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Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Computerspielwelt für Wirschaftssimulations-Puristen noch in Ordnung: Nie zuvor und selten danach produzierten (vornehmlich) deutsche Entwickler derartig viele Strategiespiele zu völlig unterschiedlichen Themengebieten, die, egal ob es nun um Weinanbau oder Kohlegewinnung ging, im Kern doch alle eines gemeinsam hatten: Das Ziel, virtuelles Geld zu verdienen.
Die Speerspitze und die einzige lebendig gebliebene Serie jener Zeit hört auf den Namen Der Patrizier und entstammte ehemals aus den Reihen des Gütesloher Entwicklerstudios Ascon, das sich Jahre später in Ascaron umbenannte und mit Sacred 2 den letzten großen Erfolg verbuchen konnte, bevor der Insolvenzverwalter zuschlug. Patrizier IV erscheint deshalb unter der Schirmherrschaft Kalypso Medias, also jenem Publisher, der sich schon für die sehr erfolgreiche Reaktivierung der Tropico-Reihe verantwortlich zeichnete.

Dem zeitlichen Rahmen entrückt

Patrizier-Veteranen (besonders die des zweiten Teils) und auch all’ jene, die Ihre Jugend mit Hanse, 1869 – Hart am Wind und Elisabeth I. vergeudet haben, wird Patrizier IV ungeheuer vertraut vorkommen. Und genau damit beginnt das eigentliche Dilemma, denn der Titel wirkt auch aufgrund des aussterbenden Subgenres der Handelssimulationen seltsam der Zeit entrückt, schließlich heißt das Hauptziel stets Geld und noch mehr Geld zu scheffeln – frei nach der Maxime Billig einkaufen, teuer verkaufen. Geldvermehrung zum Selbstzweck quasi, denn ein echtes Endgame, also ein Leben nach der Kontoanhäufung, kennen solche Spiele nur in rudimentärer Form. Und genau das wirkt im Jahre 2010 anachronistisch.
Dabei macht es der vierte Patrizier, der eigentlich der dritte Patrizier ist, eigentlich recht gut: Durch erarbeitete Rangstufen erringt der Spieler neue Rechte und Pflichten, darf sich etwa den hiesigen Gilden anschließen, mit Landesfürsten auseinandersetzen oder Expeditionen in entlegenere Gebiete wagen, die lukrative Warenimporte versprechen. Zusätzlich bringt eine Reihe unterschiedlicher Aufträge etwas Abwechslung ins Spiel, doch im Grunde ist es egal, ob man einen Piraten aufbringt, für die Hanse einen König beschwichtigt oder bestimmte Waren innerhalb eines Zeitlimits von A nach B bringt: Letztlich läuft es nur auf eines heraus -- den eigenen Kontostand zu mehren.

Leichter Einstieg

Wenn man den Entwicklern lobend auf die Schulter klopfen möchte, dann auf jeden Fall zur wunderschönen Lern- und Erfolgskurve, die von gut gemachten Tutorialvideos unterstützt wird. Selten wurde ein Spielsystem, das im Kern recht komplex und ein klein wenig dröge daher kommt, so schonend eingeführt und nicht oft konnten Anfänger bei einer Handelssimulation derart schnell Anfangserfolge einfahren.
Überraschend einsteigerfreundlich ist dabei die Möglichkeit, Konvois mehr oder weniger komplett von der CPU steuern zu lassen: Man gibt nur noch die Zielstädte und die zu handelnden Waren ein und Ein- und Verkauf übernimmt der Computer vollautomatisch. Ein Feature, das in der Community bereits heißen Diskussionsstoff geliefert hat.
Doch der Eindruck täuscht: Auch wenn es hier und da immer mal Kommentare gibt, die behaupten, dass Patrizier IV dadurch derartig weichgespült sei, dass Fortgeschrittene keinerlei Herausforderung finden, kann ich zumindest für Version 1.1.3 Entwarnung geben: Komplett automatisierte Handelsrouten sind selten besonders lukrativ und decken zum Teil gerade einmal die laufenden Kosten ab. Spätestens wenn der zukünftige Eldermann mit großflächigen Produktionen an den Start geht, ist genaueste Handelsroutenoptimierung angesagt, sonst verspielt man sich mit Überangeboten oder Hamsterkäufen ganz schnell die Sympathien einzelner Städte – und deren Wohlwollen ist wichtig, da einem sonst sämtliche Optionen zur hiesigen Gilde verwehrt bleiben.
Überhaupt ist es erfreulich, dass man nun zu großen Teil ohne Zettelwirtschaft und Exceltabellen auskommt: Mittels einem Balkensystem lässt sich stets gut erkennen, welche Waren gerade knapp bemessen und besonders teuer oder eben das genaue Gegenteil sind. Trotzdem wünscht man sich das eine oder andere Mal etwas mehr Feedback vom Spiel: Zwar gibt es eine Chronik, die die wichtigsten Ereignisse aufführt, doch warum einem auf der Seekarte beispielsweise desöfteren Kanonengeballer um die Ohren fliegt und welche Auswirkungen dies auf meine Schiffe hat, bekommt der Spieler nur indirekt mit. Auch wie viele Bettler sich derzeit in der Stadt befinden oder wann meine Kapitäne eine Stufe in Ihren Attributen aufgestiegen sind, verschweigt das Spiel.

Verschachtelte Menüs

Leider ist nicht alles an Patrizier IV intuitiv. Eigentlich ist oft das genaue Gegenteil der Fall: Viele Statistiken und Optionen sind recht verschachtelt untergebracht oder fehlen ganz. Teils wurden auch unnötige Designentscheidungen getroffen: Warum etwa ein einzelnes Schiff erst zu einem Konvoi umgewandelt werden muss, damit die Hansemeere befahren werden dürfen, wissen nur die Entwickler allein. Und wer dann sein Schiff mit Waffen ausgerüstet hat, um es gegen einen Piraten zu schicken, wird entsetzt feststellen, dass er gar keine Kampfschiffe deklariert hat – diese verstecken sich ebenfalls als Option in einem gut versteckten Tab. Schade auch, dass Fenster nicht verschiebbar sind und sich Menüpunkte, die außerhalb des Fensters liegen, nicht klicken lassen, so lange eben dieses geöffnet ist – alles kleine Designpatzer, die in der Summe etwas nerven.

Tücken der Technik

Patrizier 4
Wer sich vorab schon einige Screenshots des Spiels angesehen hat, wird eventuell leicht die Nase gerümpft haben: Das Gezeigte entspricht nicht unbedingt den Grafikstandards, die seit Anno 1404 und Die Siedler 7 erwartet werden und auch Tropico 3, als Konkurrenz aus eigenem Hause, macht technisch einen deutlich besseren Eindruck. Doch Vorurteile sind fehl am Platze: Die Patrizier IV-Engine erfüllt ihren Zweck, sieht in laufenden Betrieb durch einige Stadt-Animationen und den Jahreszeitenwechsel teils sogar recht hübsch aus. Nur die Sounduntermalung kommt nicht über ein Mittelmaß hinaus, was übrigens auch für den Schiffskampf gilt, der als nettes Minispielchen durchgeht, aber glücklicherweise auch automatisch ausgefochten werden kann.
Schwerer wiegt da schon die Entscheidung, Freunde des gepflegten Multiplayerspiels auszuschließen, denn der Patrizier IV bietet weder einen Hotseat-, noch einen Netzwerkmodus. Und das bei einem Genre, das in seinem tiefsten Inneren für Mehrspielerpartien geradezu prädestiniert ist.
Erstmalig verlangt Kalypso bei einem Spiel übrigens eine Online-Registrierung nebst Kontoverknüpfung. Diese ist allerdings sehr harmlos gehalten: Wer nach der Registrierung keine Internetverbindung besitzt, kann das Spiel trotzdem jederzeit nutzen.

Fazit: Ein Spiel für heimelige Winterabende

Um an Patrizier 4 Spaß zu haben, muss einem kaufmännisches Blut durch die Adern rinnen, denn der stete Kreislauf aus Einkauf, Verkauf, Produktion und Routenoptimierung ist, ungeachtet der Möglichkeiten, die neue Ränge bringen, das eigentliche Highlight des Spiels und dank der damit einhergehenden Tüftelei nicht jedermanns Sache.
Und damit wären wir schon bei der Crux der Neuauflage: Vor 15 Jahren waren Spieler mit solcherlei Minimalismus zufrieden, doch spätestens seit Die Gilde erwartet man von einer Wirtschaftssimulation einfach mehr Tiefgang. Und den gäbe es beim aktuellen Patrizier eigentlich auch -- immerhin lassen sich im späteren Spielverlauf einige Gebäude zum Wohle der Allgemeinheit bauen und sogar ganze Städte gründen. Doch der Konjunktiv lässt es schon erahnen: Ein neues Spielgefühl transportieren diese Spielelemente nicht und so bleibt mit jedem neu erworbenen Rang die Sehnsucht nach mehr Möglichkeiten weitgehend unerfüllt.
Wer sich allerdings erst einmal damit abgefunden hat, dass Patrizier IV im Kern einfach eine reinrassige Handelssimulation ist, dem sind viele erfreuliche Stunden im gemütlicher Atmosphäre gewiss, denn das Hintergrundklimpern des steten Geldeingangs lässt den Händler in uns trotz (einiger weniger) Designpatzer frohlocken. Dazu trägt bei Einsteigern vor allem die gut in Szene gesetzte Kampagne bei, die letztlich als ein stark erweitertes Tutorial betrachtet werden kann und damit wohl die größte Stärke im Vergleich zum Vorgänger ist.
Alles in allem stellt Patrizier 4 eine gelungene Modernisierung seines Vorgängers dar, steht dadurch allerdings auch nicht auf einer Stufe mit seinen deutschsprachigen Aufbaukollegen aus der Anno- oder der Siedler-Reihe. Das war bei dem vermutlich recht begrenzten Budget und der vergleichsweise kurzen Entwicklungszeit aber auch nicht zu erwarten.
Der einzig echte Vorwurf, den ich den Entwicklern daher machen möchte, ist der fehlende Multiplayermodus, der mich zumindest im Ur-Patrizier für viele viele Stunden beschäftigt hat. Denn eins ist sicher: Obwohl sich die KI beschwert, sobald wir uns in einer ihrer Städte ausbreiten: Die Reaktion eines menschlichen Spielers, der dabei zusehen muss, wie wir ein lukratives Geschäft nach dem anderen abschließen, kann dies nicht ersetzen :)
Wertung: 9/12

1 response to "Review: Patrizier IV 4 - Test / Fazit (PC)"

  1. Schön geschrieben. Hört sich alles auch ganz gut an doch das Spiel kostet noch 45 Euro. Das ist mir noch zu teuer. Vielleicht wenn es mal 30 kostet schlag ich zu.