Wer seit letzter Woche auf eine Fortsetzung meines Everquest-Tagebuchs hofft, bekommt heute wieder die volle Packung geliefert, denn es ist wieder Everquest-Mittwoch und all die kleinen Abenteuer aus dem Jahre ‘99 wollen doch unbedingt erzählt werden.
Früher, in sehr grauer Vorzeit (Leser meiner Mainseite wissen, dass ich Everquest bereits 1999 zum ersten Mal betrat), war das Geschäft mit dem Mob noch um einiges schwieriger und nervenaufreibender. Aber auch deutlich spannender: Selten konnte mich ein Spiel zu solchen Wutausbrüchen treiben wie dieses, kaum ein anderes Spiel erzeugte aber auch derartige Glücksmomente.
Bei Everquest lagen Freud’ und Leid’ also schon immer eng beinander und all dies verarbeitete ich Beizeiten in einem Tagebuch, das ich im Zuge meiner Account-Reaktivierung in mehreren Teilen präsentieren möchte.
Anzumerken wäre vor der folgenden Lektüre noch, dass es zwischen dem Everquest von damals und jenem, das den Spielern heute zur Verfügung steht, doch deutliche Unterschiede gibt. So ist das Chatsystem mittlerweile komplett umgebaut; es gibt nun einige allgemeine Komfortfunktionen wie grafische Friendslisten (früher war das alles rein textuell), Zonenübergänge sind heute kein Problem mehr und Chaträume können sogar serverübergreifend gestaltet werden. Dass das Interface mittlerweile Automap und Kompass spendiert bekommen hat, veranschaulicht gut, welchen Weg das Spiel genommen hat (im Großen und Ganzen einen guten, wie ich persönlich finde).
Doch nun lasset das Tagebuch beginnen, das uns zurück in jene Zeit um den April 1999 führt.
Tag 6 & 7
Jetzt war es langsam an der Zeit, sich in das berühmte Blackburrow-Dungeon zu wagen. Mir wurde von vielen Helden zugetragen, dass dies die Heimatstätte hundeähnlicher Wesen sein solle, die auf den Namen "Gnoll" hörten. Da ich mich mittlerweile einigermaßen gut orientieren konnte, fand ich die Höhlen sofort und durfte mich schon am Anfang mit einem dieser Gnolle auseinandersetzen... Uff - diese Erfahrung war nicht ohne. Zwar besiegte ich meinen Gegner, aber auch meine Energie-Anzeige war in bedenklich tiefe Regionen gerutscht. Nach einer kleinen Ruhepause wagte ich mich dann schließlich in das Kellergewölbe und sah mich Dutzenden von Monstern ausgesetzt, die allerdings von ebenso vielen Helden umlagert wurden.
Doch eine einsame Gestalt stand in einer Ecke und wollte von mir verprügelt werden. Voller Vorfreude lief ich in seine Richtung und begann den Fight mit einem gezielten Roundkick! Der Kampf verließ auch soweit gut, bis plötzlich noch zwei weitere Gnolle hinter mir auftauchten und ebenfalls kräftig auf mich einschlugen -- da half nichts als flott den "Mend" Button zu drücken, um schnelle Heilung zu erhalten und dann das Heil in der Flucht zu suchen. Das Problem war nur, dass mein Mend-Skill so niedrig war, dass es zu gar keiner Heilung kam und in der nächsten Sekunde fand ich mich abermals tot am Boden wieder.
"Ok, kein Problem" dachte ich mir und lief zurück zu meiner Leiche. Der Weg dorthin war nicht gerade kurz, doch irgendwann kam ich wieder an meine leblose Hülle heran und nahm die Ausrüstung wieder in meine Obhut.
Der Tod lauert überall und Scharmützel gegen einzelne Gnolle arten schnell in Rudelkämpfe aus
Die nächsten Gegner wurden dann wieder Opfer meiner Handkantenschläge und die Erfahrungspunkte, die ich zuvor durch meinen Tod verloren hatte, füllten sich auf den altbekannten Stand. Wenig später jedoch das gleiche Spiel: Kampf gegen einen vermeintlichen schwächeren Gegner und schneller Tod durch schnell hinzukommende Gnoll Unterstützung. Dazu gab's noch eine Lektion: Greift dich eine Gnoll Elite an, suche dein Heil SOFORT in der Flucht oder stirb.
Alles in allem war dieser Tag jedoch relativ frustrierend. In den 4 Stunden, in denen ich mich in dem Dungeon aufhielt, verlor ich zeitweise sogar mein ganzes Level und wurde wieder nach Lvl 6 heruntergestuft. Irgendwann am Ende einer langen Nacht hatte ich dann glücklicherweise wenigstens eine von fünf Erfahrungsblasen in Stufe 7 voll und konnte immerhin mit einem stattlich gefüllten Bankkonto (wenn schon nicht das 8. Level erreicht worden war) mein Bett aufsuchen...
Zwischenbilanz
Insgesamt habe ich bis jetzt etwas mehr als 1 Woche Everquest gespielt und komme zu folgendem Ergebnis:
Positiv:
Die Grafik...
… ist wunderschön! Zwar kann sie sich nicht unbedingt mit 3D Hämmern wie Unreal vergleichen, aber das ist auch gar nicht nötig. Betrachtet man nämlich die anderen Rollenspiele (selbst die im Offline-Bereich), so muss man sagen, dass Everquest mit Abstand die beste Präsentation hat. Im Online Bereich ist sowieso weit und breit keine Konkurrenz zu sehen, denn das ähnlich aufgebaute Meridian 59 mutet gegen die Engine von Everquest wie eine Beleidigung für's Auge an. Einzig das für dieses Jahr angekündigte Asherons Call könnte hier eine ernsthafte Alternative bieten.
Die Welt...
... ist RIESIG! Schon die zwei Anfangsstädte, die ich kennengelernt habe, sind für sich genommen so groß, dass es für alle Meridian 59-Städte reichen würde. Die restliche Welt besteht aus vielen vielen Gegenden, die sich mitunter stark unterscheiden. Bislang habe ich zwar nur drei Gebiete gesehen (die Gegend vor der Stadt, der winterliche Bereich um Everfrost, die Gnoll Höhlen), aber die waren schon sehr beeindruckend.
Die Rassen und Klassen...
... heben sich wohltuend von dem Eintagsbrei ab, den die Konkurrenz zu bieten hat. Endlich hat man wirklich verschiedene Rassen, die sich auch im Aussehen total unterscheiden. Davon mal abgesehen haben sie natürlich auch unterschiedliche Eigenschaften. Dunkelelfen verfügen z.B. über eine Nachtsicht, während sich die riesigen Trolle schneller regenieren und Oger von Natur aus einen härteren Schlag besitzen und mehr aushalten.
Das Rollenspiel...
... dass bei M59 viel zu kurz kommt, ist hier besonders ausgeprägt, da es vom Spiel schon von vornherein so vorgeben ist. Es können z.B. Dunkelelfen nicht ohne weiteres eine menschliche Stadt betreten, ohne sofort von den Wachen getötet zu werden. Man muss vorher durch Quests oder Kills beweisen, dass man der menschlichen Rasse wohl gesonnen ist. Gleiches gilt natürlich auch im umgekehrten Fall. Dieses System unterstützen so wie ich das gesehen habe auch die Spieler aktiv, indem sie vor den Städten Wache halten und Dunkelelfen sofort attackieren, wenn diese in Sichtweite kommen.
Kämpfe...
... laufen bei Everquest in einem weit dynamischeren Stil ab. Wer Meridian 59 kennt, der weiß, wie dort die meisten Kämpfe ablaufen: Man stellt sich in eine Ecke, wird von zig Monstern umzingelt und hält dann zwei Stunden die STRG-Taste gedrückt. Langweiliger geht's nimmer! In EQ ist man dagegen immer in Bewegung, verfolgt seine Feinde oder flieht vor einer angreifenden Überzahl.
Der Preis...
... ist überaus fair! Wenn man mal von der teuren Anschaffung des Hauptprogramms absieht, kann man mit unter 20 DM pro Monat so lange in Everquest verweilen, wie man möchte. Obendrauf bekommt man noch satte 8 (!) Charakterslot zur Seite gestellt, die man wahrscheinlich selbst nach einem Jahr nicht alle genutzt hat.
Negativ:
Die Lokalisation...
... ist die größte Umstellung im Vergleich zu Meridian 59. Während dort lokalisierte Server an der tagesordnung sind, ist hier weder der Spielclient, noch die Server in heimischen Gefilden angelegt, sondern in den USA beheimatet. Wer Glück hat, trifft vielleicht einen deutschen Spieler oder kann sich dessen Gilde anschließen. Wer allerdings auf tiefergehende Unterhaltungen weniger Wert legt, kann sich mit dem Spiel problemlos anfreunden.
Die Chatfunktion...
... wie oft habe ich Rippi schon dafür verflucht, dass er so einen verdammten Namen (Hydrolyze) mit zig y's und z's hat!!! Das an sich sowieso nicht besonders tolle Chatsystem (mittels /tell *name* kann man Personen zwar direkt ansprechen, allerdings werden keine abgekürzte Namen wie in Meri59 unterstützt und eine Reply-Funktion fehlt ebenfalls. Auch freie Tasten-Belegung oder Chat-Gruppenfunktionen sucht man leider vergebens), wird durch die US-Tastaturbelegung zusätzlich erschwert. Eigene Banner sind ebenfalls nicht drin, was einen nicht unerheblichen Teil der Persönlichkeit in Meridian ausgemacht hat. Und wenn ein Charakter von einer Zone zur anderen wechselt, verschwindet der /tell einfach, so dass EQ-Spieler mittlerweile dazu übergegangen sind, Gesprächspartner mit einem “ich zone” darauf aufmerksam zu machen, dass man für die nächsten Sekunden im schwarzen Loch verschwindet.
Die Orientierung...
... ist die GRÖßTE Frechheit, die man in einem Rollenspiel im Jahre '99 erwarten kann. Weder eine komfortable Automap-Funktion wie in Meri59, noch ein Kompass oder sonstiges in dieser Hinsicht erleichtert einem das Leben. Zwar gibt einen Skill namens Sense Heading, der einem die Richtung anzeigt, doch bis dieser wirklich mal so hoch ist, dass er richtig funktioniert, kennt man die Karten wohl schon auswendig. Vor allem Newbies trifft dieses Problem sehr hart, da man seine Leiche in den seltensten Fällen findet, wenn man draußen in der Wildnis krepiert.
Ausgesessen: Solo steigt der Lebenspunktebalken nur durch gut ausgeprägtes Sitzfleisch.
Das Task- Problem...
... es ist mir schier unverständlich, wieso es bei Everquest nicht möglich ist, das Fenster zu minimieren oder in einen anderen Task zu wechseln. So ist es nicht machbar, in ICQ eine Message zu schreiben, ohne das EQ abstürzt. Mal eben eine Seite absurfen ist auch nicht möglich, so dass der Trend zum Zweitcomputer durch das Spiel enorme Bedeutung gewinnt.
Weiter im Text
Everquest artet in höheren Stufen immer mehr zu einer Geduldsprobe aus. Mittlerweile hat mein Monk stattliche 8 Level erreicht und es wird immer schwerer, ein Monster zu finden, das nicht unbesiegbar, aber trotzdem auch nicht SO leicht ist, dass ich keine Erfahrungspunkte mehr dafür bekomme.
Langsam wird also das groupen notwendig werden, um solche fiesen Monster wie die Gnoll Guardsmen oder gar Gnoll Elites zur Strecke zu bringen (bislang mach ich das genaue Gegenteil davon - nämlich rennen ;)
Im Moment halte ich mich noch immer im Blackburrow Dungeon auf, welches in meinen Augen die perfekte Möglichkeit darstellt, um seinen Char in höhere Level zu transportieren... allerdings hat jede Medaille auch ihre Schattenseiten...
Da werden Erinnerungen geweckt :)
Viele Grüße aus Essen,
Gerd, damals Barde Jejo