Mount&Blade

Von den Spielen, die schon immer auf meiner "Hört sich sehr interessant an"-Liste stehen, rangiert das von türkischen Entwicklern stammende Mount and Blade ganz weit oben. Dass ich es bislang nicht in meine Sammlung einreihen wollte, hat wirtschaftliche Gründe: Es war mir für ein verkapptes Indi-Spiel mit seinen 30 Euro bislang einfach zu teuer. Wie gut, dass Steam am vergangenen Wochenende ein Herz für preisbewusste Sothis hatte und den Genremix auf gut verdauliche 5 Euro senkte.

Irgendwo im Regal zwischen all dem Einheitsbrei und den ewig anmutenden Fortsetzungen gibt es ab und an Titel, die mit einem frischen Konzept aus der Masse herausstechen. Und dann gibt es noch Spiele wie Mount&Blade, das sich in überhaupt keine Schublade stecken lassen möchte.

Denn wer es als Rollenspiel bezeichnet, tut ihm bitterlich unrecht. Gleich doppelt sogar, wer die Einsortierung ins Strategiegenre in Erwägung zieht. Und auch Freunde des gepflegten Actionspiels würde man auf die falsche Fährte locken, würde man sich erdreisten, den Titel auf seine Kampfsequenzen zu reduzieren – ist die Wahrheit doch um so vieles ansprechender: Mount&Blade vereint Genres, die vom Entwickler Taleworlds so durchschnittlich umgesetzt wurden, das sie für sich genommen ein Fall für die Müllpresse wären, aber in ihrer Eigenschaft als linksverdrehte Joghurt-Kultur ein irres Spiel ergeben – und "irre" bitte ich in diesem Zusammenhang als durchweg positives Attribut zu verstehen.

Wie spielt sich Mount&Blade?

Der Spieler beginnt wie in rührseligen Ultima-Zeiten mit einem Fragekatalog, durch dessen Antworten sich die Klasse und die damit verbundenen Charaktereigenschaften herauskristallisieren. Ganz wie in einem klassischen Rollenspiel darf der Protagonist dabei auf bekannte RPG-Attribute wie Stärke, Intelligenz oder Charisma zurückgreifen, die sich wiederum auf eine stattliche Anzahl an Talenten auswirkt, welche in ihrer Bandbreite (von obligatorischen Kampfskills, über Handels- und Baumeisterfertigkeiten, bis hin zu Eigenschaften, die die maximale Anzahl von gefangen genommenen Soldaten steuern) kaum besser aufgestellt sein könnte. Da es im Spielverlauf möglich ist, Erfahrungsstufen zu erklimmen, wird der Held mit zunehmender Spieldauer mächtiger und vielseitiger – was sich in letzter Konsequenz stark auf die Möglichkeiten auswirkt, die Mount&Blade zu bieten hat.

Grafikengine von Vorgestern, Spielgefühl von Vor-20 Jahren

Wohl dem übrigens, der sich hauptsächlich von diesen "inneren Werten" beeinflussen lässt, denn bereits die Charaktererschaffung zeigt eindrucksvoll, dass die Grafikengine irgendwann im Jahr 2007 stehen geblieben ist – und damit lasse ich die Entwickler noch gut aussehen. Tatsächlich habe ich trotz 10-minütigem Drückmarathon auf dem Random-Button kein einziges Gesicht zustande gebracht, das mich nicht an einen mutierten Zombie aus Fallout 3 erinnert hätte.

Der erste grafische Schock weicht nach dem eigentlichen Spielstart ersten Retrogefühlen: Die Übersichtskarte, auf der gut 40% des Spiels stattfindet, erinnert mit seiner zarten Schlichtheit an längst vergangene Rings of Medusa-Tage: Ein Pferd, das unseren Trupp verkörpert, bewegt sich in (pausierbarer) Echtzeit über eine Map, die eine Fülle von Orten aufweist. Um uns herum wuseln jede Menge von der KI-gesteuerte Einheitenverbände, die eigenständig ihrem Tagesablauf nachgehen. Der Spieler schnuppert von Beginn an dieses Mittendrin-statt-nur-dabei-Gameplay und fühlt sich als Teil der Spielwelt – aber eben nur als ein (zumindest anfänglicher) kleiner Teil, der schon bald den Ehrgeiz weckt, Größeres zu erreichen. Und dies lässt sich durch eine vielzählige Fülle an Tätigkeiten erreichen.

Ein Füllhorn an Möglichkeiten

Die Welt von Mount&Blade steht dem Protagonisten von Beginn an offen: Wer möchte, kann sich dem relativ gefahrlosen Handeln mit Gütern widmen – so er denn genug Handelspunkte verteilt hat, um ein Gefühl für die jeweiligen Preisgefüge zu bekommen. Möglich wäre auch, überall verstreute Räuberbanden anzugreifen und gemachte Gefangene an den lokalen Sklavenhändler gegen bare Münze zu verkaufen. Charakter mit hohen Kampfskills könnten sich überdies an lukrativen Turnieren beteiligen und mit einer hohen Wette auf sich selbst, für Ruhm und Reichtum sorgen. Oder er erfüllt in bester Rollenspielmanier Questen für die Fürsten und Monarchen der fünf im Spiel vertretenden Königreiche. Wer sich über diesen Weg genug Ansehen und Beziehungspunkte erarbeitet, kann schon bald zum Hauptmann oder gar zum Vasallen eines Herrschers aufsteigen und damit als Fürst das eine oder andere Lehen einsacken – was übrigens besonders dann funktioniert, wenn man im Spiel eine potente Armee um sich scharrt und feindliche Burgen belagert.

Besonders der Aspekt der eigenen Armee ist ein ausgesprochen guter Schachzug des Entwicklers, denn die Möglichkeit, seine eigene Truppe abhängig von den vorher vergebenen Charaktereigenschaften aufzubauen, motiviert ungeheuer. Da stört es auch nicht weiter, dass sich eigentlich kein echtes Ziel herauskristallisieren will und der rote Faden ganz schwach zwischen Levelstufen, Prestigegewinn und wirtschaftlichen Erfolg verläuft. Würde man mit einem Wort das Spielgefühl beschreiben, das Mount&Blade vermittelt, müsste man Sid Meier’s Pirates! ausrufen, denn dieses spielte sich in der Tat ganz ähnlich – mit einer großen Ausnahme: Den Kampfsequenzen, die in Mount&Blade eine Klasse für sich darstellen.

Total War-Feeling in Egoperspektive

Man stelle sich Massengefechte wie in den guten alten Total War-Teilen vor, nur dass man hier nicht als passiver General tätig wird, sondern in alt hergebrachter Egoperspektive zu Pferd oder per pedes in das Schlachtgeschehen aktiv und mit voller Inbrunst eingreifen kann. Dass dabei links und rechts von uns Soldaten KI-gesteuert in das Schlachtfeld stürmen und sich (nicht ganz unblutig) die Köpfe einschlagen, erhöht das Schlachtengefühl um ein spürbares Quäntchen.

Zusätzlich zückt TaleWorlds hier wieder die Rollenspielkarte, denn ausgerüstete Waffen, Rüstungen und selbst das teuer erkaufte Kampfross sind hier natürlich mitsamt aller Eigenschaften mit am Start und für jeden erlegten Feind gibt es satte Erfahrungspunkte – übrigens nicht nur für uns, sondern auch für die Soldaten unseres Trupps, die bis zu zwei Stufen aufsteigen können.

Und weil sich Mount&Blade auch damit nicht begnügt, trifft man in der Spielwelt immer mal wieder auf NPCs, die sich unserer Führerschaft anschließen möchten und dann ganz wie in einem Computerrollenspiel der Marke Bioware von Zeit zu Zeit Gespräche anfangen, sich über unsympathische Gruppenmitglieder aufregen und gerne auch mal wieder Ihrer Wege gehen. Steigen solche Mitstreiter im Level auf, darf man (wie beim Hauptcharakter) munter Punkte auf Charakterwerte und Fähigkeiten verteilen; erbeutete Waffen und reitbare Untersätze erweitern den Nutzen solcher Gefährten zusätzlich.

Fazit:

Mein Resümee zu Mount&Blade ist eindeutig: Wer gerne Rollen- und Strategietitel zockt und sich nicht davor scheut, ein Spiel zu beginnen, das jede Menge Spielraum, aber kein sichtbares Ende verspricht, ist bei diesem Titel bestens aufgehoben.

Die schiere Anzahl der Möglichkeiten, selbst wenn diese für sich betrachtet kaum für Begeisterungstürme sorgen dürften, macht aus diesem Spiel einen Genremix für abendfüllende Streifzüge in einer mittelalterlich angehauchten Welt. Die Art und Weise, wie sich das Spiel präsentiert, versprüht einen reizenden Retrocharme, dem man sich schwerlich entziehen kann. Und ganz ehrlich: Selten ist mir ein Spiel untergekommen, bei dem die Stunden so rasch vergangen sind.

Auf den Nenner gebracht: Ein Titel, der nicht unbedingt die Geschmacksnerven einer größeren Zielgruppe trifft, aber besonders bei all jenen, die sich stundenlang mit Pirates! und Co. beschäftigen konnten, einen dauerhaften Platz auf deren Festplatte reservieren wird.

Wertung: 10/12

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