Might and Magic 2
Entwickler: New World Computing
Publisher: New World Computing
Releasejahr: 1988
System(e): Apple II (später: DOS, Amiga, Mac, C64, Mega Drive, SNES u.a.)
Das konnte Jon Van Caneghem nicht auf sich sitzen lassen: Nachdem Scorpia, Redakteurin der Computer Gaming World, spezialisiert auf Computerrollenspiele, sein neuestes Might and Magic als Hack&Slay-Fest ohne Tiefgang in Story und Gameplay bezeichnete, schrieb dieser einen an Scorpia adressierten Leserbrief, der wutentbrannt erklärte, warum Gates to Another World kein Textadventure, sondern eben rein Rollenspiel sei und dass er selten so einen undifferenzierten Test gelesen hätte. Egal welchen Argumenten man folgt, eins steht fest: Mit Might and Magic - Book Two zementierte New World Computing den Anspruch darauf, mit Branchengrößen wie Wizardry oder The Bard’s Tale in einem Atemzug genannt zu werden; die Zeit wird der Serie recht geben.

Von VARN nach CRON

Wer den Erstling kennt, der 1986 das Licht der Welt erblickte, darf die Geschichte direkt weiterführen: Mittels der Gates to another World verlassen wir VARN, die Welt aus dem Vorgänger und stranden in CRON (Central Research Observational Nacelle), eine weitere Welt der so genannten Ältesten, die vom durchgeknallten Roboter-Wächter Sheltem in Schutt und Asche gelegt werden möchte. Und wer soll ihn aufhalten -- wenn nicht die altgedienten Recken des ersten Teils. Selbstredend, dass die Gruppe aus dem Vorgänger zu diesem Zweck übernommen werden kann.

Ja, auch Might and Magic 2 macht wieder kräftig Gebrauch vom bekannten Mix aus Fantasy und Science Fiction (inklusive Zeitreisen) -- wobei der Fantasyteil, das zur Beruhigung klassischer Rollenspieler, bei Weitem überwiegt. Und so besteht auch CRON aus den für die Serie typischen Biomen wie Schneelandschaften, Wüstengegenden oder Wäldern -- die der Packung beigelegte Karte und das üppige Handbuch schüren die Lust auf das Spiel bereits im Vorfeld an.

In seinem Brief an Scorpia beschreibt Van Caneghem, dass das Kampfsystem von Grund auf neu geschrieben wäre. Anmerken tut man es dem Kampf, der rundenbasiert wie im Vorgänger funktioniert, nur bedingt. Offensichtlichste Neuerung ist die Tatsache, dass die Monsterportraits während der Schlacht nun nicht mehr verschwinden, sondern schick animiert (auch das ist neu) erhalten bleiben.

Vorbildliche Automap, wechselbare Schwierigkeit

An anderer Stelle legt das Spiel hingegen sehr ordentlich vor: Neuerdings darf man sich über eine unheimlich gute Automap freuen. Sicher: Dieses Feature findet man ‘88 auch bei Pool of Radiance und The Bard’s Tale 3 -- dort jedoch längst nicht so gut umgesetzt. So kann die Karte permanent eingeblendet werden, zeichnet unseren Weg automatisch mit und hellt bereits erkundete Gebiete auf. Dieser Mechanismus, der uns damit sagt, welche Gebiete noch zu entdecken sind und welche bereits besucht wurden, ist für ein Automapping-System unheimlich wertvoll und findet sich in späteren Rollenspielen in nahezu jedem automatischen Kartensystem.

Doch das ist noch längst nicht alles: Als bis dato einziges Spiel seiner Art lässt sich der Schwierigkeitsgrad jederzeit dreistufig ändern. Wem die Kämpfe zu schwer sind, kann demnach den Grad herunterstufen und nahtlos weiterspielen. Neuerdings dürfen bis zu zwei Söldner anheuert werden, die zwei von insgesamt acht Charakterslots belegen. Die eigentliche Gruppe besteht demnach aus einer sechsköpfigen Mannschaft, die endlich mit jeder Menge kaufbarer Skills gepimpt werden kann. Nicht neu, aber auch nicht in jedem Konkurrenten zu finden: Geschlecht und Gesinnung wirken sich bisweilen darauf aus, welche Gebiete man besuchen darf.

Weit mehr als nur Monstermetzeln: Das Questsystem

Noch mehr Anerkennung als für derlei Zusatzfeatures ist vielleicht für das Questsystem aufzubringen. Das präsentiert sich nämlich vielschichtig: Neben der Hauptaufgabe findet man noch jede Menge weiterer Quests, die teilweise mehrteilig sind und zu größeren Quests oder zu klassenspezifischen Aufgaben führen. Oftmals sind hierfür Hinweise in den Dungeons zu finden. Insgesamt soll das Spiel an die 100 Quests bieten. Allein dieser Teilaspekt steckt die Konkurrenten The Bard’s Tale 3 und Wizardry 5 deutlich in die Tasche, die nicht viel mehr als pures Monstermetzeln und Charakterentwicklung bieten.

Wer nun aber dem Irrglauben erliegt, die Might and Magic-Serie habe sich von seinem Hack&Slay-Charakter abgewandt, könnte falscher nicht liegen. Wer sich durch die 30 Dungeons schlägt, trifft dabei auf eine Auswahl von gut 250 Gegnertypen, derer man mit neuen Charakterklassen erwehren kann: Der Ninja und der Barbar gesellen sich zu den sechs bereits bekannten Klassen hinzu. Die dadurch gewonnen Erfahrungspunkte lassen sich in zahllose Levelaufstiege packen -- das Spiel zelebriert die Looten&Leveln-Spirale mindestens genauso exzessiv wie der Bardenkollege.

Vorsintflutliche Features

Und natürlich ist auch in Might and Magic 2 nicht alles Gold, was glänzt: So lässt sich nach wie vor nur im Wirtshaus speichern, was bei manchen Spielern zu Recht als unzeitgemäß gilt. Stellt man Spiele wie Wasteland daneben, verblasst auch das magere Skillsystem zu einer “gut gemeint, aber wäre auch besser gegangen”-Beurteilung. Und zu guter Letzt darf man auch an dieser Stelle sagen: Ein Jahr nach Dungeon Master sind Zufallskämpfe, die unangekündigt aus dem Nichts auftauchen, eher Ärgernis als Feature. Aber dieses Problems wird sich, soviel darf ich spoilern, im dritten Teil angenommen.

Might and Magic II erschien ursprünglich für Apple II, bekam aber unzählige Portierungen auf andere Systeme -- etwa für PC und Amiga durch John R. Fachini, der im Übrigen auch die Umsetzungen von Ultima 1 und Ultima 5 für PC vornahm. Aber auch Konsolen wie Mega Drive und SNES gingen nicht leer aus und durften sich über ordentlich gemachte Portierungen freuen.


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