Developer: Runic
Publisher: Daedalic Entertainment
Genre: Action-Rollenspiel
Es war einmal ein Held. Dieser stieg in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus herunter, um das ultimative Böse zu besiegen. Mit Erfolg, möchte man anmerken, denn der große Obermotz musste sich letztlich geschlagen geben. Dumm nur, dass es dem Fiesling gelang, Macht über den vermeintlichen Helden zu erlangen, diesen zu korrumpieren und damit schließlich den nächsten Finsterling zu entfesseln.
Wer diese Mär kennt, denkt vermutlich sofort an Diablo 2 – was aber leider zu kurz gedacht ist, denn eben jene Geschichte liegt auch Torchlight II, Diablos unehelichen Bruder, zugrunde.
So abgedroschen die Story, so herkömmlich auch der Spielablauf – und das ist nicht negativ gemeint: Anders als Blizzards jüngster Diablo-Vertreter versucht Torchlight 2 gar nicht erst, gameplay-verwässernden Firlefanz wie ein Runensystem oder herumliegende Manaorbs zu etablieren, sondern setzt brav auf die guten alten Tugenden, die die Schaefer-Brüder bereits in den ersten beiden Diablos erfolgreich in Szene gesetzt haben: Charakterwerte, die der Spieler noch selbst beeinflussen darf und komplexe Talentbäume, die zum Experimentieren einladen.
Hinzu kommen all die lieb gewonnen Features des Vorgängers – allen voran die äußerst nützlichen Pets, die wieder brav unseren Plunder tragen, selbstständig ver- und einkaufen und sogar ins Kampfgeschehen eingreifen können. Schön: Die Auswahl der Begleiter wurde drastisch erweitert, so dass uns nun auch eine Eule oder ein Frettchen zur Seite stehen kann. Erfreulich auch, dass die Anzahl der Klassen (Ingenieur, Vagant, Blutsteinmagier, Berserker) auf vier erhöht wurde.
Itemdrops: Endlich wieder sinnvoll
Auch das Crafting-System setzt auf Vielfalt und bietet neben dem obligatorischen Kombinieren und Einsetzen unterschiedlichster Edelsteine etwa auch das Verzaubern der Ausrüstung. Wer sich in Diablo 3 schon immer darüber geärgert hat, dass die Itemdrops eher dem Auktionshaus, denn dem eigenen Charakter förderlich sind, darf zudem aufatmen: Die Anzahl und Qualität der Gegenstände scheint wesentlicher sinnvoller zur aktuellen Heldenstufe zu passen.
Grafisch orientiert sich Torchlight II am bunten Comiclook des Vorgängers, obschon Polygonanzahl und Texturqualität wesentlich verbessert wurden. Auch befinden wir uns nun nicht mehr nur in öden Dungeons, sondern wechseln regelmäßig zwischen sehr detailliert gestalteter Oberwelt und spannenden, mit zahlreichen Zwischenbossen gespickten Dungeons. Nur in Sachen Story gibt sich das Spiel äußerst puristisch: Zwischen den vielen Quests erwarten uns nur wenig Storyfetzen und selbst diese sind ob der spartanischen Präsentation nicht gerade ein Hingucker – eine dichte Atmosphäre will manchmal nicht so recht aufkommen.
Ohne Online-Zwang
Positiv darf neben all der spielerischen Stärke des Titels auch das Thema DRM-Freiheit gewertet werden: Wer will, kann sich das Spiel zwar via Steam erwerben, aber in der uns vorliegenden deutschsprachigen Version, für die Daedalic Entertainment als Publisher fungiert, gibt es bis auf eine kleine Registrierung zu Anfang keinerlei Online-Zwang – und das gilt natürlich auch (selbst wenn man es mittlerweile nicht mehr gewöhnt ist) für den mitgelieferten LAN-Modus.
Apropos deutschsprachig: Auch wenn sich die Textpassagen bei Action-Rollenspielen überschaubar sind, so hat sicherlich niemand etwas gegen die (optionale) deutsche Übersetzung einzuwenden, die von Daedalic weitgehend fehlerfrei in Szene gesetzt wurde. Ebenfalls positiv: Torchlight 2 gibt es mit Packung für sehr schmale 20 Euro im Handel zu erwerben – da werden auch die Sammler unter uns glücklich.
Fazit: Pflicht und Kür
Wichtig is aufm Platz, ja das ist schon was dran. Und wenn es wirklich nur darum ginge, was sich rein vom Gameplay her auf meinem Bildschirm abspielt, zöge Torchlight II locker an Diablo 3 vorbei. Aber aufm Platz ist eben nur die Pflicht, das Drumherum zählt zur Kür. Und hier fehlen dem Titel mit seinem Indie-Charakter und dem überragenden Preis-/Leistungsverhältnis eben diese paar Prozentpunkte, um an einem Triple-A-Titel wie Diablo 3 vorbeizuziehen. Dafür profitiert der große Bruder dann doch zu sehr von der (deutlich) größeren Atmosphäre, die aus einer Kombination aus fulminanten Zwischensequenzen, tiefgehenderer Story, grafischer Präsentation und morbideren Look erzeugt wird.
Muss sich Torchlight 2 dafür schämen? Mit Sicherheit nicht! Was die Jungs von Runic für schlappe 15-20 Euro auf den Markt geworfen haben, ist in Anbetracht des Budgets nichts weniger als eine kleine Meisterleitung und vor allem ein Schlag ins blizzardische Gesicht, denn das Runic-Hack&Slay legt die Finger ziemlich gut in jede Diablo 3-Wunde, die Fans und Kritiker im Laufe der letzten Monate aufgerissen haben.
Was wir mit Torchlight II also letztlich bekommen haben, ist ein sehr klassischer Action-Rollenspiel-Titel, das das Genre zwar nicht weiterentwickelt, aber das dessen Grundpfeiler auf das höchste Niveau bringt. Wem es ausreicht, die pure Hack&Slay-Essenz des stetigen Klick-Klick-Itemdrop-Prinzips in sich aufzunehmen, wird bei diesem Spiel sein El Dorado finden.
Wertung: 10/12