StarCraft 2

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Von Blizzard lernen heißt siegen lernen – 1,5 Millionen verkaufte StarCraft 2-Exemplare in 48 Stunden sprechen eine deutliche Sprache. Und das, obwohl spätestens seit der Beta klar ist, dass der neue Stern am Echtzeitstrategiefirmament erstaunlich bodenständig geblieben ist. Viel Hoffnung wurde deshalb in die Singleplayer-Kampagne gesteckt – nicht ganz zu Unrecht, wie euch der folgende Test beweisen wird.

Als Blizzard erstmals die Ankündigung machte, dass ein StarCraft 2 in Entwicklung sei, löste das bei den koreanischen Fans -- Männlein wie Weiblein -- spontane Eisprünge aus. Klar, StarCraft gilt dort mehr als Sportart, denn als nerdiges Computerspiel. In  den westlichen Breitengarden machte sich allerdings verhaltene Enttäuschung breit – nicht mutig genug schien zumindest der Multiplayeransatz, der sich im Grunde wie ein StarCraft 1 mit 3D-Grafikmod spielte.

Nicht zuletzt aus diesem Grund galt deshalb der Singleplayermodus als großer Hoffnungsträger des Echtzeitstragiegenres – war Blizzard mit der hervorragenden Kampagne des Vorgängers doch bereits der große Wurf gelungen. Umso enttäuschter die Reaktionen, als die Amerikaner bekannt gaben, dass sich die StarCraft 2-Kampagne in ein Hauptspiel und zwei Add Ons spalten würde. Was hatte sich der erfolgsverwöhnte Entwickler bloß dabei gedacht?

Wer StarCraft 2 dieser Tage erwirbt, erhält ein Spiel mit dem Untertitel Wings of Liberty. Und wer hinter dieser Bezeichnung am ehesten die Terraner-Kampagne vermutet, liegt vollkommen richtig: Mit dem Altprotagonisten Jim Raynor startet der Spieler einen großen Feldzug gegen dessen Erzfeind, Liga-Imperator Arcturus Mengsk. Und das fast 30 Missionen lang.

Das ist deutlich mehr, als wir im Vorgänger mit den Terranern unterwegs sein durften, spielt sich aber auch spürbar abwechslungsärmer. Zwar bemüht sich Blizzard mit ausgeklügeltem Missionsdesign, jeder Menge Einheiten und Vehikel und einer eingeschobenen Mini-Protoss-Kampagne um Kurzweil, doch das kann eines nicht verschleiern: Die Genialität mit den drei unterschiedlichen Kampagnen, die ich einstmals in meinem StarCraft 1-Fazit resümierte (“Die drei unterschiedlichen Rassen waren der beste Einfall, den die Jungs von Blizzard jemals gehabt haben.”) geht StarCraft 2 in weiten Teilen ab.

Kampagne mit angezogener Handbremse

Überhaupt kommt die Kampagne vom spielerischen Aspekt her erst sehr spät in Schwung. Gut 2/3 aller Missionen spielen sich eher wie ein Tutorial: Stets werden neue Einheiten eingeführt und der Schwierigkeitsgrad stagniert. Wer sich auf etwas Anspruch freut, spielt lieber gleich auf “Hard”. Dafür entschädigt dann das letzte Drittel, bei dem die einzelnen Missionen ohne angezogene Handbremse für forderndes Gameplay sorgen.

Kein Blizzard-Titel ohne eine Innovation, die von allen folgenden Generationen kopiert wird. Wir erinnern uns: WarCraft 3 brachte die Verquickung zwischen Rollen- und Strategiespiel und seinen unsäglichen Comiclook und wurde seitdem von zahllosen Konkurrenten schamlos als Stilvorlage hergenommen.

Klassisches Gameplay, innovatives Drumherum

Mit StarCraft 2 wird Ähnliches passieren, denn endlich hat ein Entwickler erkannt, dass es bei Echtzeistrategietiteln schon lange nicht mehr ausreicht, Mission an Mission anzureihen. Vielmehr lassen uns die Entwickler ähnlich wie im Weltraumklassiker Wing Commander von Räumlichkeit zu Räumlichkeit wechseln, zahlreiche Gespräche führen und uns somit tiefer in die Story eintauchen. Das trägt zur Atmosphäre bei, bleibt aber spielerisch, bis auf wenige Ausnahmen, ohne Relevanz. Zum Trost dürfen wir nun durch gewonnene Missionen Credits und Artefaktpunkte verdienen, die in die rudimentäre Forschung unserer Gebäude und Einheiten investiert werden kann.

Grafisch hat StarCraft 2 zwar schon seine besten Tagen hinter sich gelassen, wirkt aber auf den zweiten Blick immer noch recht ansehnlich und überzeugt vor allem durch einige Rendersequenzen und viele witzige Einfälle, die wir an Blizzard ja so lieben. Der Multiplayermodus hingegen, der komplett über das neue Battle.net abgewickelt wird, ist auf dem aktuellen Stand der Dinge: Ranglisten, Facebook-Verknüpfung, Achievements – es ist alles da, was das Herz des gläsernen Menschen begehrt. Trotzdem sollte man relativ frustresistent gegen etwaige Niederlagen sein, denn trotz recht unterschiedlich starker Ligen gibt es immer jemanden, der die StarCraft-Shortcuts mit verbundenen Augen finden würde.

Fazit: Die Krönung eines stagnierenden Genres

Niemand hätte wohl geglaubt, dass ich mir bei einer StarCraft 2-Wertung schwer tun würde, aber ich kann es nicht verhehlen: Die reine Singleplayer-Kampagne rangiert bei mir zwischen 10 und 11 Punkten, packt man den sehr guten Multiplayermodus obendrauf, kommen wir zwar auf eine glatte 11, aber ein leichtes “Geschmäckle”, wie der Franke so gerne sagt, bleibt trotzdem, denn eines ist klar: Der ganz große Wurf ist für dieses Mal ausgeblieben.

Blizzard hat vieles nahezu perfektionistisch optimiert, das möchte ich den Entwicklern unbestritten lassen, dafür aber die Chance ausgelassen, das Genre nach WarCraft 3 abermals zu revolutionieren.

Das zeigt vor allem eins auf: Echtzeitstrategiespiele sind spätestens jetzt an einem Punkt angelangt, an dem das Genre stagniert. Auch wenn jetzt erst einmal eine Welle an Spielen folgen wird, die auf den Zug aufspringen, halte ich für mich fest, dass das Missionsdesign, so abwechslungsreich es auch sein mag, an seine Grenzen stößt: Klar ist nett, wenn Lava meine Plattformen überflutet. Gerne mach ich auch mal eine Einzelmission ohne Basenbau oder bewache einen Konvoi. Aber das alles haut mich nicht vom Hocker, denn im Kern mache ich nichts anderes als im zwölf Jahre alten Vorgänger und das bereitet über 30 Missionen hinweg nicht immer Spielspaß auf höchsten Niveau.

Deutlich erfrischender ist freilich das ganze Drumherum, bevor die eigentliche Mission startet: Gespräche wie im seligen Wing Commander zu führen macht richtig Spaß, auch wenn man stets Zuschauer ist und das Gespräch nicht steuern kann. Die Story ist gut in Szene gesetzt, weißt aber letztlich deutliche Logiklücken auf. Überhaupt muss man sich, übrigens nicht zum ersten Mal, die Frage stellen, was eigentlich mit den Einheiten passiert, die man in vorherigen Missionen vielleicht zu Hunderten aus den Fabriken gepumpt hat. Hier stößt das Genre leider an seine Grenzen.

Schön ist die Möglichkeit, sich Credits/Artefakte zu verdienen, um mit diesen Aufwertungen an einzelnen Einheiten und Gebäuden durchzuführen. Dieser strategische Aspekt passt sehr gut ins Gesamtbild, auch wenn ich mir deutlich komplexere Strukturen gewünscht hätte. Reine Makulatur ist hingegen die Missionsauswahl: Zwischen bis zu drei unterschiedliche Aufgaben darf der Spieler wählen – endlich etwas mehr Freiheit!, wird manch’ einer aufatmen. Doch zu früh gefreut: In welcher Reihenfolge ich letztlich Missionen angehe, spielt im besten Falle eine Minimalrolle – nüchtern betrachtet darf ich mir aussuchen ob ich zuerst meinen Pullover und dann meine Hose, oder eben umgekehrt anziehe.

Was mir im Singleplayer hauptsächlich abgeht, ist die Möglichkeit, die Kampagne mit einem anderen Volk weiterzuspielen. Die anderen StarCraft 2-Teile werden zwar irgendwann kommen und mit den Protoss hat Blizzard bereits jetzt rudimentäre Teile des Gameplays in Wings of Liberty mit eingebunden, aber der große WOW-Effekt wie seinerzeit beim Vorgänger, bleibt (nicht nur deswegen) aus. Wer keine Angst hat, auch mal eine Niederlage einzustecken, klinkt sich in das Battle.net ein und verbringt dort seine Zeit im hervorragenden Multiplayermodus.

Unterm Strich lässt sich ohne Zweifel sagen, dass StarCraft 2 viele schöne Stunden beschert – sowohl im Singleplayer- als auch im Multplayermodus. Das Gameplay hat Blizzard bewusst sehr klassisch gehalten, das Drumherum dafür umso innovativer in Szene gesetzt. Insgesamt eine sehr gute Mischung, allerdings keine, die mich StarCraft 2 noch ein zweites oder drittes Mal durchspielen lassen wird – und das ist etwas, das dem Vorgänger noch mit Bravour gelungen ist.

Wertung: 11/12

7 responses to "Review: StarCraft 2 - Test / Fazit (PC)"

  1. Gratulation zu dieser Kritik. Gut geschrieben und trifft den Nagel ziemlich gut auf den Kopf.

  2. KerleKalle | 7. August 2010 um 11:53 says:

    Strategie ist nicht so meins. Aber das erste Starcraft habe ich trotzdem gerne gespielt, beim zweiten Teil bin ich mir aktuell noch nicht sicher bzw. das Fazit versunsichert mich trotz der guten Wertung.

  3. sehr schönes review. ich werde mir starcraft 2 bestimmt auch noch zulegen.

  4. Sehr schönes Review Sothi. Ich bin die letzten Tage leider kaum zum SC2 zocken gekommen...aber demnächst werde ich die Kampagne mal weiterspielen und bestimmt auch das ein oder andere MP Match machen - natürlich erstmal die Übungsliga, hab noch 44 Spiele offen.

    Gruß FranX

  5. Danke für euer Lob! :)

    Bei den Übungsspielen habe ich zuletzt noch 41 Spiele offen gehabt und bin dann ins Turnier eingestiegen. Hatte allerdings auch schon etwas Beta-Erfahrung vorher sammeln können. Bin derzeit in der Bronze-Liga, und da kann man sich ganz gut durchbeißen, wie ich finde.

  6. Habe das Review bei WebNews geratet :)

  7. Auf den Yitu ist halt verlass! :)