Fortsetzungen sehr bekannter Spieleserien umgibt meist ein Hauch von Fluch: Entwickelt sich das Spiel nicht entscheidend weiter, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit der Produktion. Wird das Spielsystem zu stark renoviert, fühlen sich Altveteranen vergrault. Und so tastet sich auch die Civilization-Reihe seit jeher vorsichtig an neue Spielgefilde heran, fügt hier und da neue Spielelemente hinzu und beschränkt sich vornehmlich darauf, die Grafikengine aufzuwerten.
Auf zu neuen Ufern
Doch mit dieser Methodik, die zuletzt mit Civilization 4 perfektioniert wurde, brechen die Entwickler für Teil 5 -- und das lässt sich am stärksten am neuen Kampfsystem festmachen. Vorbei die Zeiten, in denen Einheiten im Dutzend übereinander gestapelt wurden und epische Schlachten um einzelne Städte entbrannten. In die Hexfelder, die die Spielwelt neuerdings überziehen, passt nur noch eine einzige Einheit und selbst Großmetropolen bekommen maximal einen Verteidiger zur Seite gestellt, dürfen dafür allerdings von Anfang an mit Langstreckenwaffen gegen Invasoren vorgehen. Dies hat zur Folge, das Angriffe gegen Städte, sei es durch KI-gesteuerte Barbaren und andere Völker in der Anfangsphase kaum noch gelingen. Insgesamt bewirkt das System, dass einzelne Einheiten an Wert gewinnen – auch deshalb, weil der Unterhalt für jeden gebauten Kampfverband kräftig am Staatssäckel zehrt.
Vereinfachung des Spielsystems
Abgesehen vom Kampfsystem, das insgesamt komplexer als üblich ist und die besten Tugenden (Auflevelsystem!) des Vorgängers übernommen hat, macht Civilization 5 einen simplifizierten Eindruck. Fast wirkt es so, als hätte Firaxis gefallen am Konsolenableger Civilization Revolution gefunden, denn viele Spielmechanismen, die noch durch Civilization 4 und dessen Erweiterungen eingeführt wurden (Religion, Spionagesystem, Aktiengesellschaften), fielen dem Rotstift zum Opfer. Auch das Interface wurde entschlackt, was Anfängern sicherlich zugutekommt, da das Spielsystem übersichtlicher wird: Die Eroberung einer Stadt bringt der gesamten Bevölkerung einen Glücklichskeitsmalus ein, der Bau eines entsprechenden Gebäudes hebt diesen wieder auf. Ursache und Wirkung werden in Civilization 5 auf möglichst einfacher Ebene gehalten.
KI und Diplomatie – Altlasten 5.0
Seit 1999, dem Jahr, in dem der Civ-Ableger Alpha Centauri aus der Taufe gehoben wurde, wünschen sich Fans ein ähnlich gutes und nachvollziehbares Diplomatiesystem für die Civilization-Reihe. Leider zieht sich dieser Makel von Teil zu Teil, ohne dass die Entwickler es jemals geschafft hätten, dies zufriedenstellend umzusetzen. Die Hoffnungen, die in dieser Beziehung auf Civ 5 ruhten, können getrost als gescheitert bezeichnet werden. Die Möglichkeiten, die sich dem Spieler im neuesten Teil bieten, sind nicht etwa vielzähliger, sondern sogar noch gestutzt worden: Konnten früher etwa einzelne Technologien untereinander getauscht werden, so ist dieses jetzt nur noch über das sehr passive Forschungsabkommen möglich. Auch sind die Entscheidungen der KI nicht nachvollziehbarer als früher: Selbst der freundlichst gesinnte Staat erklärt uns mit großer Sicherheit den Krieg, wenn wir unsere Städte zu nah an dessen Grenzen bauen. Darüber hinaus scheinen spielrelevante Schmakazien wie die kulturelle Eroberung angrenzender Städte zusammengestrichen worden sein. In unserem Test funktionierte dies nur noch über einen Großen Künstler – schade.
Globale Strategie mit Questsystem
Den Zeichen der Zeit folgend entschied sich Firaxis dafür, auch dem neuesten Civilization eine Art Questsystem zu spendieren. Dies wurde über die so genannten Stadtstaaten umgesetzt, die zahlreich über die gesamte Spielwelt verstreut sind. Stadtstaaten sind autarke KI-Städte, die niemals auf Expansionskurs gehen, aber deren Loyalität man gewinnen kann. Hierfür gibt eine Reihe Tasks, die sehr simpel gehalten und in den allermeisten Fällen darauf hinaus laufen, generische Stadtstaaten zu vernichten oder nahe gelegenen Barbarendörfer dem Erdboden gleich zu machen. Ist man erst einmal mit einer solchen Stadt verbündet, winken einige Boni -- so darf sich der Spieler etwa von Zeit zu Zeit über eine aktuelle Einheit freuen oder an besonderen Ressourcen partizipieren. Insgesamt spielt dieses Feature aber keine tragende Rolle.
Moderne Zeiten
Technisch macht die Civilization-Reihe einen großen Schritt nach vorne. Zwar kann nicht mehr so außergewöhnlich weit herausgezoomt werden, wie es noch im Vorgänger der Fall war, aber insgesamt ist Civilization 5 der erste Teil der Serie, der wirklich als schön bezeichnet werden kann. Das gilt schon für die Darstellung der Spielkarte und für die Einheitenanimationen, aber insbesondere und vor allem für die Präsentation des KI-Anführers, sobald mit diesem in diplomatischen Kontakt getreten wird. Atmosphärisch klasse sind hierbei nicht nur die wunderbaren animierten Hintergründe, sondern auch die Idee, den Anführer des Gegners in seiner landeseigenen Sprache parlieren zu lassen. Weniger imposant ist hingegen die staubtrockene Präsentation der Weltwunder -- Fans des zweiten Civilization werden die Filmchen noch immer vermissen.
Performancetechnisch macht sich die Grafikpracht bemerkbar: Wer ein gutes Mittelklasse-System besitzt (hier ein C2D E8400 mit GTX 260 und 4 GB Ram) wird sich im Verlauf des Spiels über nervige Pausen bei der Rundenberechnung ärgern.
Fazit: Kein Wohlfühl-Civ, aber trotzdem gut
Es ist kein rational begründetes Gefühl, aber der fünfte Teil macht, obwohl er zu 99% ein echtes Civilization ist, in manchen Teilen den Eindruck eines Civilization Lite, eines Civilization Revolution-Ablegers, der hier und da auf Komplexität getrimmt wurde. Fühlten sich Käufer des Vorgängers noch wie die Besitzer eines Rund-um-Wohlfühl-Pakets, das vom (grandiosen) Hauptmenü bis zum Spielende glücklich machte, muss sich Civilization 5 seine Freundschaft insbesondere bei Veteranen der Serie erst einmal hart erarbeiten. Das mag auch an dem etwas gestutzt wirkenden Interface liegen, das nur noch die wichtigsten Informationen präsentieren soll. Einerseits löblich, andrerseits leicht konsolenartig und damit befremdlich.
Dabei macht das Spiel gar nicht viel falsch: Grafisch ist es eine Augenweide, die Diplomatie-Kiste ist auch nicht schlechter als das schon seit jeher durchwachsene System der Vorgänger, die Stadtstaaten-Implementierung ist eine ganz nette Idee und das neue Kampfsystem ist klar besser als bei jedem anderen Civ-Teil.
Trotzdem: Aufgrund der Tatsache, dass Firaxis an der einen oder anderen Stellschraube gedreht hat, fühlt sich das Spiel bisweilen nicht mehr "richtig" an. Dazu kommt noch eine Kampf-KI, die einen schwächeren Eindruck macht, als das noch beim Vorgänger der Fall war: Noch nie war es so einfach, Civ auf höheren Schwierigkeitsgraden zu gewinnen.
Unterm Strich bleibt allerdings der Spielspaß und dieser ist auch hier auf gewohnt hohem Niveau. Die dreißig Stunden, die mich das Spiel bislang beschäftigt hat, sind dermaßen flott vergangen, dass sich selbst jetzt noch der Eindruck verfestigt hat, den Titel kaum gespielt zu haben. Diese Art von Zeitgefühl vermittelt nur ein Spitzentitel und dieses Prädikat werde ich Civilization 5 mit Sicherheit nicht absprechen. Nur ob die Fans in 10 Jahren noch wohlwollend über das Spiel sprechen werden oder ob das Game bis dahin zu den eher schlechteren Civ-Titeln gezählt wird, wage ich bereits jetzt schon vorauszusehen. Zeigen wird's die Zukunft – für das jetzt und heute spreche ich meine klare Empfehlung aus.
Wertung: 10/12
Also am meisten stört mich bei der Diplomatie das man gar nicht mehr weiß wo man bei seinem Gegenüber steht. Bei CIV4 wurde genau angezeigt warum er sauer auf mich ist.
Die Interfaceänderungen und die Grafik sind aber wirklich gelungen.
Stimmt Don, das ist mir auch negativ aufgefallen. Gut, dass du darauf hinweist!
Du hättest noch erwähnen können daß es keine unterschiedlichen Anführer mehr gibt. Nimmt zusätzlich Komplexität aus dem Spiel.
Lob für das ansonsten gute Review. Nicht zu lang und dennoch die wichtigsten Punkte drin.
Gestern wurde ein Patch angekündigt welcher eine verbesserte KI beinhaltet. Das soll auch die Diplomatie beinflussen. Eventuell einen Nachtest sobalds soweit ist?
Sinister Sister