Sagt euch der Begriff Dungeons&Dragons etwas? Wenn dem so ist, gehört ihr zu jener priviligierter Zielgruppe, die mit den Themen Fantasy, Forgotten Realms und Rollenspiel etwas anfangen können. In diesem Falle wäre es auch möglich, dass ihr schon einmal ein Buch des wahrscheinlich bekanntesten D&D Fantasybuch-Autoren in der Hand gehalten habt: RA Salvatore, der personifizierte Übervater der Gattung "Dunkelelf". Schwierig wird es, möchte man den Überblick über all seine Forgotten Realms-Werke behalten... aber dafür bin ich ja nun da :)
Wenn der Name Drizzt Do'Urden fällt, gerät ein Großteil der gemeinen Fantasy-Jünger ins Schwärmen. Diese Paradefigur eines Dunkelelfen, von Salvatore quasi sinnbildlich aus Lehm geformt und zu Papier gebracht, steht für alles, was man von einem modernen Helden erwarten kann: Cleverness, Charme, Gewissen, überwältigende Kampffertigkeiten und nicht zuletzt den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Gepaart mit der Tatsache, dass Drizzt dem Forgotten Realms Unterreich entsprungen ist und er der ebenso tödlichen, wie grausamen Rasse der Drow (= Dunkelelfen) angehört, kommt noch ein gehöriger Coolness-Faktor hinzu, den nur wenige Konkurrenz-Heroen zu bieten haben. Und das ist fast schon ein Paradoxon, denn Drizzt ist dermaßen strunzgut, dass er es nicht mal über's Herz bringen würde, eine Kippe auf den Gehsteig zu schnippen.
Die Geißel der Forgotten Realms: Die Drow
Tief unter der Erde der Vergessenen Reichen befindet sich das Unterreich, das so ziemlich zu dem ungastlichsten Ort gehört, den sich ein Oberweltler wie unsereiner vorstellen kann. Abgesehen davon, dass es im Underdark kein Licht gibt und so böse Stolperfallen vorprogrammiert sind, besiedelten die Väter dieses überdimensionalen Höhlensystems ihre Idee mit allerlei ungastlicher und überaus gefährlicher Flora&Fauna. Und wäre dem nicht genug, wurde dieser Umgebung auch noch intelligentes humanoides Leben eingehaucht -- eben jene Dunkelelfen, die sich selbst die Drow nennen.
Drow sind vor allem für drei Dinge bekannt: Grausamkeit, Niederträchtigkeit und Machtbessenheit. Zusammenhalt kennt dieses Volk nur, wenn es den eigenen Zwecken dient; ansonsten heißt die Devise: Immer schön gegenseitig abmurksen. Dabei waren die Drow nicht immer böse. Der Legende nach handelte es sich ursprünglich um Oberflächen-Elfen, die ins Unterreich vertrieben wurden und dort der bösen Gottheit Lolth in die Hände fielen. Lotlh, die Göttin des Chaos, korrumpierte die Dunkelelfen und erfreut sich seither an deren Machtspielen.
Dadurch, dass Lolth eine weibliche Gottheit verkörpert, ergibt sich außerdem eine interessante Konstellation was die Rollenverteilung innerhalb der Drow-Gesellschaft angeht: Dunkelelfen sind in einem Matriarchismus organisiert und das heißt: Frauen haben das Sagen, die Männer haben zu gehorchen (und werden auch gerne mal geopfert). Und diese Struktur kommt nicht von ungefähr, immerhin sind die meisten Drow-Frauen im Durchschnitt größer und kräftiger als ihre männlichen Pendants und dürfen zudem als einzige den göttlichen Segen Lolths als eine ihrer Priesterinnen entgegennehmen.
Derart ausgegrenzt praktizieren die Y-Chromosomen-Träger daher "nur" die gemeinen Kampfkünste oder beschäftigen sich mit der Meisterschaft ihrer magischen Fähigkeiten -- aber das in nahezu vollendeter Perfektion. Ein voll ausgebildeter Drow-Schwertkämpfer oder Magier ist so ziemlich der schlimmste Albtraum, den sich ein Gegner vorstellen kann. Und Drizzt Do'Urden, um den Kreis wieder zu schließen, ist der beste Kämpfer, den die Dunkelelfen je hervorgebracht haben, das fleischgewordene Sinnbild eines Todesengels, der mit zwei Krummsäbeln bewaffnet im Zweikampf unbesiegbar ist. Nur leider hat Drizzt einen kleinen, aber entscheidenden Makel, der ihn von seinem restlichen Volk unterscheidet: Er besitzt ein Gewissen.
Vom Unterreich ins Eiswindtal (oder andersrum)
Als Salvatore mit seinem Schaffen begann, kannten zwar viele die Forgotten Realms, aber kaum einer konnte mit dem Begriff Unterreich oder Dunkelelf etwas anfangen. Erst als der Autor seine erste Reihe ins Leben rief, die berühmten sechs Bücher der Eiswind-Tal Saga (im Original Icewind Dale Trilogy), durfte man sich ein echtes Bild von einem Dunkelelfen machen -- allerdings, und darin liegt eine gewisse Ironie, von einem Drow, der in seiner Charakteristika gar nicht dem Standard-Drow entsprach.
Die Vergessenen Welten 1-6 (The Icewind Dale Trilogy)
1. Der gesprungene Kristall2. Die verschlungenen Pfade3. Die silbernen Ströme4. Das Tal der Dunkelheit5. Der magische Stein6. Der ewige TraumImmerhin erfuhr der Leser zumindest die offensichtlichen Details, etwa dass Dunkelelfen ebenholzfarbene Haut haben oder dass sie das Licht scheuen, aber dafür Infarot-Sicht besitzen. Und natürlich vor allem eins: Dass Dunkelelfen auf der Oberfläche alles andere als gerne gesehen sind, ja sogar gehasst werden. Und so kämpft Drizzt aufgrund seiner rechtschaffenen Art für die Menschheit, die ihn trotz seiner Taten am liebsten auf den Scheiterhaufen bringen würde und genießt nur unter einer handvoll Freunden Respekt und Anerkennung.Diese Truppe ist nebenbei gesagt dann auch die klassische Fantasy-Heldengruppe bestehend aus Grummel-Zwerg, Haudrauf-Barbaren, feuriger Amazone und Halblings-Dieb, die man aus jedem Rollenspiel kennt, und die während der ganzen Icewind Dale-Trilogy in unzähligen Kämpfen dafür sorgt, dass der Leser unterhalten wird. Der eigentliche Star blieb allerdings Drizzt Do'Urden und somit verwundert es kaum, dass Salvatore eine Serie nachschob, die die Anfänge des Dunkelelfen beleuchtete: Die Saga vom Dunkelelf (zu Englisch Dark Elf Trilogy).
Diese Serie beinhaltet wohl die besten 6 Bücher (bzw. 3 im Original), die Salvatore je geschrieben hat und beleuchtet Drizzts Geburt, seinen Werdegang in der Dunkelelfen-Haupstadt Menzoberranzan, sein Entkommen in die Oberflächenwelt und gilt generell als Nachschlagewerk, wenn es um die Drow und das Unterreich geht. Detaillierteres und interessanteres Lesematerial wird man zu dem Thema nicht finden. Chronologisch ist es zudem sinnvoller, die Saga vom Dunkelelf vor allen anderen Salvatore-Romanen zu lesen, auch wenn sie erst im Nachhinein geschrieben wurde.
Die Saga vom Dunkelelf (The Dark Elf Trilogy)1.
Der dritte Sohn2.
Im Reich der Spinne3.
Der Wächter im Dunkel4.
Im Zeichen des Panthers5.
In Acht und Bann6.
Der Hüter des WaldesAusflug in die Schneeflockengebirge: Das Lied von Deneir
Irgendwann werden selbst solch' patente Kerlchen wie die Dunkelelfen langweilig und man sehnt sich nach Abwechslung. Daher erschuf der Autor das so genannte "Cleric Quintet", das zwar auch in den Forgotten Realms spielte, aber gänzlich ohne Drow auskam. Das Lied von Deneir, wie die deutsche Ausgabe heißt, erzählt in 5 recht üppigen Büchern die Geschichte des jungen Priesters Cadderly Bonaduce, der vom cleveren Adepten zum mächtigen Deneir-Priester aufsteigt und auf seinem Weg unter anderem gegen seinen eigenen Vater zu Felde ziehen muss.
Die Faszination der Serie erschließt sich dabei hauptsächlich aus dem Hauptprotagonisten Cadderly, der sich als jugendhafte Mischung aus Mc Gyver und William von Baskerville wohltuend vom sonstigen Helden-Einheitsbrei abhebt und über dessen Metamorphose von "Zero zum Super-Hero" man im Verlauf der Bücher manchmal verwundert die Augen reibt. Interessant ist dabei auch die Darstellung der Magie, die der Priester anwendet: Deneir, als Gott der Künste und des Wissens bekannt, gewährt seinem Jünger über Melodien Zugang zur Quelle seiner Magie. Dieses Lied, welches nur Cadderly hören kann, weiß er innerlich zu formen, zu verzerren und zu verändern und erreicht damit verschiedene Effekte, die sich vom Fliegen bis hin zu handfesten Angriffszaubern manifestieren.
Trotz aller Symphatie für die Hauptfigur und dessen witzigen Gegenspieler, dem kleinen Teufelchen Druzil, liest sich die Reihe etwas schleppend und vermag nicht komplett zu überzeugen. Vielleicht auch deshalb, weil einige Nebenfiguren (etwa die Zwergen-Brüder) völlig überzogen und teilweise nervig in Szene gesetzt wurden. Lesenswert ist die Serie für echte Fans dennoch, denn im Verlauf von Drizzt' Abenteuern treffen die beiden Protagonisten aufeinander (in: "Die Küste der Schwerter") und da möchte man doch wissen, wer es hier mit wem zu tun hat ;)
Das Lied von Deneir (The Cleric Quintet)
1. Das Elixier der Wünsche: Bd 12. Die Schatten von Shilmista. (Das Lied von Deneir Band 2)3. Das Lied von Deneir III. Die Masken der Nacht.4. Die Festung des Zwielichts5. Der Fluch des Alchemisten
Von Drizzt zu EntreriAls Drizzt härtester Gegenspieler entpuppt sich schon in den allerersten Büchern der Meuchelmörder Artemis Entreri. Dieser verfügt ähnlich wie der Dunkelelf über außergewöhnliche Fähigkeiten im Kampf (bezeichnenderweise auch ein doppelhändiger Kampfstil mit Schwert und Dolch) und wird in den Geschichten gerne als Drizzt' böses Spiegelbild dargestellt. Entreri macht im Verlauf sämtlicher Bücher allerdings eine erstaunliche Wandlung durch: Vom eindimensionalen "Ich will Drizzt umbringen"-Fanatiker zum nachdenklichen Eigenbrödler, dem es scheinbar schwer fällt, eine Linie für sein weiteres Leben zu finden. Hier setzte Salvatore an, um sich abermals von Drizzt Do'Urdens übermächtigem Schatten zu lösen und mit der Sellsword-Saga eine Art Spin-Off zu produzieren, das sich ausschließlich mit Artemis Entreri und dessen Drow-Freund Jarlaxle beschäftigt. Das neueste Buch aus dieser Serie hört auf den Namen "Die Drachen der Blutsteinlande" und ist bislang das letzte D&D-Buch aus der Feder von R.A. Salvatore.
Abgesehen von dem Konflikt um Artemis Entreri geht natürlich auch die Geschichte der Heldengruppe und ihr Kampf gegen das Unterreich weiter. Drizzt kann seinem Dunkelelfen-Erbe eben nicht entfliehen, drum war der Titel der nächsten Reihe mit "The Legacy of the Drow" nur die logische Schlussfolgerung. In Deutschland erschien dieser vierteilige Abschnitt, genau wie die darauffolgende Serie "Paths of Darkness", weiterhin unter dem allseits beliebten, wenn auch falschen Titel "Die Vergessenen Welten" (was hier gegen die korrekte Übersetzung "Reiche" gesprochen hat, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben). Immerhin wird mit dieser Tradition in der dreiteiligen "The Hunter's Blades Trilogy" gebrochen, denn das Ganze wird einfach (ohne besonders kreative Rahmen zu sprengen) als "Die Rückker des Dunkelelfen" verkauft.
Die Vergessenen Welten 7-10 (Legacy of the Drow)7. Das Vermächtnis8. Nacht ohne Sterne. 9. Brüder des Dunkels10. Die Küste der Schwerter
Die Vergessenen Welten 11-14 (Paths of Darkness)11. Kristall der Finsternis12. Schattenzeit13. Der schwarze Zauber14. Die Rückkehr der HoffnungDie Vergessenen Welten 15-16 (The Sellswords)15. Der Hexenkönig16. Die Drachen der BlutsteinlandeDie Rückkehr des Dunkelelf (The Hunter's Blades Trilogy)1. Die Invasion der Orks2. Kampf der Kreaturen3. Die zwei SchwerterSalvatore als Berater: Der Krieg der SpinnenköniginDas, was Salvatore mit dem Thema Dunkekelfen angestoßen hatte, faszinierte natürlich auch andere, jüngere Autoren. Und so wunderte es nicht, als eine 6-teilige Reihe veröffentlicht wurde, in der Salvatore nur noch beratende Funktion inne hatte. Der Clou dabei: Jedes der sechs Bücher wurde von einem anderen Schreiberling verfasst; die Bücher lesen sich daher teilweise sehr unterschiedlich.In Der Krieg der Spinnenkönigin geht es fast ausschließlich um Dunkelelfen und um's Unterreich. Drow-Göttin Lolth ist verschwunden und stürzt damit die sonst so klar strukturierte Drow-Welt in ein Chaos. Sämtlicher Priester-Magie entrissen, sehen vor allem die Drow-Weibchen einer ungewissen Zukunft entgegen. Es eröffnet sich die Chance für männliche Dunkelelfen, etwas an den verkrusteten Gegebenheiten zu verändern. Und auch feindselige Völker (und davon haben die Drow eine Menge) sehen ihre Zeit gekommen, endlich mit dem ungeliebten Nachbarn aufzuräumen. Interessant an den Büchern ist neben der Drow-Thematik eigentlich die Tatsache, dass jede Menge Charaktere aus Salvatores Büchern vorkommen. Sei es nun der Obermagier Gromph oder die gehässige Baenre-Priesterin Quenthel -- der Wiedererkennunswert ist gegeben. Leider ist das, was die Autoren abliefern, von sehr schwankender Qualität. Oftmals versinkt die Serie was Dramaturgie und Schreibtechnik angeht, im heillosen Mittelmaß, manchmal geht's auch noch 'ne Stufe tiefer. Echte Geniestreiche in der Handlung finden sich dafür mehr als selten. Trotzdem lohnt sich das Durchlesen, selbst wenn sich manche Kapitel wie Kaugummi ziehen -- das Szenario übt eben Faszination aus.
Der Krieg der Spinnenkönigin (The War of the Spider Queen)1. Zersetzung2. Empörung3. Verdammung4. Zerstörung5. Verheerung6. AuferstehungZukunftsaussichtenDass die Sellswords-Saga mit den wenigen bislang erschienenen Büchern noch nicht abgeschlossen ist, dürfte gewiss sein. Allerdings arbeitet Salvatore derzeit an einer weiteren Drizzt-Reihe unter dem Namen "Die Legende vom Dunkelelf", unter der bereits mit "Der König der Orks" ein Titel erschienen ist und mindestens noch zwei weitere folgen werden.Ebenfalls sehr erfreulich ist die Tatsache, dass Salvatore zusammen mit Lisa Smedman an der Fortsetzung zu War of the Spider Queen arbeitet (muchas gracias an Torshavn für die Information). Diese neue Serie hört auf den Namen Die Büßerin und wird insgesamt 3 Bücher umfassen: Das Opfer der Witwe (bereits erschienen), Der Sturm der Toten und Der Triumph der Spinne. Da mit Smedman eine der besseren WotS-Autoren am Werk ist, darf man sich auf diese Reihe durchaus freuen. Darüber hinaus werden in fleißigen 2 Monatsabständen regelmäßig Comics zur kompletten Serie herausgebracht - angefangen mit der Saga vom Dunkelelf, über die Icewind Dale-Reihe hin zu Legacy of the Drow. Die Qualität der Comics ist dabei von gleichbleibend guter Qualität -- mehr dazu allerdings in einem weiteren Blogeintrag, da ich hier sonst jeglichen Rahmen sprenge ;) Abschließende BetrachtungNatürlich gäbe es zu Robert Anthony Salvatore noch jede Menge zu sagen -- etwa zu den Drachenwelt und Dämonendämmerung Serien, die aus seiner Feder stammen. Nachdem ich aber bereits nach dem ersten Dämonendämmerung-Buch entnervt aufgegeben hatte (und das passiert mir eher selten), beschloss ich, den Fokus dieses Artikels bei den Forgotten Realms zu belassen -- (A)D&D-Szenarien interessieren mich ohnehin mehr.
Ich hoffe dennoch, dass dieser Artikel jedem Fantasy-Interessierten einen Weg in noch ungeahnte Welten erm Reiche :) ermöglicht und dass damit die Faszination, die die Drow durch Salvatores Feder versprühen, auch auf andere übergeht. Und mit diesen Worten möchte ich mich denn auch verabschieden und euch noch etwas Poetisches von Drizzt Do'Urden himself auf den Weg geben :)
"Niemals ziert ein Stern dieses Land mit des Poeten Licht funkelnder Mysterien, noch sendet die Sonne ihre wärmenden und belebenden Strahlen hierher. Dies ist das Unterreich, eine geheime Welt unter der bewegten Oberfläche der Vergessenen Welten, deren Himmel von einer Decke aus kühlem Stein gebildet wird und deren Mauern die graue Sanftmut des Todes im Fackelschein der zufällig hierher gelangten törichten Oberflächenbewohner zeigen. Diese ist nicht ihre Welt, nicht die Welt des Lichts. Wer uneingeladen hierher kommt, kehrt meistens nicht zurück...
[...] aber die Drow sind die Herrscher dieser unbeherrschten Welt, die Tödlichsten der Tödlichen, und alle anderen Völker beobachten sorgfältig ihren Lebensweg. Die Schönheit selbst verblasst am Ende des Schwertes eines Dunkelelfen. Die Drow sind die Überlebenden, und dies ist das Unterreich, das Tal des Todes – das Land obskurer Albträume..." - Drizzt Do'Urden