Im Jahr 1985 wurde mit The Bard’s Tale der Rockstar der CRPG-Szene geboren. Das Hack&Slay-Rollenspiel avancierte zu Interplays ersten Hit und führte lange Zeit die Verkaufscharts an. Ein Nachfolger war nur eine Frage der Zeit. Doch wenn nur ein Jahr später ein potentielles Sequel auf der Matte steht, darf eine gewisse Skepsis angemeldet werden. Und tatsächlich: Querelen und Machtgehabe zwischen Brian Fargo und Bard’s Tale-Erfinder Michael Cranford führten dazu, dass das Spiel mehr oder weniger im cranfordschen Alleingang entwickelt wurde. In der Konsequenz blieben Präsentation und Benutzerführung auf dem Niveau des Vorgängers.
Zudem schien der Schöpfer eine sadistische Ader in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad zu haben: Gerüchten zufolge unterstellen ehemalige Kollegen Cranford, dass er sich als Entwickler wie eine Art Gegenspieler zum Kunden positioniert und ein diebisches Vergnügen daran hat, wenn Spieler an seinem Produkt scheitern. War schon Tales of the Unknown kein Spiel für Warmduscher, legt der Destiny Knight nochmal eine Schippe drauf, ohne dabei das Gameplay wesentlich zu verbessern. Folgerichtig gilt das Spiel auch heute noch als bockschwerer Vertreter seiner Zunft, das “mehr vom Gleichen” bringt. Und auch wenn die damaligen deutschen Medienvertreter Destiny Knight mit Höchstwertungen übersäten, hält der Gaming-Historiker den zweiten Teil der Bardensaga für den schwächsten der Serie.
Leveln&Looten
The Destiny Knight, das eigentlich Tales of the Unkown II: The Archmages Tale heißen sollte, erzählt in seiner Vorgeschichte von einem Artefakt namens Destiny Wand, das von einem bösen Erzmagier entwendet und in sieben Stücke zerbrochen wird. Nachdem sich unser Sieg in Skara Brae über Mangar weitläufig rumgesprochen hat, sollen wir uns also gleich dem nächsten Problem widmen und dürfen dafür folgerichtig die Recken des Vorgänger-Savegames heranziehen -- was ob des Schwierigkeitgrades bitter nötig ist. Wer dies nicht tun möchte oder kann, hat immerhin die Möglichkeit, eine Prinzessin aus einem Anfänger-Verlies zu befreien und dort massig EXPs einzustreichen, um die neuen Recken auf Veteranen-Niveau zu ziehen. Das hat leider die bekannten Nachteile: Besonders beim Import der Charaktere fällt bei einem Spiel, das auf dem Leveln&Looten-Prinzip aufbaut, zumindest der Leveln-Teil etwas spärlicher aus -- was an der Motivation zerrt. Interessanter FunFact an dieser Stelle: Je nach Version lassen sich sogar Helden aus Ultima 3 oder Wizardry 1 importieren.
Das Spiel besitzt laut Handbuch ein ca. 50% größeren Umfang als sein Vorgänger. Anstatt in einer Stadt unterwegs zu sein, sind es derer nun sechs -- allesamt über eine Außenwelt namens The Wilderness verbunden und von der Bezeichnung her dem Neuen Testament entliehen (Cranford war leidenschaftlicher Christ). Anders als ähnlich gestrickten Might and Magic ist deren Abfolge allerdings relativ linear, so dass das Open World-Feeling beim New World Computing-Konkurrenten deutlich größer ist.
Mehr vom Gleichen
Aber auch in anderen Aspekten wurde eine Schippe draufgelegt: So suchen wir nun insgesamt 25 Dungeons auf, haben sieben komplett neue Bardenlieder und immerhin 79 Zaubersprüche. Zusätzlich wird mit dem Archmage eine neue Klasse eingeführt. Wir erinnern uns: Im Vorgänger konnte man Archmage werden, wenn man gewisse Zauberklassen meisterte. Was damals nicht mehr als ein Titel war, bringt nun allerdings eigene Zaubersprüche mit sich -- da sagt man nicht nein. Da passt es auch ganz gut, dass wir nun sieben Helden ins Feld führen dürfen. Wer gerne ins Casino geht, darf dies nun tun und wer schon immer den Drang hatte, in einem Spiel eine Bank aufzusuchen: Bitte, jetzt geht es. Aber Vorsicht: Das funktioniert nur in den ursprünglichen Versionen für C64 und Apple II. Tatsächlich wurde The Destiny Knight bei den Umsetzungen recht stiefmütterlich behandelt: Die Amiga- und PC-Versionen sind unfertig (es fehlt etwa das erwähnte Casino) und eine Portierung für den Atari ST wurde erst gar nicht angestrebt. Auch auffällig: Hatte Bard’s Tale 1 noch eine vorbildliche deutsche Übersetzung, wurde dies für den zweiten Teil komplett gestrichen.
Das Kernelement, nämlich der Kampf, wurde nur sanft verändert. Neuerdings gibt es den Aspekt der Entfernung: Sind Gegner zu weit weg, müssen Fernkampfwaffen verwendet werden. Oder man rückt näher an den Gegner ran. Die restliche Mechanik wurde 1:1 aus dem Vorgänger übernommen, was insgesamt ein wenig enttäuschend ist. Gleiches gilt für die Rätsel: Zwar gibt es nun Aufgaben, die in Echtzeit gelöst werden müssen, aber im Grunde genommen sehen wir uns hier mit den gleichen Mechanismen konfrontiert, die wir schon im Vorgänger kennengelernt haben. Ein wenig mehr Ideenreichtum hätte sicherlich nicht geschadet.
Michael Cranford verließ nach The Bard’s Tale 2 die Spielebranche, was sich als Segen für The Bard’s Tale 3: Thief of Fate herausstellen sollte. Aber das ist eine andere Geschichte.