Uncharted 2

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Niemand hätte mich jemals als begeisterten Tomb Raider-Spieler bezeichnet. Lara Croft und ich -- das ging nie zusammen. Nicht einmal dann, als sich die Entwickler dafür entschieden, deren Zwillinge um ein paar Größen zu erweitern. Stets zu linear und viel zu nervig waren mir die Abenteuer der Grande Dame der Action-Adventures. Und wenn schon diese Ikone keinen Gunst-Blumentopf bei mir gewinnen konnte, was sollte da ein 08/15 Sonnyboy wie Nathan Drake in einem 08/15 Action-Gekraxel namens Uncharted für Chancen haben? Die Antwort: Keine -- und doch alle.

Uncharted kletterte in der Liste meiner Lieblingsspiele 2009 ganz weit nach oben -- und heimste damit das größte Lob ein, das ich einem Spiel überhaupt vergeben kann. Nur geschlagen von einem Rollenspiel (Dragon Age: Origins), ohnehin meinem Haus- und Hofgenre, schaffte es der Naughty Dog-Titel auf Platz 2 und avancierte damit zu einem der besten Spiele, die es auf der PS3 zu kaufen gab.

Und nun also Uncharted 2. Sicher, das Spiel ist nicht mehr taufrisch, aber deshalb wurde der 11. Juni, der Tag, an dem Uncharted 2 für 30 Euro als Platinum-Version erschien, trotzdem fett umkringelt. Und wenn ich nun behaupten würde, dass sich die Wartezeit gelohnt hat, wirft das natürlich eine Frage auf: Ist das Spiel nicht gut genug, um es gleich für 60 Euro zu kaufen?

Wer Uncharted nicht kennt, kann es sich am besten als eine Mischung aus Tomb Raider und Gears of Wars vorstellen. Ich bezeichne das Genre gerne als Kraxel & Shoot, weil sich ausgefallene Kletterpassagen mit actionsreichen Verschanzgefechten in Egoshootermanier vermischen. Die Anteile halten sich dabei die Waage und das macht großen Sinn, denn immer dann, wenn die Kletter-Motivation zu verfliegen scheint, kommt es zum effektgeladenen Kämpfen gegen Mensch und Mutant.

Dazwischen wird eine Geschichte in aufwändig inszenierten Cutszenes weitererzählt, die eindeutig klar macht, dass Nathan 'Nate' Drake, der Hauptprotagonist des Spiels, in die Fußstapfen des großen Indiana Jones treten möchte -- zwar ganz ohne Peitsche, doch dafür mit kräftiger Unterstützung einiger Sidekicks, die ihn während seiner Abenteuer begleiten. Der historische Bezug bleibt auch in Uncharted 2 nicht auf der Strecke und so folgt Drake den Spuren Marco Polos, die ihn bis ins sagenbehaftete Shangri-La bringen sollen -- einen Ort, den ich Unreal Tournament 3-Spieler bestenfalls in ausgiebigen Deathmatches kennengerlernt habe.

Uncharted in Bombastisch

Dass genau diese Mischung den ersten Uncharted-Teil so erfolgreich gemacht hat, blieb natürlich auch dem Entwickler Naughty Dog nicht verborgen. Was also würde man bei einem zweiten Teil anders machen? Kurz gesagt, gar nichts. Außer vielleicht, die ohnehin schon unverschämt gute Präsentation noch ein Stück bombastischer zu machen. Und genau das ist den Amerikanern gelungen: Uncharted 2 ist in grafischer Hinsicht ein einziges Meisterwerk. Und damit meine ich noch nicht einmal den technischen Aspekt, auf den etwa ein Crysis baut, sondern mehr die Gesamtkomposition, die Uncharted 2 zu einem optischen Erlebnis macht, wie man es bislang weder auf dem PC, noch (oder besser schon gar nicht) auf Konsole erleben durfte. Selbst das urgewaltige Gods of War 3 zieht im Vergleich zu den wunderschönen Nächten Istanbuls und den furios gestalteten Schneepassagen in den Gipfeln des Himalaya den Kürzeren. Unterstrichen wird die Bombastpräsentation von einem orchestralen Soundtrack, der einem Abenteuerfilm alle Ehre machen würde.

Doch nicht nur die Atmosphärekarte spielt Naughty Dog geschickt aus: Auch das Leveldesign mancher Kletterpassagen ist an Genialität nicht zu überbieten. Wie der Protagonist in manchen Abschnitten geradezu auf irrwitzige Art und Weise von Vorsprung zu Vorsprung hüpft, sich dabei an Seilen, Ketten oder Rohren entlang hangelt, den gestählten Körper dann wieder mit einem beherzten Sprung ans nächste Gewinde heftet, sich hochziehen lässt, nur um im richtigen Moment den Absprung zu schaffen und den dort postierten Gegner in die Tiefe zu ziehen, ist spielerisch die reinste Wonne. Und so zeigen schon die ersten 15 Minuten des insgesamt 10-12stündigen Abenteuers, wo der der Hase lang laufen soll: Nathan klammert sich an einen entgleisten Zug, dem mitten im Himalaja von einem Berg herunterhängt und damit der gnadenlose Absturz droht. Furioser lässt sich ein Action-Adventure kaum eröffnen und so verwundert es kaum, dass der vertikale Kletterparcour zu einem der am meist einprägsamen, fast schon cineastischen Momenten der Spielgeschichte gehört. Mit einem Vorbehalt: Uncharted 2 bietet im Spielverlauf noch viele viele weitere Sequenzen wie diese und nur diese eine hervorzuheben ist fast schon als sträflich zu bezeichnen.

Fair, fairer, Uncharted 2

Nicht ganz so bombastisch, aber spielerisch sehr erfrischend kommen die meisten Schusssequenzen daher: Per Fadenkreuz wird mit verschiedenen (Scharfschützen-)Gewehren, Pistolen, MGs, Handgranaten, Armbrüsten und auch per Faustkampf und Stealth-Attacken Richtung Gegner hantiert. Dies klappt trotz fehlendem Autoaim und Gamepad-Steuerung erstaunlich gut und ist insgesamt auch deutlich fordernder als die Kletterpassagen. Überhaupt klettert Mr. Drake bisweilen wie auf Schienen: Wer hier in die Tiefe stürzt, muss dies beinahe schon mutwillig tun. Dafür verdient sich das Checkpoint- und Hilfesystem (Uncharted blendet nach einiger Zeit selbstständig einen Tipp zum Weitermachen ein) allergrößtes Lob: Selten habe ich ein Action-Adventure so frustfrei genossen wie Uncharted 2.

Etwas zurückgefahren wurden im Vergleich zum Vorgänger die Rätseleinlagen: Es gibt nur noch wenig Tüftelarbeit zu absolvieren und selbst diese ist weder kreativ noch fordernd. Dafür darf man sich bisweilen über ein Wiedersehen mit alten Bekannten freuen -- wenn uns etwa der gute alte Sully mal wieder aus der Patsche hilft, wird Uncharted-Spielern doch ein wenig warm ums Herz.

Multiplayer-Partien

Es ist kaum zu glauben, aber abgesehen von der furiosen Singleplayer-Kampagne ließ es sich Naughty Dog nicht nehmen, dem Spiel einen fast schon erschreckend guten Multiplayermodus mitzugeben: Hier bietet der Titel jede Menge (bekannter) Multiplayer-Spielmodi und ein ausgefeiltes Level- und Einkaufsystem an, das zum Weiterspielen motiviert. Zudem kann sich der Entwickler in Sachen Netzcode auf die Schulter klopfen: Selten funktionierte dieser bei einem Konsolenshooter so gut wie hier.

Fazit: Das gleiche Spiel... in Bombastisch

Im Grunde finden sich zwischen Uncharted 2 und seinem Vorgänger kaum Unterschiede. Das Klettern fühlt sich so an wie beim Erstling, die Schusssequenzen ebenfalls. Zwar hat Drake ein paar Kleinigkeiten dazu gelernt und kann jetzt in einer Art Pseudo-Stealth seine Gegner auch mal lautlos um die Ecke bringen, aber insgesamt haben wir es hier mit einem Uncharted zu tun, wie es klassischer nicht sein könnte.

Doch grübeln und den Blick hinter die Gameplay-Kulissen lässt Naughty Dog erst gar nicht zu, denn Uncharted 2 bombardiert den Spieler mit einem Feuerwerk an Cutszenes, Shootersequenzen und Kletterpassagen, die genreübergreifend ihresgleichen suchen. Es ist beinahe unheimlich, woher die Entwickler ihre dermaßen vielseitige Kreativität hernehmen, um Uncharted 2 im großen Maßstab, aber auch in unzählig vielen kleinen Details an die Grenzen cineastischer Präsentation zu treiben. Dass das Spiel dabei vor allem in den Schussabschnitten durchaus fordernd, aber nie nie nie unfair wird, rechne ich den Machern hoch an -- das ist, ähnlich wie schon der Vorgänger, ein Spiel, das man bedenkenlos von A bis Z durchspielen kann, ohne dabei ständig vor Frust ins Gamepad beißen zu müssen.

Ganz ohne Meckern geht es aber natürlich auch bei einem Uncharted 2 nicht: Da ist zum einen die sture Linearität, die für das Spiel Segen und Fluch zugleich darstellt: Auf der einen Seite lassen sich damit per Scriptsequenzen wunderbare Momente in Szene setzen -- eigentlich die Haupstärke des Spiels. Auf der anderen Seite geht natürlich die spielerische Freiheit flöten: Auf Rollenspiel- oder Strategieelemente und auf Minispielchen, wie sie im Genre inzwischen fast schon üblich sind, verzichtet Uncharted 2 völlig. Hier mutet die sture "Immer vorwärts, nie nach links, rechts oder zurück"-Maxime leicht anachronistisch an. Aber wer weiß: Vielleicht ist genau das das Uncharted-Erfolgsrezept?

Wer sich beeilt, braucht nicht viel länger als 10 Stunden, um den Uncharted 2-Abspann über den Bildschirm ziehen zu sehen. Das mag sich kurz anhören, geht aber für ein Spiel mit diesem präsentationstechnischen Aufwand völlig in Ordnung. Und wer danach noch Lust verspürt, mit Nathan und Co in die Schlacht zu ziehen, bekommt mit dem Multiplayermodus ohnehin eine ausgereifte Mehrspielervariante an die Hand, die für viele Stunden Spaß sorgen kann.

Die schwierigste Frage ist ohnehin die, welches der großen Action-Adventures nun den Thron besteigt. Neben dem Uncharted-Duo gibt ja noch weitere hochkarätige Aspiranten, wie das ausgezeichnete Assassins Creed 2 oder das furiose Batman: Arkham Asylum aus dem letzten Jahr. Welchem Spiel man dem Vorzug gibt, hängt, wie so oft, von den ganz persönlichen Präferenzen ab. Aus cineastischer Sicht kommt niemand an Uncharted 2 vorbei, wer es etwas freier haben möchte, ist vermutlich mit Meuchelmörder Ezio besser bedient. Aber was erzähle ich: Echte Fans lassen einen Titel wie Uncharted 2 sowieso nicht im Regal stehen -- schon gar nicht bei einem Preis von gerade mal 30 Euro.

Wertung: 11/12

3 responses to "Nachgespielt: Uncharted 2 (PS3) Review / Test"

  1. Schönes Spiel, schöner Test. :-)

    Ich zähle Uncharted zu dem Besten was die PS3 zu bieten hat.

  2. Wird auch mein nächstes "großes" Spiel. (Hab gerade bei Steam noch ein Indie Paket gekauft ;) :D )
    Freu mich schon drauf.

  3. Ich hatte ja insgeheim gehofft, dass Teil 3 auf der E3 angekündigt wird. Das wäre für mich der größte Knaller der Messe gewesen. Aber hat nicht sollen sein... :(