John Rambo
Meine erste Begegnung mit Silvester Stallones Kultfigur John J. Rambo fand auf einem Rummelplatz statt. Dort lag in irgendeinem Verkaufsstand ein Plastik-MG aus (so eines, das beim Drücken des Abzugs laut Ratatatat macht) und auf der Verpackung posierte Mr. Stallone in typisch martialischer Haltung - mit Gewehr, rotem Stirnband, verbissen in die Ferne blickend. Damals wusste ich weder wer Silvester Stallone war, noch wusste ich, was es mit diesem Rambo auf sich hatte. Aber das Plastikgewehr, das mein Vater mir schenkte, fand ich richtig toll.

Wenige Jahre später kreuzten sich abermals unsere Wege. Diesmal ganz so wie es sich gehört: Über die Flimmerkiste. Der Film hieß Rambo 2 - Der Auftrag und das Ganze wirkte auf meinen Klassenkameraden und mich schwer beeindruckend. Beispielsweise als Rambo dieses Mikrofon in die Hand nimmt, seine Fingerknochen dermaßen energisch knacken läßt, dass man befürchten musste, er zerdrücke gleich den Mikrofonstände und dann mit typischer Stallone-Miene in das Mikro presst: "Murdock, ich hol sie mir, ich mach sie kalt!". Das war er also: Silvester Stallone, der absolute Inbegriff des 80er Jahre Actionhelden.

Hello Rambo my old friend, I've come to talk with you again...

Nun treffen wir uns also wieder. Genau 20 Jahre nach seinem letzten Auftritt in Afghanistan. Die Erwartungen sind hoch, die Befürchtungen nicht geringer -- immerhin geht es hier um den Aufstieg oder Fall eine der letzten großen Action-Ikonen unserer Zeit. Es stellen sich also die ersten quälenden Fragen: Rambo, der Kriegsveteran, die alte Kampfsau, der, der selbst zum Krieg wird, um den Krieg zu gewinnen. Wird er auch in Birma unter seinen Feinden aufräumen? Zugegeben, wer den brachialen Trailer gesehen hat, für den stellt sich diese Frage erst gar nicht. Doch genau hier verbirgt sich auch das Restrisiko: Wird John Rambo genau wie der Vorgänger Rambo 3 zu einem Actionspektakel ohne Hirn und Flair mutieren? Wollen wir es nicht hoffen.

Desillusionierter Krieger

Als der Film schließlich beginnt, macht sich langsam Gänsehaut breit. Und das nicht nur, weil man sich auf den Hauptprotagonisten freut. Tatsächlich geht der Film in Sachen Brutalität bereits in den ersten 10 Minuten richtig in die Vollen: Blut spritzt, Körperteile fliegen, Menschen zerfetzen. Einblendungen aus realen Berichterstattungen machen klar, dass Birma ein echter Krisenherd ist und unvermittelt wünscht man sich, dass einer wir Rambo kommt, um dem Treiben Einhalt zu gebieten.

Und dann kommt er wirklich. Nicht beeindruckend, eher desillusioniert und sichtlich gealtert. Als Schlangenjäger und Überlebenskünstler im thailändischen Sumpf. Wenn Stallone untermalt von dieser melancholischen Variante des Rambo-Musik-Themas ins Bild rückt, kommt so etwas wie Wehmut auf. Das ist er also, der große Krieger. Und ja, irgendwie kann man sich vorstellen, warum es Rambo in diese Gegend verschlagen hat, warum er so ein resigniertes Gesicht macht. Es wirkt authentisch und damit fällt mir bereits zu Anfang ein Stein vom Herzen: Rambo IV ist zumindest nicht bloßer Action-Kitsch.

Aufgequollen

Apropos Gesicht: Dass Stallone mit 61 Lenzen kein Jungspund mehr ist, dürfte jedem klar sein. Aber der Unterschied zwischen dem Stallone, der noch vor 15 Jahren den Demolition Man mimte und jenem, der nun als John Rambo auf der Leinwand zu sehen ist, ist geradezu frappierend. Stallone sieht nicht einfach nur gealtert aus, auch das aufgequollene und verbrauchte Gesicht spricht Bände. Ob das dem harten Muskelaufbau-Training und dem nachgewiesenen Missbrauch von Steroiden zu verdanken ist, sei dahingestellt. Den eindrucksvollen Körperbau, den Stallone vor etwa einem Jahr noch in Rocky Balboa zur Schau stellte, bekommt man in Rambo 4 übrigens in keiner Szene zu Gesicht -- mit gutem Grund?

"Wenn man dich dazu zwingt, ist Töten so einfach wie Atmen"

Zurück zum Film. Der begibt sich nun auf bekanntere Pfade: Eine Gruppe amerikanischer Missionare zieht es nach Birma, um der dort unterdrückten Bevölkerung Beistand zu leisten. Dass sie dabei ausgereichnet auf John Rambos Hilfe als Fährmann angewiesen sind, dürfte dem Zuschauer zwar arg konstruiert vorkommen, beschert uns aber immerhin den ersten erwähnenswerten Dialog des Films. Und der geht so:

Rambo: "Nehmen Sie Waffen mit?"
Missionar: "Natürlich nicht!"
Rambo: "Dann werden Sie gar nichts ändern."
Missionar: "Es ist dieses Denken, warum sich auf der Welt nichts ändert."
Rambo: "Scheiß auf die Welt."


Ja, da ist er wieder, unser einsilbrige Anti-Held, Liefererant für unzählige kultige Oneliner. Dass sich Rambo nach einigem Hin und Her schließlich doch noch dafür entscheidet, die Gruppe an den gewünschten Zielort zu schippern, ist wenig überraschend. Genauso vorhersagbar ist die Tatsache, dass die Missionare kurz darauf vom hiesigen Militär verschleppt und in einem Lager unter übelsten Bedingungen gefangen gehalten werden. Und dass in diesem Fall nur noch Rambo helfen kann, ist obligatorisch. Wer sich nun im falschen Film wähnt, liegt irgendwie richtig: In Rambo 2 hieß der Auftrag ebenfalls Gefangene aus einem von Asiaten bewachten Lager mitten im Urwald zu befreien. Neu hingegen ist, dass Rambo diesmal tatkräftige Söldner-Unterstützung erhält.

Alter Tiger mit morschen Zähne

In jedem anderen Rambo-Teil hätte Stallone zu diesem Zeitpunkt bereits einen Killcount von gefühlten 50 Gegnern auf dem Buckel gehabt, doch nicht so bei Rambo 4: Bis auf ein-zwei erwähnenswerte Szenen gibt sich die ehemalige Killermaschine erstaunlich zahm, die Söldner räumen da deutlich mehr ab. Überhaupt wirkt Rambo eher wie ein Mitläufer, denn als Hauptprotagonist. Und genau das zehrt ein wenig an den Nerven des Zuschauers, denn die innere Stimme kreischt einem förmlich ins Gesicht, dass Rambo gleich zum Tier wird und etwa dem aufmüpfigen Söldner-Glatzkopf eins auf die Nase gibt oder mit dem kompletten Feindaufgebot aufräumt.

Und so wartet und wartet und wartet man und dann ist der Film plötzlich zuende. Rambos letzte große Kampfszene auf der Kinoleinwand ist bezeichnend für den ganzen Film: Hinter einem MG-Geschütz verschanzt bläst er zwar noch ein Patroullienboot in die Luft, doch auf den ganz großen Showdown gegen den (ohnehin blassen) Oberbösewicht muss der Zuschauer verzichten. Kein Vergleich mit dem Kampf Mann gegen Kampfhubschrauber, den man noch aus vorherigen Teilen kennt.

Brutalität als neues Markenzeichen

Was der Hauptdarsteller an Kampfszenen vermissen läßt, wird im Film durch extreme Brutalität ersetzt. Einige der Sequenzen sind sogar dermaßen derbe (beispielsweise wenn Rambo einem Gegner die gesamte Kehle rausreißt), dass die Schere angesetzt wurde -- und das, obwohl der Film ohnehin erst ab 18 Jahren zugänglich sind. Mit Abstand am unmenschlichsten ist dabei die Darstellung der Übergriffe des birmanischen Militärs auf die Zivilbevölkerung -- etwa wenn Menschen aufs Übelste verstümmelt oder gar lebensecht mit Flammenwerfern abgefackelt werden.

Dieses Szenen sind ein zweischneidiges Schwert. Natürlich dienen Sie einserseits der Effekthascherei. Andrerseits macht man sich Gedanken. Über Birma, über Gewalt und über ethnische Minderheiten. Und das wollte Stallone nach einigen Aussagen erreichen. Passend dazu auch der traurige, fast resignierte Blick des Halbindianers John James Rambo, der am Ende über das zerstörte Schlachtfeld wandert und aussagen will: Ich kann das alles nicht mehr.

Endlich angekommen

Die letzten 5 Minuten des vergleichsweise recht kurzen Streifens (knapp 90 Minuten) gehören dann auch zu den emotionalsten Momenten des Films. Endlich fühlt man sich mit dem Hauptprotagonisten verbunden, endlich hat man das Gefühl, er ist mit sich selbst im Reinen. Aber natürlich schleicht sich das Gefühl der Wehmut ein, denn während der Abspann läuft und Rambo langsam in der Ferne verschwindet, wird schmerzlich bewusst: Das war der letzte große Auftritt einer Legende des Actiongeschäfts, dem mit John Rambo zwar kein überragender, aber zumindest ein würdiger Abschied gegönnt wurde.

In diesem Sinne: Lebe wohl, alter Veteran!

8 responses to "Filmkritik: Eine Rezension zu John Rambo (Rambo 4)"

  1. Und was is denn nu das Fazit, sollte man rein gehen, kann man rein gehen, oder doch lieber auf William Shattner und Enterprise 65 warten.

    Am Anfang deiner Rezesion tendierte ich zu da muss ich rein und gegen mitte eher Richtung, warten wir auf die DVD (oder wars umgekehrt?). Wie dem auch sei, zum Ende hin war ich ziemlich umschlüssig ob ja oder nein.

  2. Ich weiß nicht, ob das in der Rezension richtig rübergekommen ist: Ich halte Rambo 4 für einen guten Film, aber ich habe mir mehr erwartet -- gerade weil mir die Figur John Rambo ein Tick zu passiv ins Geschehen eingebunden war.

    Ich hab' den Kinogang zwar nicht bereut, aber wer lieber auf die DVD in der Videothek wartet, hat auch nichts verpasst. Die Kampf- und Gewaltszenen des Films kommen natürlich beeindruckender auf der Leinwand rüber -- von diesem Aspekt her wäre das Kino natürlich zu präferieren.

    Deine Frage kann ich also mit einem klaren JEIN beantworten ;)

    Apropos Enterprise: Da kommt ja demnext auch wieder ein neuer Teil in die Kinos!

  3. Ich war am Dienstag im vierten Teil.
    Rambo ist aus meiner Sicht nicht zu passiv, denn wer ist es denn, der mit den Gegenaktionen gegen die Militaerjunta anfaengt, als sich die Soeldner hinter einem Holzzaun verkriechen?

    Stallone wollte einen realistisch gemachten Film aehnlich dem ersten Teil drehen und es ist ihm aus meiner Sicht bestens gelungen.
    Teil 2 und 3 waren uebertrieben actionlastig und unrealistisch, dennoch auf ihre Art und Weise gut.

    Fuer mich ist Teil 4 unwesentlich schlechter als Teil 1 und deutlich besser als 2 und 3.
    Bei der Endszene musste ich mein Auge trockentupfen, weil mir Popcornkruemel ins Auge gekommen waren. Echt, wirklich nur Popcorn! ;)

    Der Film ist nicht nur Action und Gewalt, der Film hat viele tiefgruendige Stellen, die nicht jedem sofort offensichtlich werden.

    Seit langer Zeit mal wieder ein richtig guter Kinofilm und ich ueberlege, ein zweites Mal reinzugehen, weil der Film aus meiner Sicht nur im Kino richtig wirkt!

    Wer also Teil 1 genial fand wird Teil 4 lieben, behaupte ich mal.

    Thoran

  4. Hallo,

    erstmal danke für deinen Kommentar. Finde ich sehr interessant, wenn es auch andere Meinungen zu dem Film gibt. Trotzdem muss ich natürlich an der einen oder anderen Stelle widersprechen:

    Sicher, Rambo hat ein paar Szenen, aber das was du beschreibst, spiegelt eigentlich meine Meinung wieder: In Rambo 4 HILFT er den Söldnern in die Puschen zu kommen und tut sich dann schwer die Frau zu befreien (wäre ja auch fast in die Hose gegangen). In Rambo 2 befreit er die Gefangenen im Alleingang. Das ist der Unterschied. Sicher, Rambo ist alt. Dadurch ist es vielleicht realistisch. Aber ich hatte halt noch ein letztes Mal 'ne Art 1-Man-Show erwartet :)

    Das was an Rambo 4 sehr realistisch wirkt, ist eigentlich die Gewalt. Einmal deshalb, weil die Art und Weise, wie die Leute dort abgeschlachtet werden, tatsächlich aus einem Krisengebiet stammen könnte. Zum anderen, weil die Auswirkungen der Waffen (z.B. bei dem Snipergewehr) irgendwie authentisch wirken.

    Teil 1 finde ich ist von der Art her anders als der vierte. Der erste hatte ne tiefgründige Story, die sehe ich beim vierten Teil ehrlich gesagt nicht. Dort ist leider vieles vorhersehbar - etwa wenn er von der Gruppe gefragt wird, ob er ihnen hilft, er erst nicht will, dann doch hilft und später natürlich zur Befreiungsaktion startet - das kommt einem irgendwie alles bekannt vor.

  5. Hmmm, was Story angeht, ja und nein. Ein irischer Professor hat mal zu mir gesagt, es gibt nur wenige Handlungsstraenge im Leben.

    Warum war es dir klar, dass er die Weicheier nach Burma schippert? Ich haette auch erwartet, so vehement, wie er die Leute davor warnt dahinzufahren, dass sie eine andere Moeglichkeit finden.
    Und der Priester ihm dann erzaehlt, dass sie verschollen sind.

    Die Story ist gut so wie sie ist. Die Tiefgruendigkeit von Teil 4 ist auch gegeben, in den ausdrucksstarken Filmszenen, die ueblen (Gemetzel=so sieht Krieg aus und nicht anders und so siehts aus wenn ein Barrett M82A2, Kaliber .50 Scharfschuetzengewehr auf Menschen abgefeuert wird...) und die nachdenklichen, wenn Rambo charaktermaessig darstellt, wie er sich fuehlen muss. Schauspielerisch ist er besser als jemals zuvor und er stellt Rambo besser dar als jemals zuvor.

    Das der ganze Storyteil halbwegs vorhersehbar, who cares? Dafuer aber schoen ausgefuehrt.
    Oder erwartet jemand bei einer Hollywoodliebesschnulze was anderes als ein Happy End?????

    Thoran

  6. Also frag mich nicht warum, aber mir war irgendwie klar, dass nachdem der Mann abblitzt war, es die Frau nochmal versuchen würde mit irgendeinem sentimentalem Spruch und einem Appell an Rambos Gewissen -- mit Erfolg versteht sich. Dass sie dafür zwei Anläufe benötigt hat, war für mich die eigentliche Überraschung.

    Schauspielerisch fand ich ihn in Copland oder meinetwegen auch in Rambo 1 um Welten besser; in Rambo 4 starrt er doch meistens nur trübsinnig in die gleiche Richtung. Sicherlich: Er wirkt in Rambo 4 authentischer als in den Hau-Drauf-Teilen 2&3, da gebe ich dir recht.

  7. Ich habe den Film gestern gesehen und fand ihn unerträglich!

    Am meisten Angst machen mir Einträge wie auf diese Seite, die den Realismusgrad der Waffendarstellung beurteilen. Wer von Euch hatte den schon mal ein "Barret M82A2, Kaliber .50 Scharfschützengewehr in der Hand, geschweige denn hat es abgefeurt. Ihr glaubt doch nicht wirklich, daß ein Kopftreffer bei der Geschwindigkeit einen Körper 10 Meterdurch die Luft schleudert, oder? Wie kann hier jemand eine Aussage wie "Das ist Krieg!" treffen, ohne je erlebt zu haben, was für unglaubliche Schrecken und welches Leid Krieg eigentlich bedeutet. Für mich ist Teil 4 die ultimative Beerdigung des wirklich guten ersten Teils. Und Teil 2 und drei waren bereits der Weg dorthin. Sylvester spielt mit der Präsenz eines Pflastersteins und den vor Pathos triefendensten One-Linern der letzten 10 Kino-Jahre. Wenn man sich mal überlegt, welche Message der Film transportiert, kann ich mir nur vor den Kopf hauen: Es gibt Länder, da sind alle Menschen so blutrünstig, das es keinen Sinn macht dort ohne Waffen aufzutauchen. Alles was dort hilft ist kistenweise Munition, mit der man die Einwohner ausstopft. Und dafür braucht man einen Mann, der auch mal wem die Kehle aufreisst, wenn er an den Arsch nicht drankommt." Ich finde das sehr sehr fragwürdig! Fazit: 0 von 5 im Winde wehnden, blutriefenden roten Strinbändern.

  8. @anonym

    Sicherlich, wer kennt schon solche Gemetzel aus erster Hand? Aber das spielt auch gar keine Rolle, denn Rambo 4 stellt die Situation in Birma brutal genug dar -- wieviel schlimmer kann es in der Realität noch sein?

    Rambo 4 ist in gewisser Hinsicht ein Stilbruch. Die alten Rambo-Teile waren meiner Ansicht nach bei weitem nicht von einer so detaillierten Gewaltdarstellung geprägt, weshalb ich Silvester Stallone am liebsten zuraunen würde: So genau wollte ich das alles eigentlich gar nicht wissen. Mir wäre lieber gewesen: Weniger Gewaltszenen, mehr Rambo 1-Man-Show.