Ultima 5 
Entwickler: Origin Systems
Publisher: Origin Systems
Releasejahr: 1988
System(e): Apple 2 (später in 88: DOS. Amiga, Atari ST (89). Weitere: C64, NES, FM Towns u.a.)
Mit der Geburt des ikonischen Avatars in Ultima 4: Quest of the Avatar und seiner viel besungenen Tugenden geht die Ultima-Reihe neue Wege -- weg vom gängigen Töte-den-Oberfiesling-Konzept hin zu einem echten Rollenspiel, das auf einer anderen spielerischen, aber auch erzählerischen Ebene operiert.

Auch Ultima V verpflichtet sich dieser Prämisse -- und schon die Vorgeschichte lässt vermuten, dass es Entwickler und Serienerfinder Richard Garriott darum geht, den Spieler zum Nachdenken zu bewegen: Seit einer Expedition in die Underworlds (hört, hört!) gilt Britannias Herrscher Lord British als verschollen. An seiner statt herrscht nun ein gewisser Lord Blackthorn, der die acht Tugenden zwar zum höchsten Maß aller Dinge ausgerufen, ihren Sinn aber ins Gegenteil pervertiert hat: wer etwa lügt, darf seine Zunge im nächsten Gulli suchen. Auf jede Missachtung der heiligen Tugenden folgen drakonische Strafen.

Der Avatar kehrt zurück

Als der Avatar durch seine alten Weggefährten Iolo und Shamino zurück nach Britannia geholt wird, machen sie sogleich mit drei Wesen unangenehme Bekanntschaft, die sich selbst als Shadowlords bezeichnen. Wie und ob diese Figuren mit dem Tyrannen Blackthorn zusammenhängen und was das alles mit Lord Britishs verschwinden zu tun hat, ist anfangs nicht klar. Klar ist aber: Die Meta-Ebene, die Garriott hier heraus schält ist abermals ein Seitenhieb gegen allzu fanatische Religionsanhänger, denn die Botschaft ist: Eine Absicht kann noch so gut gemeint sein -- falsch interpretiert, schadet sie.

Spielerisch beschreitet Ultima V konsequent den Weg seiner Vorgänger: Abermals ist offene Spielwelt zu erkunden, die vor Details nur so sprudelt -- in welchem Spiel lässt sich schon Klavier spielen, Gegenstände durch die Gegend schieben, Kanonen abfeuern oder NPCs bei ihrem Tagesablauf beobachten? Entsprechend dürfen wir auch erstmalig in der Reihe einen Tag-/Nachtzyklus erleben. Diese Freiheit hat freilich auch ihre Kehrseite: Als Ultima-Neuling ist das Hineinwerfen in diese Fülle an Möglichkeiten nicht jedermanns Sache und leicht überfordernd. Auch hat es die Ultima-Serie seit jeher nicht so sehr mit dem Ausrüstungs- und Levelwahn konkurrierender Produkte wie etwa der Bard’s Tale-Saga oder dem Might and Magic-Lager. Und: Pool of Radiance aus dem gleichen Jahr fand unter anderem deshalb so großen Anklang, weil es den Spieler behutsam an seine Aufgabe heranführt und dennoch Komplexität und Storyelemente miteinander verbindet.

Düsterer und gehaltvoller

Wer sich hingegen auf die britannische Welt einlässt, darf sich über eine rund doppelt so große Spielwelt wie noch im Vorgänger freuen. Auch ist der Grundton des Titels deutlich düsterer und Geschichte, Hintergründe und Gespräche bieten deutlich mehr Gehalt. Kurzum: Origin nimmt das Grundprinzip aus Teil 4 und verfeinert es zu einer Art Ultima Deluxe. Garriott wird später selbst zu Protokoll geben, dass Ultima 5 das bessere Spiel in Sachen Story und Spieltiefe sei. Außerdem darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass die 3D-Darstellung der Dungeons einen ordentlichen Schritt nach vorne gemacht hat.

Auf einige liebgewonnene Features muss der Spieler allerdings nicht verzichten: So dient der Charaktererschaffung abermals das Tarotkarten-Legen im Zigeunerwagen als Grundlage und kommt es zu einem Scharmützel schaltet das Spiel wie gehabt in einen separaten Kampfbildschirm -- neuerdings darf im Übrigen auch diagonal zugeschlagen werden und für Gespräche steht ein zweckdienlicher Parser zur Verfügung, der rudimentäre Gespräche zulässt. Immerhin wirken die Konversationen nun nicht mehr so einsilbrig, sondern weitaus dynamischer als noch in Quest of the Avatar. Und auch das hat sich nicht verändert: Die Benutzerführung funktioniert weiterhin über Tastenkürzel; das Mauszeitalter bricht für Ultima erst massiv in Teil sechs an.

Fehlende Klasse

Wie sehr sich Ultima bereits von anderen Rollenspielen entfernt hat, erkennt man sehr gut an der Charaktererschaffung. Während sich The Bard’s Tale 3 mit dreizehn Charakterklassen (davon allein sieben Zauberklassen) nahezu überschlägt und auch Might and Magic und Wizardry sein Klassenportfolio stetig erweitert, bleibt Ultima 5 ziemlich eigen: Abgesehen von den kultigen Entscheidungsmöglichkeiten bei den Karten, die unsere Attributwerte bestimmen, sind sämtliche Klassen und Rassen aus den Vorgängern wegrationalisiert: Wir beginnen als menschlicher Avatar -- das war’s.

Das gilt freilich nur für den Hauptcharakter -- Iolo und Shamino sind weiterhin Kämpfer und Barde, und dennoch: In welchen Rollenspiel der damaligen Zeit lässt sich keine Rasse oder Klasse bei der Charakterschaffung wählen? Apropos Begleiter: Unsere anfängliche Dreiergruppe lässt sich im Laufe des Spiels auf sechs Personen ausweiten -- für diesen Zweck schwirren immerhin 16 NPCs in der Spielwelt herum und warten nur darauf, sich unserem gerechten Kampf anzuschließen.

Abgesang an den Apple II

Ultima V wird das letzte Origin-Rollenspiel sein, das den Apple II als Entwicklungssystem hernimmt; ab The False Prophet (Ultima 6) ist der PC mit VGA-Unterstützung die Leadplattform. Außerdem ist Teil 5 auch die letzte Version, die von Richard Garriott selbst entwickelt wird -- in allen Nachfolgern ist Garriott nur noch beratend tätig.

Als die schönste Warriors of Destiny-Portierung der 80er gilt aber ohnehin die Amiga-Version, die im Übrigen mein erster Kontakt mit der Ultima-Serie darstellt und zudem eine wunderschöne Titel-Melodie mitbringt, die den anderen Versionen abgeht. Kleine Anekdote: Die Amiga Joker vergab für Ultima 5 ungewöhnliche 95% -- und ist damit das höchstbewertete Spiel dieses Magazins.

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