Zwei Tage Brütal Legend aus der Videothek -- reicht das für eine komplette Einschätzung des Spiels? Keine Ahnung. Sollte es reichen, um entscheiden zu können, ob man sich das Spiel kaufen möchte? Sicherlich ja! Und soviel sei vorweggenommen: Auch wenn Brütal Legend auf seine Weise außergewöhnlich ist, bin ich froh, dass es bei der 3 Euro Verleihmiete geblieben ist.
Wer sich in den letzten Tagen die URL einschlägiger Onlinespielemagazine in die Adressleiste seines Browsers eingegeben hat, wird desöfteren auf Brütal Legend-Reviews gestoßen sein, die zum Großteil überschwengliche Wertungen verteilen. So resümiert die normalerweise überkritische 4Players-Redaktion mit sehr guten 85%, Gamona läßt sich sogar zu einem satten 90er hinreißen und auch andere Online-Publikationen können gar nicht genug Ehrerbietung für Tim Schafers neuestes Spiel aufbringen -- vielleicht die Gegenreaktion geboren aus einem schlechten Psychonauts-Gewissen.
Brütal Legend ist ein Hack&Slay-Strategie-Mischmasch, das seine Faszination vor allem aus dem stilgebenden Rock- und Heavy-Metal-Szenario gewinnt und das Ganze, Tim Schafer üblich, mit einer großen Portion Humor und Selbstironie überzieht. Die Elemente, die das Spiel zum Aufbauen dieser großartigen Atmosphäre verwendet, sind dabei ein Mix aus deftiger Metalmucke, Auftritte bekannter Rocklegenden (Motörhead-Lemmy und Prince of Nuschelness Ozzy Osbourne seien an dieser Stelle genannt), jeder Menge Klischees und einem überragenden Jack Black, der quasi Pate für die Spielfigur des Eddie Riggs gestanden haben muss. Wer sich von diesem ganzen Drumherum einsaugen läßt und dabei in nostalgische Gefilde abdriftet, wird in Tim Schafers Welt geradezu versinken. Wem dies nicht gelingt, betrachtet sich nüchtern die dargebotenen Spielelemente und kommt zu folgenden Ergebnis:
Das Hack&Slay-Gehaue ist gut gemacht, aber eben nicht überragend. Die Strategiesequenzen sind eine nette Idee, wirken aber durch ihre unübersichtliche Art seltsam aufgesetzt. Die Grafik passt zwar zum vorgebenen Szenario, ist technisch allerdings veraltet und gefällt mit seiner stark überzeichneten Art auch stilistisch nicht unbedingt jedem und erinnert interessanterweise stark an den Shiny-Klassiker Sacrifice. Für ein Open World-Spiel wirkt das Spiel auch stückweise zu karg und zu belanglos -- eine Einladung zum Erkunden der Spielwelt sieht anders aus. Und ein Punkt, der mich ganz besonders gestört hat, bleibt an dieser Stelle nicht unerwähnt:
Zumindest in der deutschen Variante passt die Sprachausgabe in der Abmischung überhaupt nicht zur restlichen Soundkulisse. Mal ist sie laut, mal ist sie leise, mal brabbelt jemand irgendwas vor sich her, das man durch die Hintergrundmusik gar nicht richtig versteht -- und desöfteren hat man das Gefühl, dass das Timing der Sätze nicht zu den Aktionen passen, die gerade auf dem Bildschirm passieren. Das ist sehr bedauerlich, denn der Roadie, den der Spieler verkörpert, liefert zu alles und jedem einen witzigen Kommentar ab, der aber in seiner Wirkung desöfteren verpufft. Schade.
Was das Spiel an Negativpunkten auf die Waagschale wirft, wiegt es glücklicherweise durch viele nette Ideen und den besagten Humor wieder auf. Dass man etwa zu jeder Zeit einen fahrbaren (und natürlich sehr stilgerechten) Untersatz mittels eines Gitarrenriffs (Guitar Hero läßt grüßen) herbeirufen kann, entsendet Dankbarkeitsgelöbnisse in Richtung der Entwickler -- zumal sich das Ding auch noch göttlich steuern läßt. Und das Betrachten der genialen Ingame-Zwischensequenzen macht zum großen Teil mehr Laune als das Spielen an sich.
Fazit:
So manch einer wird mich nun in die Metal-Hölle wünschen, aber Brütal Legend ist in meinen Augen überbewertet. Das außergewöhnliche Szenario und der hervorragende humoristische Aspekt des Spiels hieven das Spiel auf eine Ebene, auf der das Gameplay für sich genommen einfach nicht mithalten kann. Elektrisierende E-Gitarren, headbangende Muskelstränge und blutfontänen-erzeugende Doppeläxte sind für eine gewisse Zeit eine recht feine Sache, aber dauerhaft kann vor allem der chaotische Strategiepart bei mir nicht punkten. Deshalb empfehle ich jedem, sich die Sache mit den 60 Euro genau zu überlegen -- wozu gibt es schließlich Videotheken?
Wertung: 8/12