Es gibt Entwickler, aus denen wird man einfach nicht schlau. Wie etwa aus Robert Woodhead und Andrew Greenberg, den Erschaffern der Wizardry-Serie. Hatte Sir-Tech 1981 mit Proving Grounds of the Mad Overlord noch einen sehr wegweisenden Titel für gesamte Genre auf die Beine gestellt, von dem sich The Bard’s Tale und Might and Magic genüßlich bedienten, stehen wir fünf Jahre später und zwei Fortsetzungen mit eher Add On-Charakter einem Spiel namens Wizardry 4: The Return of Werdna gegenüber und kratzen uns verwirrt die Kopfhaut: Was soll das bitte sein?
Sicher, wer auf Technik schaut, ist bei historischen CRPGs am falschen Thema, aber wie kommt es eigentlich, dass ein Spiel fünf Jahre nach dem Erstling immer noch die gleiche Präsentation besitzt: Die selben faden Drahtgittermodelle, die antiken CGA-Grafiken, eine Benutzerführung aus frühester GUI-Steinzeit und eine Sounduntermalung, die jeder Beschreibung spottet? Man fragt sich unweigerlich, ob Sir-Tech die letzten Jahre in einer Cryokapsel verbracht haben.
Das würde sogar zum Grundthema des vierten Teils passen, denn eigentlich handelt es sich hier um ein direktes Sequel zu Proving Grounds of the Mad Overlord: Dort wurde unsere Heldengruppe ausgeschickt, um ein magisches Amulett von einem bösen Magier namens Werda (= Andrew) zu stehlen. Der vorherige Besitzer, ein gewisser Trebor (= Robert) war unser Auftraggeber.
In Wizardry 4 dreht sich die Perspektive: Nun schildert uns jener Werdna, wie er sich grade vollkommen fasziniert mit besagtem Amulett beschäftigt, als sich plötzlich eine ungehobelte Heldengruppe seiner Gemächer bemächtigt, ihn erschlägt und das Amulett entwendet. Die Heldengruppe, das waren natürlich wir im Jahre ‘81 (sofern ihr es geschafft haben solltet, euch durch das bockschwere Wizardry zu kämpfen). Was allerdings blöd dabei war ist, dass Werdna diesen Kampf überlebte: Zwar äußerst geschwächt und all seiner Kraft beraubt, aber zumindest lebendig. Oder besser gesagt: Lebendig begraben. Aufgabe des Spiels ist es nun, als Werdna aus der untersten Ebene des Dungeons an die oberste Ebene zu gelangen. Das Spiel beginnt dabei in einer Art Gefängniszelle, an deren Verlassen schon ein Großteil der Spieler scheiterte. Nicht umsonst lag dem Spiel ein Umschlag bei, der nur einen Tipp enthielt: Wie man dem ersten Raum entkommen konnte.
Bruch mit etablierten Mechanismen
Man kann den Entwicklern also einen gewissen Sinn für Humor und Innovation nicht absprechen. Dass man mit dem Bösewicht ins Dungeon steigt, ist an für sich schon ein Novum, aber auch die Art und Weise wie das Entwicklerteam diesen Aspekt umgesetzt hat, verdient Anerkennung. Viele Mechanismen, die Sir-Tech quasi selbst im Genre etabliert hat, wirft der Entwickler über Bord. So fällt etwa das klassische Grinden, also das gezielte Abschlachten von Monster aus EXPs-Gründen, vollkommen flach, da das Spiel diese Art Gameplay einfach nicht implentiert hat: Werdna sammelt weder Erfahrungspunkte, noch partizipiert er von einem Großteil an Loot. Zwar gibt es immer mal wieder Tränke und andere nützliche Gegenstände, aber Waffen und Rüstungen erfüllen keinen Zweck. Aufgestuft wird stattdessen über so genannte Pentagramme, die man 1x pro Ebene als Levelspot nutzen kann. Der Levelaufstieg bringt mehr Lebenspunkte und einen größeren Pool an Zaubersprüchen. Wirklich gekämpft wird aber durch einen anderen Mechanismen: Werdna ist in der Lage, Monster zu beschwören, die für ihn kämpfen. Die agieren während des Kampfes autark: Ob jemand angreift, heilt oder Stille zaubert lässt sich nicht beeinflussen. Lediglich die Art der Monster dürfen wir bestimmen.
Und so ergibt sich die skurrile Situation, dass wir als vermeintliche Monstergruppe durch das Dungeon stolpern und dabei auf vermeintliche Heldengruppen treffen, deren Ziel es ist uns aufzuhalten. Die Charaktere, die sich in diesen Gruppen befinden, stellen wiederum echte Spielfiguren aus vergangenen Wizardry-Partien dar, die die Spielen an Sir-Tech einschicken konnten. Das Ganze wird mit einem brillanten Puzzle-Design garniert, von dem Konkurrent Bard’s Tale 2 nur träumen kann. Und wenn dann noch einige Gegebenheiten auftauchen, in denen Werdna die Situation trocken aus dem Hintergrund kommentiert, denkt man schon: Echt cooles Spiel. Zumindest wie es sich auf dem Papier liest.
Praxis vs. Theorie
In der Praxis hingegen ist das Spiel ein echt mieses Dreckstück. Viele reden ja vom schwersten Rollenspiel aller Zeiten. Vielleicht sollte man noch das Wort unfair dazupflanzen. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wer das Spiel speichert und erneut lädt, sieht sich sämtlichen Gegnern und Fallen erneut ausgesetzt. Dass man sich eine Monstergruppe beschwören kann, hört sich wirklich cool an: Welche Stärken und Schwächen die Monster jedoch haben, wird nicht erklärt. Die Fallen lassen sich oft nur nach der Methode Try&Error umgehen, sprich: So lange sterben, bis man weiß, wo sich Fallen befinden. Allzu viel Zeit für Experimente gibt einem das Spiel allerdings nicht: Wer die maximale Anzahl an Tastatureingaben erreicht, hat das Spiel verloren. Darüber hinaus schleicht auch noch der Geist Trebors durchs Dungeon -- und das in Echtzeit: Eine Berührung und wir sind hinüber. Die Liste könnte man locker weiterführen, aber man merkt dem Schreiber an, worauf er mit diesen Zeilen hinaus will: Das Spiel ist unfair schwer.
Wer es allerdings bis zum Ende durchhält wird mit eine von drei Enden belohnt, einer Tradition, die auch in späteren Wizardrys sehr gerne aufgenommen wird.
Wir halten zum Ende fest: Für Wizardry 4 muss man in zweierlei Hinsicht kerngesund sein. Zum einen, um die antiquierte Präsentation und Benutzerführung zu ertragen, zum anderen, um bei dem enormen Schwierigkeitsgrad nicht durchzudrehen. Wer beides meistert, bekommt mit Sicherheit eines der innovativsten Spiele der CRPG-Geschichte vorgesetzt. Ob die Zeit nicht trotzdem sinnvoller einzusetzen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass Sir-Tech mit der Serie danach in eine andere Richtung gehen wollte und mit David W. Bradley einen Designer ans Werk ließ, der Wizardry in neue Sphären brachte.