Dragon Age 2

Developer: BioWare
Publisher: Electronic Arts
Genre: Rollenspiel

Als das Monumentalwerk Dragon Age: Origins im November 2009 das Licht der Rollenspielwelt erblickt, kann es auf ein halbes Jahrzehnt der Entwicklung zurückschauen -- und das ist dem Titel sowohl im großzügigen Umfang, als auch in der angegrauten Technik deutlich anzumerken. Dann kündigt BioWare plötzlich den Nachfolger für Anfang 2011 an und die Fangemeinde bangt: Wie kann ein Nachfolger in derart kurzer Zeit in die Fußstapfen des großen Epos treten?

Nicht einmal 18 Monate später präsentieren die Entwickler das Ergebnis in Form von Dragon Age 2, das seit Mitte März erhältlich ist. Wir haben uns die PC-Version genauer angeschaut und liefern Antworten.

Die Verderbnis! Die Dunkle Brut! Die ultimative Nemesis des hervorragenden Vorgängers und dessen fulminanter Erweiterung. Eine Nemesis, die degradiert wird, denn in Dragon Age 2 spielt BioWares Ork-Pendant kaum noch eine Rolle. Gerade mal im gut gestalteten Epilog und dann in sporadischen Abschnitten habt ihr es mit eurem alten Feindbild zu tun, der Rest des Spiels beschränkt sich, ja beschränkt ist hier in der Tat das richtige Wort, auf einen ganz anderen Schauplatz.

Familienflucht

Dragon Age 2 beginnt mit der Flucht eures Charakters und dessen Familie aus Lothering, jenem Dorf, das euch aus Origins noch wohl bekannt sein dürfte. Flucht deshalb, weil sich die Handlung zumindest zu Anfang überschneidet: Die Dunkle Brut ist noch nicht besiegt, der Kampf noch im vollem Gange, aber ihr als ältester Bruder der Familie Hawke müsst erst einmal dafür sorgen, dass eure Mutter und die Geschwister einigermaßen heil aus der Sache herauskommen. Ihr entscheidet euch für den einzig plausiblen Ausweg: Die Überfahrt nach Kirkwall, einer Küstenstadt in den Freien Marschen. Da ihr nicht die einzigen seid, die auf diese Idee gekommen sind, platzt Kirkwall bei eurer Ankunft bereits aus allen Nähten. Und das ist schlecht, denn erste Ressentiment gegenüber den Neuankömmlingen greifen bereits um sich.

Weitläufige Zeitlinie

Das ist die Ausgangssituation. Nicht so episch wie die Schlacht um Ostagar, aber nicht weniger dramatisch und vor allem zeitlich sehr viel weitläufiger als noch in Origins, denn BioWare verteilt den Plot auf mehrere Jahre: Bereits nach dem ersten Jahr ist der Kampf mit der Verderbnis nur noch eine Fußnote in der Geschichte Fereldens, die für unseren Hauptcharakter nicht uninteressanter sein könnte, denn in eurer neuen Heimat steht das tägliche Überleben, politische Interessen und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Fraktionen auf dem Programm.

Bevor es soweit ist, gilt es sich mit der Charaktererschaffung auseinanderzusetzen und die ist recht simpel gehalten: Aus drei Klassen (Magier, Schurke, Krieger) lässt sich ein männlicher oder weiblicher Held erwählen. Dazu darf noch einen Spielstand aus Origins oder Awakening eingelesen werden, der die geschichtlichen Voraussetzungen ein wenig (wenn auch nicht mehr immer ganz korrekt) modifiziert. Wer das nicht will oder kann, kann sich allerdings auch eine Vorgeschichte auswählen. Und das war's: Mehr Rollenspiel gibt es an dieser Stelle nicht.

Augenscheinliche Änderungen

Wer Dragon Age 2 startet und die ersten Spielminuten hinter sich bringt, erhält Ausblick auf zwei-drei grundsätzliche Änderungen im Vergleich zum Vorgänger. Das wäre zum einen die Grafikengine, deren neuer Look sofort ins Auge sticht: Das Charakterdesign wirkt nun comichafter, aber vor allem technisch besser, denn die Texturen sind (in der PC-Version dank Texturpatch) viel knackiger, die Polygonanzahl deutlich erhöht und die Animationen überaus geschmeidig.

Entschlackter, man möchte fast "konsoliger" sagen, fällt auch das Interface aus: Die Designer haben sich nur noch auf das Minimum beschränkt und die Oberfläche stylischer gestaltet. Das macht sich insbesondere beim Öffnen des Inventars und der Fähigkeiten bemerkbar: Die etwas heimelig-kauzigen, noch an Baldur's Gate-Zeiten angelehnte Menüs des Vorgängers mussten einer deutlich moderneren, abspeckteren Variante weichen. Die wirkt zwar aufgeräumter, kostet aber Atmosphärepunkte.

Gleiches gilt für die Icons der erbeuteten Gegenstände: Generischer lassen sich solche Piktogramme wohl kaum gestalten. Eine gute Idee geht mit dieser Entwicklung allerdings einher: BioWare hatte den Geistesblitz den üblichen Plunder, den Abenteurer ohnehin nur verkaufen, in eine eigene Kategorie zu stecken. Fortan reicht es, einen Händler aufzusuchen und das störende Zeug über einen einzigen Knopfdruck gegen Geld zu verscherbeln -- optimal!

Konsolisierung

Im Zuge der Konsolisierung entschied sich BioWare für weitere Einschnitte, die PC-Besitzer eventuell vermissen könnten: So fällt nun endgültig die Vogelperspektive flach, die es bei Origins in der PC-Version noch gab. Auch dem zweiten Waffenset mag der eine oder andere eventuell schmerzlich

hinterhertrauern.

Einen echten Lapsus haben sich die Entwickler allerdings mit der Idee geleistet, dass gefundene oder gekaufte Rüstungen nur noch und ausschließlich vom Hauptcharakter getragen werden können. Im Klartext bedeutet dies, dass jedes Rüstungsteil, egal ob für Torso, Hand, Kopf oder Fuß, dadurch beschränkt wird, dass sich diese nur am Haupthelden anlegen lässt. Eure Mitstreiter erhalten nur noch Aufwertungen des Rüstguts, das sie am Leib tragen -- und das auch nur dann, wenn man zufällig bei einem Händler oder in der Beute eines Gegners ein entsprechendes Upgrade findet. Glücklicherweise beschränkt sich dieses katastrophale System lediglich auf die Rüstungen. Waffen, Gürtel, Ringe und Amulette bleiben für jeden verfügbar.

Verändert hat sich auch das Kampfgeschehen, das sich trotz aller Beteuerungen der Entwickler in deutlich actionreichere Hack&Slay-Gefilde begibt. Und Zerhacken und Erschlagen darf man hier durchaus wörtlich nehmen, denn selten hat ein Rollenspiel Gewalt so intensiv zelebriert wie Dragon Age 2: Da spritzt das Blut, Leichenteile fliegen in alle Richtungen und nahezu nach jedem Kampf sehen unsere Recken aus, als hätten sie gerade ein Bad im gegnerischen Saft genommen. Die Gewaltdarstellung lässt sich allerdings per Optionen runterregeln, was für zartere Gemüter durchaus empfehlenswert ist.

Viel gewichtiger ist ohnehin, dass der Kampf deutlich an Geschwindigkeit und Akrobatik gewonnen hat. Wer beispielsweise mit einem Schurken unterwegs ist, wird über dessen Kapriolen staunen: Da werden Salti vollzogen und butterweiche Kampfanimationen durchgeführt, dass man anfangs nur erstaunt zuschauen kann. Und das Zuschauen ist gar nicht mal so verkehrt, denn auf normalem Schwierigkeitsgrad sind die Standardkämpfe, abgesehen von einer gewissen Strecke im Mittelteil, fast mit verbundenen Augen zu gewinnen.

Dragon Age 2

Überhaupt ist das Kampfgeschehen recht schnell und hektisch: Wer mal zwei Schurken und zwei Magier in seine Gruppe gepackt hat und sich den erzielten Schaden per Optionen einschaltet, wird ein buntes Feuerwerk von Zaubern, Kampfmanövern und Zahlenkolonnen erblicken, deren Auswirkung sich kaum überblicken lässt -- da hilft auch keine Pausefunktion, muss sie aber auch gar nicht, denn unsere Kämpen schnetzeln und brutzeln so effizient, dass Kämpfe selten länger als eine Minute dauern – mit Taktik hat das Ganze demnach nichts zu tun. Schade ist indes, das insbesondere die Standardscharmützel gegen größere Gegnergruppen immer nach dem gleichen Schema ablaufen und in ihrer Häufigkeit fast schon ermüdende Ausmaße annimmt.

Crafting für Anfänger

Fans des gemeinen Werkens werden sich freuen, dass dieses in Dragon Age 2 nicht dem Rotstift zum Opfer gefallen ist. Im Gegenteil: Es wurde ein komplett neues System aus der Taufe gehoben, das mir persönlich sehr gut gefällt: Anstatt Zutaten über Zutaten mit sich herumzuschleppen und so das ohnehin knapp bemessene Inventar immer weiter zuzubauen, reicht es nun, die Reagenzien einmalig zu finden. Diese zählen fortan zu unserem Rohstoffbestand. Mit dem richtigen Rezept und den dazu erschlossenen Rohstoffen ist es fortan möglich, so viele Tränke zu brauen oder Runen herzustellen wie man möchte, einzige Voraussetzung ist, dass man über genügend Bargeld verfügt, denn jeder hergestellte Gegenstand kostet nun Geld. Im Grunde ersparen uns die Entwickler damit einen Schritt: Den Reagenzien Kauf bei den Händlern.

Neu ist auch die Verteilung der Skillpunkte im Fähigkeitenbaum. Dieser wirkt nun übersichtlicher, ist aber nicht weniger komplex und stellt eine echte Verbesserung im Vergleich zu Origins dar.

Charakter-Interaktion

Die große Stärke eines BioWare-Spiels liegt natürlich in der Interaktion der Charaktere. Da gibt es wieder Romanzen (inklusive einer sehr anzüglichen Isabella!), jede Menge vertraute Gesichter und Anspielungen auf Origins und Awakening, witziger Gespräche innerhalb der Gruppe und spezielle Charakterquests. Eine Freund-/Feind-Skala zeigt dabei stets an, durch welche Antworten wir uns bei einem Gruppenmitglied gerade beliebt oder eher unbeliebt gemacht haben.

Wer bei einem Charakter das eine oder andere Extrem erreicht, erhält zudem spezielle Kampfboni. Auch schön: Egal, wo wir gehen und stehen, die Bevölkerung Kirkwalls plaudert, gibt Kommentare von sich und simuliert eine belebte Stadt.

Beliebtheit lässt sich nun nicht mehr über Geschenke steuern, sondern nur noch via Dialogoptionen oder erledigte Quests einfahren. Auch das entlastet das Inventar erheblich, obgleich mir das Geschenke-Konzept recht gut gefallen hatte. Schade ist allerdings, dass die Gruppe aus maximal vier Personen besteht. Wir hätten gerne noch mindestens einen Charakter mehr in der Gruppe gehabt.

Ebenfalls über jeden Zweifel erhaben und weiterhin Vorbild für die gesamte Konkurrenz ist die Inszenierung der Zwischensequenzen und Gespräche. Hier hat BioWare abermals versucht, etwas Filmreife in ein Computerspiel zu bekommen und packt in Sachen Synchronisation, Kameraperspektive und Schnitt im Vergleich zum Vorgänger noch einen drauf. Bravo!

Eingeschränkte Redundanz

Retro-Rollenspieler kennen vielleicht noch die guten alten Computerrollenspiele der Nordlandtrilogie. Während uns das geliebte Sternenschweif noch riesige Gebiete über einen große Landkarte ansteuern ließ, beschränkte sich Attic im Nachfolger Schatten über Riva auf eine Stadt und das eng umliegende Gebiet. Eine ähnliche Metamorphose hat sich von Origins zu Dragon Age 2 entwickelt: Während der Vorgänger noch relativ offen war, bewegen wir uns im zweiten Teil fast nur noch in Kirkwall und einigen wenigen Gebieten außerhalb der Stadt. Die Weitläufigkeit musste einer engeren, strafferen Gebietssystematik weichen. Das muss überhaupt nicht schlecht sein, wie eben jener dritte Teil der DSA-Reihe vor 15 Jahren bewies.

Aber genau hier setzt der zweite große Lapsus an, den sich die Entwickler leisten: Wohl aus Zeitmangel (anders lässt es sich nicht erklären) betreten wir im Verlauf des Spiels etliche Dungeons und Außengebiete mehrmals. Man wird für Quests gut und gerne zwei, drei Mal in das gleiche Gewölbe geschickt, indem wir zum Teil sogar dieselben (End-)Monster antreffen. Viele Gebiete wirken einfach nur generisch. Dazu kommt noch oben beschriebener Eindruck der schematischen Gegnermassen, die einen spätestens nach 20 Spielstunden ein genervtes "Jetzt reicht's aber langsam" abringen.

In Sachen Quests ergibt sich ein zweischneidiges Bild: Auf der einen Seite überschüttet uns BioWare mit vielen nichtssagenden Quests, die quasi im Vorbeigehen erledigt werden. Auf der anderen Seite bietet das Spiel eine große Anzahl spannender, gut durchdachter und schön inszenierter Aufgaben. Entscheidungen, die während einer Quest getroffen werden, wirken sich meist viel weiter hinten im Spielverlauf aus -- eine Tatsache, die man sehr wohlwollend zur Kenntnis nimmt und die eine weitere große Stärke der BioWare-Spiele ausmacht.

Dragon Age 2 beschäftigt auf normalen Schwierigkeitsgrad ca. 40 Stunden, was ein angemessener Wert ist. Mittlerweile gibt es zwei DLCs (der verbannte Prinz, das Schwarze Emporium), die die Spielzeit etwas verlängern, allerdings für das Gebotene einen recht happigen Preis verlangen.

Fazit: Großes Rollenspiel, größere Fußstapfen

Vor meinem geistigen Auge stelle ich mir folgende Szene vor: Da gibt's in den geheiligten Hallen BioWares ein PC-Entwicklungsteam, das in vielen Jahren der Arbeit ein Spiel namens Dragon Age: Origins erstellt. Das Spiel sollte eigentlich ein PC-Titel werden, aber inzwischen sind die Konsolen erwachsen geworden, also wird das Spiel auch für XBox und PS3 umgesetzt -- dem Titel selbst merkt man die PC-Herkunft aber noch deutlich an. Für den zweiten Teil möchte es BioWare anders machen und heuert das Konsolen-Entwicklungsteam an: "Jungs, hier habt ihr Dragon Age. Macht daraus eure Version des Spiels".

Herausgekommen ist dabei ein Rollenspiel, das zwar auf der gleichen Basis aufbaut, aber in vielen Punkten einfach anders wirkt als sein Vorgänger: Der deutlich actionreichere Kampf, die durchgestylten Menüs, das Streichen der Vogelperspektive und des zweiten Waffensets, die zum Teil völlig andere Interpretation der Gegner (die Horden der Dunklen Brut sehen nun weniger aus wie Orks, sondern ähneln tatsächlich Zombies), das neue Rüstungs- und Craftingsystem, die generischen Piktogramme und die redundanten Dungeons. All das stammt aus einer anderen Spielwelt und ist, ausgenommen vom Crafting und des Fähigkeitenbaums, ein Rückschritt im Vergleich zum Vorgänger.

Die guten Seiten eines Dragon Age 2 zeigt uns BioWare immer dann, wenn man sich auf die alten Stärken besinnt: Charakterinteraktion, Auswirkungen auf die Spielwelt, Erzählstil, Cut-Scenes, Story-Wendungen -- all das wirkt wiederum nicht nur vertraut, sondern stellt weiterhin die Speerspitze der Computerrollenspielkunst dar. Dafür lieben wir BioWare-Rollenspiel, dafür spielen wir sie bis zum Ende durch, während man Konkurrenztitel bereits bei der Hälfte gelangweilt aufgibt.

Technisch hat sich das Spiel vor allem in der PC-Version deutlich weiterentwickelt; der Comicstil ist sehr dezent und weiß zu gefallen, Sprachausgabe und der Soundtrack umschmeicheln die Gehörgänge des Spielers. Die Grafikpracht hat allerdings auch Ihren Preis: Mit höchster Einstellung kommt selbst in 1680x1050 so mancher Rechner ins Straucheln.

Abschließend lässt mich Dragon Age 2 mit gemischten Gefühlen zurück. Das Spiel ist trotz der Kritikpunkte ein ausgezeichnetes RPG, kommt aber aufgrund der aufgezeigten Mängel nicht an die Brillanz des Vorgängers heran. Trotzdem kenne ich derzeit kein aktuelles Rollenspiel, das sich mit dem Titel auf eine Stufe stellen könnte. Unterm Strich kommt deshalb eine 11 mit einem kleinen Minus heraus. Nur eine Bitte an BioWare hätte ich zum Schluss: Solltet ihr ein Dragon Age 3 in Angriff nehmen, lasst euch bitte ein Jahr mehr Zeit, damit das Spielerlebnis wieder runder wird – danke!

Wertung: 11/12

1 response to "Review: Dragon Age 2 - Test / Fazit (PC)"

  1. Was is denn das fürne coole Ausrüstung, die dein Haupt Char auf dem Bild hat ??