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Altaïr -- welch wohlklingender Name. So geheimnisvoll und schnittig zugleich. Und dann sieht der Kerl auch noch verdammt gut aus mit seiner weißen Meuchelmörderkutte und diesem modischen Waffengurt, den er lässig um die Hüfte trägt. An Altaïr ist äußerlich nichts auszusetzen - und damit passt er perfekt in die Spielwelt von Assassin's Creed 1, das seinerzeit optische Maßstäbe setzte und eine Sandbox-Umgebung vorgaukelte, die mehr versprach als sie spielerisch zu halten im Stande gewesen war.

Als der unvermeidliche Nachfolger angekündigt wurde, konnte ich eine leichte Skepsis nicht verhehlen: Würde es Ubisoft, deren Spiele zwar meist künstlerischen Wert haben, aber spielerisch zu oft den Tiefgang vermissen lassen, wirklich schaffen, aus einer lahmen Gameplay-Ente einen flotten Assassinen-Adler zu zimmern? Und das ausgerechnet im Italien der Renaissance, einer Epoche, die mir um ein Vielfaches weniger gefällt als das verträumt-orientalische Kreuzzugs-Szenario des ersten Teils? Nun, nach gut 12 Stunden in Florenz, Venedig und Co. steht fest: Ezio, der Name des neuen Assassinen, mag vielleicht nicht mehr so cool klingen wie der seines Vorfahren, aber dafür ist es tausendfach spannender, mit dem Kerl über die Dächer Italiens zu flitzen.

Grafik: Künstlerisch wertvoll

Was Assassin's Creed 2 vor allen anderen Dingen ausmacht ist noch immer die grafische Gestaltung. Sahen Akkon und Jerusalem schon unverschämt gut aus, so können die Entwickler mit Venedig und Florenz nochmals gehörig einen draufsetzen. Solch wunderhübsche Stadtarchitektur bekommt man in einem Videospiel höchst selten zu Gesicht. Ausgezeichnet geben sich auch die Animationen des Protagonisten und seiner Umgebung: Blühendes Leben auf den Straßen und tolle Kampfanimationen, die es in manchen Einstellungen mit den aufregenden Kombomoves eines Arkham Asylum aufnehmen können, erfreuen das Herz mit optischen Hochgenüssen.

Die Performance bleibt dabei erfreulich stabil und nur selten trüben die im Vorfeld völlig überwerteten Tearing- und FPS-Probleme das Bild. Vielmehr sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Darstellung schärferer Texturen und einiger grafischer Details (etwa eine üppigere Vegetation) bei sehr schneller Fortbewegung etwas zu spät einsetzt. Generell können die Texturen, besonders jene, die die Gesichter verzieren, sich nicht mit den knackscharfen Überzügen der Unreal 3-Engine messen, die in Batman: Arkham Asylum Verwendung fanden.

Story: Stark inszeniert

Spielerisch gibt sich der zweite Teil des Meuchelmörder-Epos wie eine Mischung aus Uncharted und seinem Vorgänger. Besonders die Kletterpassagen in Kirchen und ähnlich imposanten Gebäuden erinnern stark an Drakes Freeclimbing-Erfahrungen aus Uncharted 1. Was Assassin's Creed 2 beiden Spielen voraus hat, ist die stark inszenierte Story: Diese ist wunderbar eingebettet, spannend erzählt und treibt den Spieler unerbittlich zum Weiterspielen an: Man möchte wissen, wie es mit Ezio und seinem Rachefeldzug weitergeht und mit welchen neuen Erfindungen uns Ubisofts leicht abgedrehte Version des Leonardo da Vinci zu beglücken weiß.

Zusätzlich haben es sich die Entwickler nicht nehmen lassen, einen leichten Rollenspielpart in das Spiel einzubauen (man darf sich nun seine Ausrüstung zusammenkaufen) und, und das finde ich als Strategiefan allerliebst, sogar einen Hauch Wirtschaftssimulation einzubringen: Wer es bis in die Auditore-Villa in der Toskana schafft, darf mit seinem erbeuteten Geld die Stadt und das Haus sanieren und die dadurch erzielten Steuereinnahmen in bessere Ausrüstung investieren.

Durch die enge Verzahnung zwischen Geschichte und Gameplay bleibt kaum Gelegenheit für Standardaufgaben oder Wiederholungstäter; die stark repetiven Aufgaben des Vorgängers gehören entweder der Vergangenheit an oder wurden so schön verpackt, dass es gar nicht auffällt, wenn man letztlich doch nur gegen die Zeit über die Dächer Florenz spurtet. Fakt bleibt, dass auch Ezio die Krone des Ober-Kletteräffchens für sich in Anspruch nehmen: In keinem anderen Spiel schafft es der Protagonist, sich so geschmeidig an Wänden hochzuziehen oder so temporeich von Vorsprung zu Vorsprung zu hüpfen.

Aber auch Actionfreunde kommen vor allem aufgrund des aufregenden Waffenarsenals und den ansehnlichen Kombo-Animationen auf ihre Kosten. Und wer es lieber wie Dieb Garrett aus der Thief-Reihe hält, darf natürlich die naturgegebenen Möglichkeiten eines jeden Meuchelmörders für sich in Anspruch nehmen, zum richtigen Zeitpunkt unsichtbar für etwaige Häscher zu werden.

Fazit

In Sachen Action-Adventures wiegen sich Konsoleros derzeit im Glück. Das gilt insbesondere für jene Zeitgenossen, die eine PS3 im Wohnzimmer stehen haben, denn die vergangenen sechs Monate bescherten uns mit dem hervorragenden Uncharted 2, dem grandiosen Batman: Arkham Asylum und dem jüngst erschienenen Assassin's Creed 2 drei echte Spitzentitel, die jedem Gamer-Gourmet das Wasser im Munde zusammen laufen lassen. Dass insbesondere Assassin's Creed 2 nicht zugetraut wurde, den wiederholenden Spielverlauf seines Vorgängers in den Griff zu bekommen, führt nun dazu, dass sich der zweite Teil des Meuchelmörder-Franchises zu meinem absoluten Überraschungstitel gemausert hat.

Konnte mich schon Uncharted 1 stark begeistern, so überflügelt AC 2 diesen Eindruck mit geradezu erschreckender Leichtigkeit. Dies ist zum großen Teil der toll in Szene gesetzten Story zu verdanken, die im Action-Adventure-Bereich deutlich über dem angesiedelt ist, was der Spieler sonst so als zusammenhaltender Kleister zwischen den nächsten Jump-and-Shoot-Sequenzen präsentiert bekommt. Technisch ist Assassin's Creed 2 nicht unbedingt State-of-the-Art, aber rein künstlerisch darf der Titel getrost als Meisterwerk bezeichnet werden: Die Architektur und die Fülle an Details lässt geradezu erahnen, welche Mühen in diesen Titel investiert worden sein müssen.

Unterm Strich muss ich vor Ubisoft Montreal den Hut ziehen: Sie haben mich deutlich eines Besseren belehrt und aus einer spielbaren Tech-Demo ein echtes Spitzenspiel entwickelt, das in meinen persönlichen PS3-Favorites den ersten Platz vor Uncharted und Batman: Arkham Asylum eingenommen hat. Jetzt gibt es im Grunde nur noch ein Spiel, das das Potential hat, diesen Eindruck zu toppen: Es hört auf den Namen Uncharted 2 und gilt als das derzeit beste PS3-Spiel. Wird langsam Zeit, sich ein eigenes Bild davon zu machen :)

Wertung: 11/12

3 responses to "Sothis Review: Assassin’s Creed 2 (PS3) Test"

  1. "In Sachen Action-Adventures wiegen sich Konsoleros derzeit im Glück. Das gilt insbesondere für jene Zeitgenossen, die eine PS3 im Wohnzimmer stehen haben"

    Bei Uncharted hast du wohl recht. Aber die anderen beiden Spiele gibt es (bzw. wird es geben) sowohl für die 360, als auch für den PC.
    Und gerade der PC hat mittlerweile grafisch die Konsolen wieder überholt. Da braucht man sich nur Dragon Age, Dirt 2 oder Batman anzuschauen.
    Und fast alle Multiplattfor-Spiele, sehen auf der XBox besser aus und machen weniger Probleme, als auf der PS3.
    PS3 exklusive Titel wie Uncharted (2) stechen da dann um so mehr heraus, weil sie zeigen, was die PS3 könnte, wenn die Entwickler sich denn die Zeit zum optimieren nehmen würden.

  2. Oho, hört sich wie der Beginn eines Flamewars an ;o)

    Dazu möchte ich einfach mal folgende Punkte loswerden:

    - Ich beziehe mich ja explizit auf die Action-Adventures und in diesem Bereich steht mit Uncharted 2 wohl der beste Vertreter aller Zeiten exklusiv der PS3 zur Verfügung. Deshalb gilt diese Aussage insbesondere für PS3-Besitzer.

    - Was den Vorteil gegenüber der PC-Plattform ausmacht: Es ist nicht nur, dass einige Action-Adventures gar nicht auf dem PC erscheinen (auch hier sei wieder die Uncharted-Reihe genannt), sondern im Falle von Assassins Creed 2 eben auch deutlich früher.

    - Dragon Age & jedwede Egoshooter würde ich auch nie auf ner Konsole spielen ;)

    - Jep, PCs sind grafisch vornauf (wenn sie denn jemals hinter den Konsolen gelegen haben). Hab ich schon erwähnt, dass der PC meine Lieblingsplattform ist? :)

    - Auf der PS3 zu entwickeln ist einfach sehr kompliziert und 7 Kerne einer vergleichsweise unbekannten Architektur so auszunutzen, dass dabei ein vernünftiges Spiel rauskommt, schaffen scheinbar nur richtig gute Teams.

    Wie man an Uncharted 2, Killzone 2 und einigen anderen Titeln aber gut erkennen kann: Wenn ein gutes Team dran sitzt, kann die Box der PS3 nicht das Wasser reichen. Ich glaube ehrlich gesagt auch, dass bei der Box technisch gesehen das Ende der Fahnenstange erreicht ist -- bei der PS3 dürfte das maximale Potential noch auszuschöpfen sein -- und umso mehr Zeit ins Land geht, umso besser werden die Ergebnisse.

  3. Nein, sicher kein Flamewar. ;) :D
    Erstens denken wir in den meisten Punkten eh gleich und zweitens kommt demnächst eh noch ne PS3 in mein Haus.
    Auch nicht-exklusive Titel könnten auf der PS3 besser sein als auf der 360. Dazu müssten sich die Entwickler aber wie gesagt die Zeit nehmen, ihre Spiele auf diese Konsole optimal anzupassen.
    In einem Punkt wird die 360 der PS3 in meinen Augen aber immer überlegen sein und das ist der Controller. Ich zocke gerade God of War 1 auf der PS2 und finde den Controller mittlerweile nicht mehr gut. Zu sehr habe ich mich an die Ergonomie des 360 Controller gewöhnt. Das fängt bei der Größe an (der PS1/2/3 ist einfach arg klein) und hört bei den idiotischerweise nach außen gewölbten Analogsticks auf.
    Aber ansonsten hat die PS3 viele Dinge, die sie besser macht als die 360.
    Achja... mit Gears of War gibt es auch auf der 360 zwei Spiele, die man auf keinen Fall verpasst haben sollte. Und mit Alan Wake kommt hoffentlich bald noch eins dazu.