kann, macht dieses Problem nicht einfacher. An anderer Stelle entwickelt sich die Ultima-Reihe hingegen deutlich positiver und setzt sogar Standards: Die kleinen Miniquests, die sich dann und wann in der Spielwelt auftun, sind 1985 ein wichtiger Schritt für das Genre.
Ansonsten erbt Ultima 4 vieles, was auch schon die Vorgänger beliebt gemacht hat: Eine große (2D)-Oberwelt, ein komplexes Magiesystem (neuerdings mit Reagenzien als Voraussetzung) oder das Kampfsystem auf einem autarken Bildschirm (nun mit Einbeziehung der Umgebung).
Quest of the Avatar verkauft bis 1990 immerhin 300 000 Einheiten und gilt damit trotz des philosophischen Ansatzes als kommerzieller Erfolg. Spätere CRPGs werden Teilaspekte aus Garriotts Meilenstein übernehmen -- etwa beim Moralsystem oder der Charaktererschaffung. Ein Spiel, das mit ähnlich großen Stiefeln die Bühne des Meta-Rollenspiels betritt, hat es seit Ultima 4 jedoch nicht mehr gegeben.