Wenn Sothi ruft, dann eilen sie – sie, das sind Heerscharen von Tastenkünstlern, die die Gelegenheit nutzen, ihre 5 Lieblingsspiele des vergangenen Jahres zu präsentieren. Und nachdem wir den obligatorischen Bandwurmsatz nun hinter uns haben, geht’s auch gleich zu meiner persönlichen Top 5 des Jahres 2015.
[Dennis ist als @Dod1977 auf Twitter unterwegs und tummelt sich ansonsten als Freier Autor munter bei Gamestar.de und anderen Publikationen unter seinem Decknamen Dennis Ziesecke herum]
Platz 1: Rimworld (PC)
Mein absoluter Favorit in diesem Jahr ist ein Spiel, das noch nicht einmal fertig ist. Rimworld ist ein grafisch eher schlichtes Early-Access-Spiel und steckt noch tief in der Entwicklung. Grafisch erinnert es an Prison Architekt. Wer das jetzt auch nicht kennt, sollte sich von den groben Figuren und der zweckmäßigen Indie-Optik nicht abschrecken lassen und einfach einmal reinschnuppern.
Oder besser gleich Rimworld installieren. Die Rahmenhandlung ist schlicht: Der Spieler spielt vorerst drei der wenigen Überlebenden eines Raumschiffunglücks. Rettungskapseln bringen die drei Glücklichen sanft auf den Boden eines vorab zufällig erstellen Planeten. Immerhin, in der Umgebung finden sich noch einige brauchbare Dinge, die ebenfalls mit uns vom Himmel gefallen sind. Ein wenig Eisen, Rationen, Waffen, Zeugs eben.
Bevor wir abstürzen können, will aber ein Planet erstellt werden. Auf diesem lässt sich dann noch die Wunsch-Absturzstelle markieren (ausgewählt nach Klimazone, Ernteperiode, Gesteinsvorkommen und anderer Vorlieben). Wo die Nahrungsbeschaffung in der Eiswüste noch knifflig daherkommt, wächst das Gemüse in tropischen Gegenden das ganze Jahr über reichlich.
Die drei neuen Siedler werden nun aus einem Zufalls-Pool vorerstellter Charaktere ausgesucht – dabei gibt es zahlreiche Fähigkeiten mit unterschiedlichen Stufen und bei einigen einen Motivationsbonus, der schnellere Lernerfolge verspricht. Immer wenn eine Tätigkeit genutzt wird, steigert sich ihr Wert langsam, Bergarbeiter fördern nützliche Rohstoffe dann beispielsweise flotter. Wichtig ist hier eine gute und ausgewogene Mischung bei der Besatzung – ohne Mediziner im Team werden schon leichte Verletzungen zum tödlichen Spiel und ohne Koch gibt es nur zähen Nährstoffschlamm zu essen. Naja und schießen sollte auch jemand können, im Spiel wird der Überlebenskampf nicht zimperlicht ausgetragen.
Das heißt, doch, wenn man will schon. Das Spiel lässt die Wahl zwischen verschiedenen „Erzählern“, die Auswirkungen auf die zufälligen Events im Spiel haben. Freies Spiel ohne große Gefahren ist genauso möglich wie eine Storybasierte KI, die einen Spannungsbogen erzeugt und nicht gleich tödliche Gefahren ins Feld schickt. Die Random-KI tut hingegen genau das und nimmt keine Rücksicht auf frisch gestrandete Raumfahrer.
Was das Spiel so faszinierend macht ist nicht nur der Wuselfaktor, der beim Bauen neuer Behausungen und dem Abbauen von Rohstoffen entsteht – die Siedler lassen grüßen – sondern auch das Geflecht an Wünschen und Abneigungen der Siedler. Jeder Spiel-Charakter, auch Feinde und Tiere, reagieren auf ihre Umgebung. Schlafen unter freiem Himmel weil das Haus abgefackelt ist? Minuspunkte auf die Stimmung. Kein Essen, zu heiße oder zu kalte Umgebung, hässliche Räume, Schmerzen und sogar unangenehme Gespräche und moralische Zwickmühlen – alles Punkte, die das Spiel berücksichtigt. Positiv gestimmte Gefangene können so überzeugt werden, sich der Siedlung anzuschließen, störrischen Gegnern kann der Doc hingegen auch Körperteile entnehmen um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Charaktere mit der Eigenschaft „Psychopath“ mag das nicht stören, andere Bewohner hingegen erhalten bei derart fiesen Aktionen aber ein Stimmungsminus.
Motivierend ist nicht nur der Aufbau und die Pflege der Charaktere (die einem schon arg ans Herz wachsen) und die stetige Angst vor Unglücken (wenn Sally mal wieder gedankenverloren in eine selbstgebaute Falle tapst und sich dabei den Arm abreißt. So ein bionisches Ersatzteil ist echt teuer) sondern auch der schon jetzt recht große Umfang an zu bauenden Objekten. Dazu kommt ein Forschungsmenü, mit dem weiter entwickelte Objekte erfunden werden können. Wenn ein Forscher im Team ist und der dann auch noch Zeit hat. Denn eigentlich ist immer was zu tun. Die Stromversorgung ausbauen, neue Geschütze errichten, ah, vorher noch Eisen abbauen.
Ich habe in den letzten Wochen schon mehrfach erstaunt auf die Uhr geschaut und mich gewundert, warum es schon wieder drei Uhr nachts ist. Eben war es doch noch gestern.. Rimworld hat den gewissen Flow und bietet immer wieder spannende Überraschungen wie schwer bewaffnete Mechanoiden, Nachbarstämme, die freundlich oder feindlich gestimmt sein können und Naturkatastrophen. Dazu kommen benachbarte Völker, die freundlich oder feindlich sein können, wild gewordene Tiere, Blitzstürme und und und. Und sogar ein wenig Top-Down-Shooter ist dabei, in einigen Momenten fühlt sich Rimworld ein wenig an wie Jagged Alliance 2 (Deckungssystem, Waffenfertigkeiten, Trefferzonen, ansehnliche Berechnung der Schussbahn).
Eigentlich könnte ich die Top 5 damit auch beenden, denn kein anderes Spiel hat mich in diesem Jahr so in den Bann gezogen. Fallout 4? Liegt nach ein paar Stunden Spielzeit in der Ecke – warum auch Fallout spielen, wenn ich mir alle paar Minuten dabei überlege, wie ich meine Rimworld-Siedler noch besser absichern kann.
Platz 2: GTA V (PC)
Es ist groß, es glitzert, es fasziniert die Gamer-Gemeinde. GTA V ist toll, zugegeben. Allerdings hat es mich weniger begeistert als GTA IV und III. Das dürfte hauptsächlich an den mir grundlegend unsympathischen Hauptdarstellern gelegen haben – ich mag mich nun einmal mit der Spielfigur identifizieren können und das ist mir bei GTA V trotz allem Sarkasmus nicht gelungen.
Ungeachtet dessen macht das Spiel schon einiges richtig. Popkornkino-Story, Action, hübsche Grafik, schnelle Autos und waghalsige Stunts. Weshalb es trotz aller Kritik in meiner 2015-Rangliste gelandet ist: Ich habe es durchgespielt. Das passiert mir selten und mitunter aus Versehen. Bei GTA V war ich erstaunt, als es plötzlich zuende war. Aber die Zeit vorher hat mich kurzweilig unterhalten. Eine großartige Leistung der Entwickler, denn immerhin mochte ich die Hauptakteure so gar nicht und war auch noch etwas stinkig über den großen Download trotz Retailversion (LTE mit Inklusivvolumen ist nichts für Gamer). Allerdings bleibt der GTA-Absatz hier tatsächlich so kurz, viel mehr gibt es über GTA nicht zu sagen, was nicht bereits tausende andere bereits gesagt haben.
Platz 3: Expendabros / Broforce (PC)
Noch ein pixeliger Indie-Titel, ich scheine dafür anfällig zu sein. Aber Broforce (und das kostenlose Reinschnupperding Expendabros) ist einfach zu gut um nicht gespielt zu werden. Die Helden sind allesamt an bekannte Actionhelden angelehnt. RamBro beispielsweise ähnelt seinem Vorbild recht eindeutig. Mitglieder des Teams sind in den Leveln gefangen, bei der Befreiung wird automatisch auf den befreiten Helden gewechselt und ein Zusatzleben gutgeschrieben.
Die Expendabros greifen mit Nah- und Fernkampfwaffen an, jede Figur hat zudem einen Superangriff. Dabei kann es sich um ein ferngesteuertes Auto voller Sprengstoff handeln, um einen mächtigen Luftschlag oder um ferngelenkte Raketen. Diese hinterlassen dann, wie auch die normalen Angriffe, beeindruckende Löcher in der Level-Architektur, so dass sich flott auch Geheimwege freischiessen lassen. Ganz klassisch gibt es neben vielen Kanonenfutter-Gegnern auch Endbosse, die jeweils eine besondere Taktik erfordern.
Broforce ist kurzweilig, spannend, extrem lustig und perfekt geeignet für jeden, der die Actionhelden der 1980er und 1990er mochte oder zumindest kannte. Überzeichnet, blutig, US-patriotisch und mit einem ganz eigenen Stil ausgestattet bietet Broforce einen Flow, wie ich ihn nicht oft bei Actionsspielen erlebt habe. Dazu kommt der niedrige Preis und die überschaubaren Hardwareanforderungen. Bringt Spaß :) .
Platz 4: Half Life 2 (Nvidia Shield)
Huh, noch so ein angeschimmelter Museums-Titel in meiner Top 5? Tatsächlich. Ich mochte Half Life 2 schon als es Anfang des Jahrtausends auf den Markt kam und ich habe auch Steam immer etwas weniger stark verteufelt als andere. Ehrlich gesagt, ich mag Steam immer noch sehr gerne, da optische Datenträger in einem Haushalt mit zwei Kindern und einer Tagespflegeeinrichtung im Wohnzimmer nie sonderlich lange leben.
Der neue Anlauf mit HL2 ist aber nicht Steam geschuldet sondern Nvidia. Deren Shield Android TV (eine Spielkonsole mit Mediencenterfunktionen) habe ich im Auftrag von Gamestar testen dürfen und im Store von Nvidia findet sich auch eine an den Tegra-Prozessor angepasste Version von Half Life 2.
Nach mehr als zehn Jahren HL2-Abstinenz siegte die professionelle Neugierde, immerhin muss die Konsole ja getestet werden. Und tatsächlich, es spielt sich wie damals und sieht für Android-Verhältnisse verteufelt gut aus. Nur an die Steuerung musste ich mich gewöhnen – Shield wird mit Gamepad gesteuert, ich hasse Gamepadsteuerungen aber eigentlich. Tatsächlich bleibe ich privat dann auch weiter bei Maus und Tastatur, wenngleich es schon nett war, Half Life 2 einmal auf dem großen Wohnzimmer-TV spielen zu können. Aber hey, das Spiel ist immer noch gut. Die Handlung zieht mich stärker rein als jedes Call of Duty in den letzten Jahren. Der Grafikstil passt auch 2015 noch. Und die Beleuchtung ist teilweise besser als bei aktuellen Spielen, wo mitunter aus Rücksicht auf die Leistung von Spielkonsolen auf dynamische Lichtquellen verzichtet wird.
Platz 5: Projekt Exodus
Kein Computerspiel aber es waren Computer involviert. Theoretisch wars sogar ähnliche Hardware wie in Xbox One und Playstation 4. Doch dazu später. Projekt Exodus war ein Liverollenspiel und gleichzeitig eine Veranstaltung der politischen Bildung. Gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung stand ein sattes Budget zur Verfügung, mit dem sich LARP-Träume wie eine ausgefallene Location und professionelle Kostüme erfüllen ließen.
Das Spiel war thematisch angelehnt an den Reboot von Battlestar Galactica. Die fast 70 Spieler erlebten den Angriff der Zylonen auf die Heimatwelten der Menschen und flohen im Anschluss vor den Feinden. Gespielt wurde auf dem ehemaligen Marine-Zerstörer Mölders, der in Wilhelmshaven im Marinemuseum liegt. Da Schiff wurde von der Orga, zu der auch ich gehörte, zum Raumschiff Hesperios umgestaltet. Aus 60er-Jahre Marine-Charme wurde ein etwas angerostetes Frachtraumschiff. Besonderes Kopfzerbrechen machte mir persönlich dabei die technische Ausstattung, da ich neben der Öffentlichkeitsarbeit, einigen Kurzgeschichten und viel anderem Organisationskram auch die Technik perfektionieren sollte.
Denn die Spieler sollten ein „funktionierendes“ Raumschiff geboten bekommen. Mit einem Computernetzwerk, einer von feindlichem Code befallenen KI, einem seltsamen „Gast“ im geheimen Frachtraum und mit der Bedrohung durch mörderische Roboterwesen. Und dann war da noch das Stromproblem – die Mölders wurde im Rahmen ihrer Ausserdienststellung komplett entkernt, nur wenige Leitungen an Bord leiten noch Strom – und wenn, dann meistens die im Herstellerland üblichen 110 Volt. Zu viel Strom durften wir auch nicht verbrauchen, bei unseren Experimenten brach schon einmal auf mehreren Decks die Stromversorgung komplett zusammen. Daher wurden es am Ende schmale ITX-Systeme mit AMDs Jaguar-Prozessoren – die auch in den aktuellen Konsolen eingesetzt werden. Die Spieler hatten am Ende ein Raumschiff mit Computern auf der Brücke, im Funkraum, dem Maschinenraum, beim Reaktorkern, bei den Technikern und im Lagerraum. Wenn die Brücke mehr Leistung für den Antrieb brauchte, musste das tatsächlich angefordert werden, automatisch lief kaum etwas.
Das sorgte für Schweißperlen auf den Spielerstirnen, so ein Raumschiff fliegt sich nicht von selbst. Und dabei passierte rings herum auch noch so viel. Zuerst erreichte die Hesperios ein Notsignal einer Fluchtkapsel. Der Kapitän beschloss, den Leuten zu helfen – und schon waren 30 Flüchtlinge einer Raumschiffkatastrophe an Bord. Luxus gewohnte reiche Säcke aber auch Personal des explodierten Raumschiffes, ein Kamerateam, das gerade eine Reportage über eine Politikerin anfertigen sollte, und und und. Aber es passierte noch mehr: Das Militär enterte beispielsweise das Schiff und erschoss den streitlustigen Kapitän. Und nahm die Macht auf der Brücke an sich, nur um festzustellen, dass ringsherum überall Zylonenschiffe auftauchen, die Heimatwelten in Schutt und Asche bomben und Flucht eigentlich die kleverste Alternative wäre.
Während der drei Spieltage hatten die Zylonen aber nur wenig zu tun, um die Menschen zu vernichten. Sperre eine Meute unterschiedlichster Persönlichkeiten in einen engen Raum und sie werden sich an die Kehle gehen. Beweis erbracht – auch wenn das Militär am besten bewaffnet war, starben gleich mehrere Soldaten. Nicht ganz unschuldig war der zufällig unter den Flüchtlingen geratene Mafiaboss und seine ebenfalls gerettete Mannschaft.
Projekt Exodus war ein Liverollenspiel, alle Mitspieler hatten also eine Rolle, die sie spielen sollten. Diese Rollen waren grob vorgegeben, es gab auch Anreize, gewisse „Lebensziele“ zu erfüllen. Die Politikerin töten beispielsweise. Oder geheime Experimente an diesem Gast im Frachtraum vornehmen.
Das LARP war bildgewaltig, emotional und spannender als jeder Hollywoodfilm. Ich selbst war als Smutje mit dabei und durfte trotz Orgatätigkeit mitspielen. Und erwische mich heute noch (Exodus war im Februar 2015, ein halbes Jahr vorher begann die Arbeit daran), wie ich manchmal minutenlang grinsend in der Ecke stehe weil ich mich an Exodus erinnert habe. Hoffnung, Verzweiflung, Panik, Freude – es gab viel zu erleben. Der Mafiaboss befahl nicht nur einige Morde sondern fiel selbst einem Mord zum Opfer. Die mehr-oder-weniger-gewählte neue Präsidentin (von einer Galactica wusste ja niemand etwas) ordnete Dinge an, die sie selbst mit sich nicht vereinbaren konnte. Und starb schließlich ebenfalls als Opfer eines Attentates.
Eigentlich war geplant, die Filmaufnahmen des ebenfalls mitspielenden (echten) Kameramannes zu einem Film oder wenigstens zu einem Trailer zu verarbeiten. Leider ist davon in letzter Zeit nicht mehr viel zu hören – was schade wäre, denn es haben sich filmreife Szenen zugetragen.
Als Gesamterlebnis gehört Projekt Exodus damit nicht nur zu den besten Spielen 2015, es steht ganz weit oben auf meiner „Geilste Momente im Leben“-Liste. Knapp hinter Kindern und Hochzeit. Auch wenn die Organisation anstrengend war, das Team war klasse und die Zeit kam mir kurz vor. Es war lehrreich. Vor allem die Pressearbeit, als Exodus plötzlich in vielen Medien auftauchte – wir hatten Berichterstattungen bei Spiegel Online und NDR aber auch bei The Verge und in japanischen, polnischen, australischen, britischen und französischen Zeitungen. Und am liebsten würde ich sofort beginnen, ein zweites Projekt Exodus zu organisieren. |
|
Habe jetzt noch mal etwas hier gelesen und dabei auch meinen Text überflogen. Ich muss mich da in einem Punkt verbessern...
Für Rainbow Six Siege kommen in Zukunft nicht vier, sondern acht zusätzliche Operatoren.
Ich kann aber auch anmerken, dass ich meinen vorsichtigen Zweifel zerstreuen kann. Das Spiel ist wirklich grandios und wenn nichts außergewöhnliches passiert, wird es bestimmt auch nächstes (bzw. jetzt ja dieses) Jahr in meiner Top 5 zu finden sein.