Two Worlds 2
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Reality Pump räumt mit einem Klischee auf: Orks können nett sein! Oder wer würde das Gegenteil behaupten, wenn uns die Grünhäute aus den Klauen eines gemeingefährlichen Tyrannen befreien? Eben! Und so beginnt Two Worlds II erfrischend anders: Mit einem spektakulären Gefängnisausbruch.
Doch vorher setzt der Rollenspielgott stets die Charaktererschaffung voraus und das ist auch bei Two Worlds II nicht anders – allerdings mit einer gewichtigen Einschränkung: Die Vergabe von Charakterwerten oder eine Klassen-/Rassenauswahl sieht das Programm an dieser Stelle nicht vor. Das ändert sich zwar im späteren Spielverlauf, weil der Protagonist bei jedem Levelaufstieg Charakter- und Skillpunkte erhält, doch zu Anfang darf man sich nur für das Äußere des Helden entscheiden und auch hier wird man von der Varianz nicht gerade erschlagen. Positiv betrachtet hat das Ganze einen Vorteil: Man darf sofort ins Spielgeschehen einsteigen.
Eingeleitet wird Two Worlds II von einem recht eindrucksvollen Intro im Herr der Ringe-Stil, das Nicht-Kennern des Vorgängers die Ausgangssituation bedrohlich vor Augen führt. Das Zwillingsschwesterchen des Helden ist nämlich ebenso Gefangene des Oberschurken Gandohar wie unsere Wenigkeit und stellt darüber hinaus die Machtbasis für dessen üble Zauberreien dar. Die Mission ist demnach klar: Ausbrechen, stärker werden, zurückkehren, Obermotz auf die Nase hauen, Schwesterlein in die Arme schließen und auf Two Worlds III warten.
Bis es soweit ist, vergehen allerdings viele Spielstunden, die mit allerlei Questen und jeder Menge Schnetzelarbeit gefüllt werden will. Two Worlds II ist grundsätzlich ein Open World-Spiel, das das Prinzip der offenen Spielwelt allerdings durch diverse Mechanismen begrenzt. So lassen sich Freiland-Gebiete teils erst erkunden, wenn vorher gewisse Voraussetzungen geschaffen wurden und auch das Betreten von Dungeons klappt meist nur dann, wenn die richtige Quest angenommen wurde -- ansonsten bleibt die dazugehörige Tür nämlich verschlossen.

Ein diebisches Vergnügen

Apropos verschlossene Türen. Schurkentätigkeiten gehören in Two Worlds II zum Alltag. So lassen sich etwa Behausungstüren mit einem Dietrich, ein wenig Geschick und der richtigen Skillung problemlos öffnen -- Voraussetzung ist allerdings, dass man bei dieser Tätigkeit unbeobachtet bleibt und dafür ist die Nacht geradezu prädestiniert (womit übrigens auch klar wäre, dass es einen geregelten Tag- und Nachtwechsel gibt, dem sich die NPCs anpassen). Wer allerdings nächstens in das private Heim eines Bürgers einsteigt, bekommt gleich das nächste Problem: Das Ausräumen der dort angesiedelten Inventars funktioniert nicht, solange sich Personen in der Nähe aufhalten. Schlimmer noch: Wer sich nicht freiwillig wieder auf die Straße begibt, bekommt es alsbald mit den hiesigen Wachen zu tun. Interessant ist an dieser Stelle übrigens auch, dass die Wachmannschaft penibel darauf reagiert, ob der Spieler mit gezückten Waffen durch die Städte läuft oder Bürger beim Gehen anrempelt. Dann steigt nämlich eine Art Aggrometer, das ab einem bestimmten Punkt dazu führt, dass wir die Stadt nicht mehr gefahrlos betreten können.
Doch zurück zum Inventar: Während des Spielens stolpert man an allen Ecken und Enden geradezu über Truhen, Schränke und andere Behältnisse, die darauf warten, geknackt zu werden. Leider ist deren Inhalt zufallsgeneriert und das Minispiel zum Aufknacken der Schlösser mutiert irgendwann zu einem notwendigen Übel. Doch hier bleibt das Spiel erbarmungslos: Ganz wie in einem Action-Rollenspiel gehen die Entwickler geradezu inflationär mit dieser Spielmechanik um und sorgen dafür, dass man irgendwann entweder achtlos an Behältern vorbeiläuft oder wild auf die Truhen einhaut, was steuerungstechnisch allerdings nicht ganz optimal gelöst ist. Da kommt erschwerend noch hinzu, dass das Inventar unseres Recken zwar hübsch anzuschauen ist, aber irgendwann recht unübersichtlich wird.
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Steuerung mit Tücken

Überhaupt hat die Handhabung Ihre Tücken: Denn obwohl es sich der Held via WASD und Maus ganz komfortabel steuern lässt, wirken die Reaktionszeiten beim Kämpfen (etwa dem Blocken), Laufen oder Springen bisweilen etwas träge und schwammig. Besonders nervig ist die Tatsache, dass die Spielfigur für bestimmte Aktionen genau positionieren muss. Als Beispiel sei hier das Reiten genannt: Will man auf ein Pferd aufsteigen, muss man sich genau positionieren und die Leertaste drücken. Stimmt der Abstand nicht, springt der Charakter nur langatmig in die Luft. Das kann, nein wird, irgendwann nerven.
Dafür ist der Charakter sehr agil: Schwimmen, Rennen, Bootchen fahren und sogar das Herunterspringen von Treppen ist, anders als im Witcher, kein Thema. Zudem markiert das Spiel ganz brav mögliche Questziele auf der Automap und blendet stets eine Miniansicht der näheren Umgebung ein.

Teleportersystem nach Maß

Besonders komfortabel haben es uns die Entwickler beim Wegesystem gemacht: Da wäre zum einen die klassische Variante zu Fuß, die sich allerdings per Skillung so ausbauen lässt, dass der Charakter auch für längere Zeit durch die Gegend rennen kann. Wer es etwas feudaler mag, bekommt relativ früh schon die Möglichkeit, auf ein Pferd aufzusteigen. Dieses hat allerdings den Nachteil, dass es nicht überall mit hingenommen werden kann, steuertechnisch etwas gewöhnungsbedürftig ist und zudem schnell verloren geht, weil nirgends verzeichnet ist, wo wir unser Pferd zurückgelassen haben. Kämpfen zu Pferd ist ebenfalls nicht möglich, aber dafür lässt es das Spiel zu, die zur Alchemie benötigten Kräuter, die überall verstreut sind, direkt im Vorbeireiten einzusammeln -- im Vergleich zu den super-nervigen Animationsorgien eines Red Dead Redemption die reinste Erholung!
Die beste aller Möglichkeiten ist allerdings das Teleportationsystem: Markante Punkte auf der Karte besitzen eine Teleportationsplattform, zu der wir uns jederzeit hinbeamen können. Und weil die Jungs von Reality Pump besonders nutzerfreundlich sind, darf man sogar eigene (aber recht teure) Teleportersteine auf der Karte verteilen, was das System noch effizienter gestaltet.
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Fabelhaftes Skillsystem

Auch das Skill- und Talentsystem ist ausgesprochen vielseitig: Two Worlds II gibt keine Klassen vor, lässt dem Spieler aber durchaus die Wahl, ob er seine Charakter- und Skillpunkte in Nahkampf- Schurken-, oder Magiertalente steckt. Darüber hinaus dürfen auch allgemeine Fähigkeiten wie die Sprintausdauer trainiert, sowie Punkte in diverse Tradingskills investiert werden. Diese überaus gelungene Kombination macht aus jedem Levelaufstieg eine sehr interessante Erfahrung und fördert damit das ureigenste Rollenspiel-Gefühl: Sich auf den nächsten Stufenaufstieg zu freuen.
Skills lassen sich erst durch bestimmte Bücher freischalten, die entweder gekauft oder gefunden werden und je nachdem, für welche Laufbahn man sich entscheidet, sind die Möglichkeiten im Kampf ausgeprägt: Während Krieger eher simple Haudrauf-Aktionen erhalten, finden Tüftler im Magiesystem ein echtes El Dorado vor: Selten gab uns ein Spiel die Möglichkeit, derart variantenreiche Zaubersprüche zu kreieren, wie es Two Worlds II anbietet. Und wer gerne Handwerksberufe ausübt, findet das Pendant hierzu im Alchemiebaukasten, bei dem etliche Kräuter miteinander kombiniert werden können, um möglichst trickreiche Tränke zu brauen. Überhaupt gab es selten ein Offline-Rollenspiel, bei dem Tradekills dermaßen viel Sinn machten wie hier: So wurde das alberne Aufeinanderstapeln von Waffen aus dem Vorgänger aufgegeben. Nachgerückt ist die Möglichkeit, alle Rüstungsteile in unterschiedliche Ressourcen aufzusplitten und mittels dieser Materialien Waffen und Ausrüstungen (entsprechend unseres Skillslevels) zu optimieren.

Kaum technische Mängel

Abgesehen vom spielerischen Unterbau macht Two Worlds II auch technisch eine gute Figur. So ist die Grafik wirklich hübsch in Szene gesetzt und bekommt in einigen der sehr gut choreographierten Zwischensequenzen beinahe Filmcharakter. Hinzu kommt ein hübscher Tag- und Nachtwechsel (aber leider kein unterschiedliches Wetter), tolle Kampfanimationen und eine funktionierende Physikengine, die sich zum Beispiel bei Berg- und Talritten auswirkt: So geht es beim Erklimmen einer Anhöhe deutlich langsamer zur Sache als beim Verlassen derselben. Einzig die völlig überzogenen (und leider nicht abschaltbaren) Bloom-Effekte hätten sich die Entwickler wirklich sparen können -- zumindest was den europäischen Geschmack angeht ;)
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Dafür stimmen die Ladezeiten versöhnlich: Ich kann mich wirklich an kein Rollenspiel der letzten Jahre erinnern, bei dem das Betreten neuer Gebiete oder das Laden von Speicherständen derart schnell realisiert wurde. Das Spiel startet und lädt einen Spielstand in insgesamt 15 Sekunden – wirklich bemerkenswert. Auch soundtechnisch wurde vieles richtig gemacht: Atomsphärische Musik und eine professionelle deutsche Sprachausgabe mit Sprechern wie Dietmar Wunder (Daniel Craig, Omar Epps) runden das gute Gesamtbild wunderbar ab.
Weniger euphorisch nimmt man allerdings die schwache KI der Opponenten und das Balancing im Allgemeinen zur Kenntnis: Spieler auf dem Pfad der Nahkämpfers, aber insbesondere Magier brutzeln im späteren Spielverlauf Ihre Gegner in Grund und Boden. Da kommt es auch nicht besonders gut, dass Monster gerne mal dem Todeskampf ihrer Kollegen zuschauen oder völlig sinnlos auf unseren Protagonisten einhauen, ohne zu merken, dass dieser zu Pferd ist und bislang überhaupt keinen Schaden erhalten hat. Egal, es wird nach Schema-F draufgeklopft, denn der Mob hat ja sonst nichts zu tun. Immerhin gibt es (selten) KI-Muster, die einigermaßen realistisch wirken – etwa bei Raubkatzen, die ganz gezielt angreifen und ihren Geschwindigskeitsvorteil nutzen, um aus der Reichweite ihres Gegners zu sprinten.

Atmosphärebonus, aber nichts für Entdeckernaturen

Two Worlds II bedient sich relativ ausgefallener Settings. So spielt ein Großteil in orientalisch angehauchten Ortschaften, bei dem der Protagonist nicht selten im Assassins Creed-Stil über die Häuserdächer der einen oder anderen Stadt spurtet. Später darf man sich sogar über wunderbare asiatische Gebiete freuen, die einen tollen Kontrast zu den vorherigen Spielstunden vermitteln. Schade ist allerdings, dass das Game diese Stärken in seiner Open World nicht so richtig auszuspielen weiß, denn es gibt einfach zu wenig zu entdecken und zu wenige Überraschungen, die ausgedehntes Erkunden belohnen würden. Auch deshalb bleibt man lieber in der Nähe der Städte, hangelt sich von Nebenquest zu Nebenquest, deren Qualität mal gut, mal überaus gewöhnlich daherkommt und wünscht sich bisweilen, dass Two Worlds II ein wenig die Stärken eines Fallout 3 geerbt hätte, bei dem das Erkunden der Spielwelt das A und O darstellt.
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Multiplayermodus inklusive

Eher ungewöhnlich für ein Rollenspiel dieser Kategorie ist der eingebaute Multiplayer-Part, den die Entwickler Two Worlds II spendiert haben. Dieser kennt Mehrspielervarianten wie klassisches Deathmatch oder den kooperativen Adventure-Modus. Am ungewöhnlichsten ist allerdings die Möglichkeit, sich ein eigenes Dorf einzurichten, dieses mit allerlei Gebäuden auszustatten und gegen etwaige Monsterangriffe zu verteidigen. Insgesamt hat der Multiplayermodus einen guten Eindruck hinterlassen und ist nette Ergänzung zur eigentlichen Singleplayerkampagne.
Für den Test wurde auf Patchstand 1.01 gespielt. Abstürze waren keine zu beklagen, wohl aber der eine oder andere grafische Bug (fliegende Gegenstände) und einmal verhakte sich die Spielfigur dermaßen in einem Felsen, das keine Bewegung mehr möglich war. Abgesehen davon ist das Spiel für ein Rollenspiel erstaunlich fehlerfrei. Die Entwickler versprachen übrigens, sich um ein umfassendes Update zu bemühen, das einige der hier bemängelten Punkte beheben soll.

Fazit: Nicht perfekt, aber das beste Fantasy-Rollenspiel 2010

Two Worlds II ist wahrlich nicht perfekt und krankt an der durchwachsenen KI, einem undurchdachten Balancing, an der eher umständlichen Steuerung und einer Open World, die zu wenig Überraschungen bietet, um für Weltenbummler einladend zu sein.
Auf der Habenseite stehen allerdings alle anderen Punkte – angefangen vom grandiosen Skill- und Craftingsystem bis hin zum tadellosen technischen Unterbau, dem tollen Teleportersystem und der beinahe schon cineastischen Inszenierung einiger Zwischensequenzen. Das Spiel besticht vor allem auch in Sachen Atmosphäre, denn es setzt einige unverbrauchte Settings wunderschön in Szene und lädt einfach zum Weiterspielen ein. Positiv sei auch der Multiplayermodus erwähnt, der sicherlich nicht das Kernstück des Spiels darstellt, aber als gut gemachte Dreingabe einlädt, die eine oder andere Spielstunde länger mit Two Worlds II zu verbringen.
Den direkten Konkurrenten Gothic 4 schlägt Two Worlds II damit um Längen, zieht aber insbesondere gegen die Endzeitkonkurrenz im Form von Fallout: New Vegas den Kürzeren. Wer mit der Wasteland-Atmosphäre allerdings nichts anfangen kann und eher auf Fantasy-Kost steht, kommt zumindest 2010 nicht an Two Worlds II vorbei. Und das hätte ich nach dem eher durchwachsenen Vorgänger wirklich nicht gedacht. Gut gemacht, Reality Pump!
Wertung: 10/12

4 responses to "Review: Two Worlds II 2 - Test / Fazit (PC)"

  1. Ich habe mir Two Worlds 2 auch bereits gekauft aufgrund der doch durchweg positiven Testbericht.
    Ein wenig Feinschliff fehlt dem Spiel aber noch und ich warte jetzt einfach auf den angekündigten Patch.

    ps.: Schönes Review :)

  2. Das heißt, du hast es zwar, aber spielst es noch nicht? Oder hast du mittendrin aufgehört und wartest jetzt auf den Patch?

    PS: Danke :)

  3. Schade auf den Multiplayerteil bist du ja nicht so drauf eingegangen. Es ist doch hochinteressant, daß die Designer einen relativ starken Multiplayerpart in ein ohnehin schon umfangreichen Open World Titel einbauen. Das verdient Anerkennung!

  4. Stimmt, den Mehrspielermodus habe ich nur rudimentär ausprobiert, aber was ich gesehen und gespielt habe, hat einen wirklich guten Eindruck hinterlassen. Dennoch halte ich Two Worlds 2 grundsätzlich für einen Singleplayer-Titel, wer Rollenspiele online zocken will, ist bei einem MMORPG vermutlich besser aufgehoben.