The Long Journey Home -- in diesem Roguelike ist der Name tatsächlich Programm.

Kurz zur Vorgeschichte: Die Menschheit, bereits im Zeitalter der Überlichtgeschwindigkeit angekommen, schickt uns als vierköpfige Crew auf unsere erste Mission: eigentlich ganz trivial sollen wir für einen Frachtauftrag Alpha Centauri anfliegen.

Doch dann geht alles schief: Während des Sprungs erleidet unser Schiff einen Defekt und verbringt uns etliche tausend Parsecs entfernt in einen weit entfernten Quadranten des Universums -- und die lange Reise nach Hause beginnt. Das erinnert den Kenner sogleich an Star Trek: Voyager und hat aufgrund des Szenarios, seiner Zufallsbegegnungen und des Roguelike-Aspekts auch spielerische Vorbilder: Das allseits (und oft zitierte) FTL und das meiner Meinung nach von der Thematik, den Storyelementen und vom Gamedesign her viel nähere OUT THERE.

Minispielsammlung?

Im Kern seines Spiels ist The Long Journey Home eine Sammlung an Minispielchen. Denn egal was wir tun, alles triggert in irgendeiner Form eine Sequenz, die es meist motorisch zu meistern gilt. Beispiele: Um euer Schiff mit Ressourcen zu versorgen (Metall zum Reparieren der Hülle, Gas zum Auffüllen des Treibstoffs) müssen wir Planeten mit unserer mobilen Schiffseinheit anfliegen. Das Ganze spielt sich ähnlich wie der Klassiker Lunar Lander: Unser Minischiff wird per Düsenschub in die richtige Richtung gedreht, beschleunigt und muss rechtzeitig wieder abgebremst werden. Sobald das Gefährt an der passenden Stelle aufgesetzt ist, darf mit dem Abbau begonnen werden.

Die Schwierigkeit dabei sind die äußeren Verhältnisse des Planeten. Mal herrscht eine hohe Gravitation, mal blasen uns Orkane durch die Gegend, mal penetriert die Hitze der Oberfläche unsere Schiffshülle. Außerdem spielt der Treibstoff eine entscheidende Rolle.

Ein anderes Beispiel ist das Anfliegen des Planetenorbits. Auch hier gilt es die Gravitation des Planeten, sowie die Geschwindigkeit und die Ausrichtung unseres Schiffs im Auge zu behalten: Wer einen Planeten zu schnell anfliegt, zischt meilenweit daran vorbei. Wer eine zu enge Kurve eingeht, könnte Schaden nehmen. Mit etwas Übung und Feinmotorik kriegt man allerdings auch dieses Minispiel in den Griff.

Wer ein Asteroidenfeld betritt, begibt sich stets auf die Suche nach den dort versteckten Ressourcen, was spielerisch ein wenig an einen Slalomlauf erinnert -- die Stangen sind hierbei allerdings die Asteroiden. Ähnlich funktioniert auch das Anfliegen eines Raumdocks -- wer das selige Ports of Call kennt, kann sich den Vorgang ungefähr vor Augen führen.

Man darf wohl durchaus sagen: Auch wenn anfangs insbesondere die Lunar Landing-Sequenzen Spaß machen: So richtig springt der Funke bei diesen Gameplay-Mechanismen nicht über. Und irgendwann stellt sich das Ganze, dem Rogue-like-Aspekt folgend, als nervige Fleißarbeit heraus, die man gerne automatisieren würde.

Der eigentliche Spielreiz 

Was macht also den Reiz des Spiels aus? Ich denke, es ist vor allem das Versprechen der Unendlichen Weiten, das dafür sorgt, das man mehr von dieser (zufallsgenerierten) Spielwelt erfahren möchte, denn was die Begegnungen und die erzählerische Interaktion mit der Umwelt angeht, wurde hier wirklich gute Arbeit geleistet: Es ist spaßig, mit anderen Rassen zu kommunizieren, da viele Dialoge recht witzig geschrieben sind. Es ist toll, eine Mission oder Miniquest auf einem Planeten zu erfüllen und dabei ein einzigartiges Artefakt abzugreifen. Und es ist interessant, mit Außenposten Handel zu treiben, um Teile zu erwerben, die das eigene Schiff gehörig aufpimpen.

Dumm nur, wenn aller Fortschritt durch eine oder zwei Fehlentscheidungen zunichte gemacht wird. Ärgerlich hingegen, wenn es gar nicht mal in unserer Hand lag, etwas zu tun, weil das freundliche Alien von Nebenan der Meinung ist, dass Niederballern die beste Option wäre oder weil einfach die Crew-Zusammensetzung (wir dürfen aus 10 verschiedenen Archetypen vier Mitglieder zusammenstellen) in der aktuellen Situation nicht weiterhilft.

Fehlende Progression

Wäre der Titel ein Rogue-Lite, wäre uns also die Möglichkeit gegeben, eine merkbare Progression zu erzielen, wäre das Scheitern weniger schmerzhaft und der Neubeginn deutlich motivierender. Wären die zahlreichen Motoriksequenzen nicht, würde es als reines Rogue-Like vielleicht sogar funktionieren -- bei FTL geht das Grundprinzip aufgrund seiner "Fluffigkeit" in der Handhabung ja auch auf. So aber steckt The Long Journey Home ein wenig zwischen den Stühlen: Man möchte ja schon gerne wissen, was es da noch draußen zu finden gibt, aber der Weg dahin ist irgendwann ein wenig... störend.

Fazit: 

Gute Ansätze, teilweise tolles Storytelling mit ansprechenden Dialogen, eine weit entfernte Galaxis, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat -- das alles macht wirklich Freude. Bedingt durch das Rogue-Like-Konzept zehrt die xte Wiederholung der selben Minispielchen dann doch an der Dauermotivation. Und eines muss man leider klar benennen: Die deutlichen Indiespiel-Charakterzüge haben in einem 40 Euro-Vollpreistitel nichts zu suchen -- die Hälfte des Preises wäre angemessener.

Wertung: 9/12

2 responses to "The Long Journey Home (Review und Video)"

  1. Da bin ich ganz deiner Meinung und kann z. B. die 85 % der Gamestar nicht nachvollziehen. Trotz aller guten Ansätze ist man im ganzen Spiel nur damit beschäftigt Planeten anzufliegen und im Lunar-Lander-Space-Taxi-Oids-Modus Rohstoffe zu sammeln. Das ist weder originell noch abwechlungsreich. Anfangs ist das noch herausfordernd, aber wenn du das einmal kapiert hast, wird es eine nervige (und manchmal unfaire) Pflichtaufgabe. Hat mich ein bisschen an das Andockmanöver in Elite erinnert, aber da gibt es glücklicherweise einen Docking-Computer;-)

  2. Das ist ja auch das, was ich mit fehlender Progression meinte: Wenn man sich im Laufe des Spiels solche Automatismen wie Landecomputer permanent aneignen könnte, dann würde mich das Ganze wahrscheinlich dauerhaft motivieren, weil es irgendwann nicht mehr ums Rumfliegen, sondern ums Erkunden ginge. Allerdings, und das ist wahrscheinlich die Crux: Wenn man damit einzelne Mechanismen ausschaltet, bliebe am Ende vermutlich nicht mehr genug Spiefleisch übrig. Schade eigentlich.

    Und danke für den Kommentar.