Vorwort: Der folgende Beitrag darf als kleiner Teaser für unser nächstes Spielwiese Podcast-Thema angesehen werden und gibt schon mal einen guten Einblick darüber, wie meine Argumentationskette im Gespräch mit Kawie aussehen könnte.

Nostalgie ist ein gefährlicher Wegbegleiter: Viel zu oft erinnert man sich an die "gute alte Zeit" und hadert mit der derzeitigen Situation, die nicht ansatzweise mit dem mithalten kann, was man in der Vergangenheit erlebt hat. In meinem Fall trifft diese Beschreibung hauptsächlich auf Online-Rollenspiele zu, denn nicht selten ertappe ich mich bei der Aussage: "Das war in Everquest doch viel besser gemacht".

Nostalgie ist bisweilen trügerisch und so fällt es einem schwer, zu unterscheiden, was früher wirklich besser war oder was einem nur in einem besseren Licht erscheint. Faktisch kann das 10-Jahre alte Everquest 1 weder mit seiner Grafik, noch mit der komfortlosen Bedienung punkten. Das Spielgefühl ist aber auch heute noch einzigartig und gibt dem Teilnehmer Freiheiten, die sich in nachfolgenden Konkurrenzprodukten zum großen Teil nicht finden lassen. Und wie ich selbst vor einiger Zeit feststellen durfte, kann ein Spiel wie Everquest selbst heute noch Spaß machen.

Wozu Nostalgie zusätzlich führt ist das eigentliche Thema meine Artikels, nämlich der Müdigkeit, neue MMORPGs überhaupt zu spielen. Nach Meridian 59, das mich besonders aufgrund des Community-Aspekts sehr faszinierte, schaffte es nur noch Everquest, zum Teil Dark Age of Camelot und dann noch World of Warcraft mich bei der spielerischen Stange zu halten. Letzteres perfektionierte das Everquest-Konzept mit einem sehr eingänglichen Questsystem und vielen kleinen Details, die heutzutage als Standardschablone der meisten neueren MMORPGs hergenommen werden, büßte aber auch einen Teil der großen spielerischen Freiheit ein, die Everquest ausgemacht hat.

MMORPG-Übersättigung

Doch nach zweijähriger WoW-Karriere war für mich Schluss, ich war übersättigt von dem 08/15 Questkonzept, der ewigen Jagd nach EXPs, den Raids -- einfach allem. Das Problem hierbei: Dieses Gefühl hat sich beinahe nahtlos bei mir gehalten. Verharrte ich vor einigen Jahren noch auf dem Standpunkt:

Offline-Rollenspiele, ja generell nicht vernetzte Computerspiele sind tot, lang lebe das MMORPG!

bin ich mittlerweile fast vollständig von dieser Meinung abgekommen. Vielmehr empfinde ich MMORPGs mittlerweile als Zeittöter ohne Sinn. Man erlebt bei Weitem nicht so schöne Geschichten wie sie in einem Dragon Age vorkommen. Man klopft meist angeödet auf Monsterhorden ein, die einfach nur zum Levelaufstieg dienen. Und selbst der Communityaspekt, der ein Onlinerollenspiele von allen anderen Genres abgrenzen sollte, ist meist nur noch nervig, weil ein nicht geringer Teil der Spielerschaft ignorantes bis asoziales Verhalten an den Tag legt.

In MMORPGs herrscht zu großen Teilen der Wettbewerb untereinander und da fällt vieles flach, was unter dem Begriff Kommunikation fällt. Besonders schlimm darf hier der mit Teamspeak eingeführte Zwang zum Voicechat genannt werden: Wer sich nicht freiwillig zusabbeln lässt und lieber Oldschool per Textchat versucht, ein Gespräch aufzubauen, wird in Gilden entweder gar nicht akzeptiert oder einfach ignoriert. Wenn man sich überlegt, dass vor einigen Jahren noch sämtliche Everquest-Raids über ausgefeilte Chatnachrichten stattfanden, ist hier eine Umkehr von 180° hin zum Voicechat zu begutachten -- eine Wende, die mir persönlich noch nie behagt hat.

Ich habe seit World of Warcraft viele Versuche gestartet, an altes MMORPG-Feeling heranzukommen: Weder Age of Conan, noch Warhammer Online, Vanguard, Everquest 2, Spellborn, Champions Online oder AION haben es geschafft, bei mir dieses (Sucht-)Gefühl wieder auszulösen. Bei den besseren Titeln habe ich zumindest noch die Anfangszeit mit einiger Motivation überbrücken können; bei vielen anderen Titeln fiel es mir bereits schwer, nach Annehmen der ersten Standardquests (ganz schlimm bei Champions Online) eine Grundmotivation aufrecht zu erhalten, um die nächsten Stunden zu überbrücken.

Ein gutes Beispiel für eine solche Abwehrreaktion ist der Asia-Grinder AION, der mit einer gehörigen Portion WoW auch in unseren Gefilden punkten wollte. Meine hierzu produzierte Videoserie beruht im Prinzip nur auf eine moderate Anzahl an tatsächlichen Spielstunden -- das Spiel selbst habe ich über die Betaphase hinaus (was viele Zuschauer verwundert hat) aus Anödungsgründen nie angefasst. Wenn sich bei einem MMORPG Langweile breit macht, helfen nur zwei Dinge: Eine gute Gilde oder die Aussicht, dass geniale neue Fähigkeiten, Zaubersprüche und Gebiete auf einen warten, die das Ertragen der Langweile rechtfertigen. Beides konnte ich bei AION nicht vorfinden.

Fragen über Fragen

Die alles entscheidende Fragen, die über diesem Artikel schweben, sind also folgende: Liegt es an mir? Oder liegt es an den Spielen? Ist die Branche mittlerweile einfach innovationslos? Habe ich schon zu viel gesehen und gespielt? Bin ich der ganzen Spielerei gar "entwachsen" und habe meine Prioritäten hin zu wichtigeren Themen meines Lebens verschoben? Schwierig zu sagen. Fakt ist: Auch jetzt Spiele ich alles Mögliche quer durch die Bank weg: Entzückt durch Asssassins Creed 2 auf meiner PS3, begeistert von Modern Warfare 2 und Dragon Age auf dem PC, gerne eine Runde Advance Wars spielend auf dem Nintendo DS.

Nur bei aktuellen MMORPGs sträuben sich bei mir derzeit die Nackenhaare. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, mich in eine Situation zu begeben, in denen ich mich abermals gelangweilt durch Instanzen und Monsterhorden quäle. Mein letzter Versuch war die Beta zu Star Wars: The Old Republic. Dem teuersten Online-Rollenspiel aller Zeiten. Selten habe ich mich so gelangweilt, wie in diesen paar Stunden. Was uns das über mich oder den aktuellen Stand der MMORPGs aussagt, stelle ich hiermit gerne zur Diskussion

4 responses to "Von der Lustlosigkeit auf neue MMORPGs"

  1. Jaja, die gedanklich "Gute alte Zeit"...

    Nun ich denke das "wir" (die alten Herren, des MMOG) uns etwas verloren fühlen liegt, so denke ich doch zum großen Teil doch an uns.

    Früher waren MMOG's, kantig, ungehobelt und zu weiten Teilen benutzer unfreundlich. Entweder man fand sich damit ab, oder man lies es bleiben. Für die, welche sich aber damit abgefunden haben fand sich eben eine Zielgruppe die das Spiel interessant machte. Hier als Beispiel Meridian59, bei weitem kein MMOG aus heutiger Sicht, aber Leute die es spielten waren Charakterköpfe.
    Was das Spiel an Mechanik nicht hergab wurde interpretiert. Es gab nur eine Rasse also ein Menschmodell zwar Männlein und Weiblein aber das war es. Dennoch gab es Leute die z.B. einen Troll verkörperten, der eben nur "komisch" gesprochen hat, oder ein stummer, der sich nur mit Hilfe von Texten auf Zettel mit Anderen unterhielt.

    MMOG's sind Massentauglich geworden und wen wundert es die Massen kamen. Was einen da eben auch nicht wundern darf, die Leute die früher diese kantigen, ungehobelten Spiele angefangen haben waren eben ruck zuck in der Minderheit.
    Ein Spieler der sich nur gebrochen oder gar nicht verständlich machen kann, war ab diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr Effizient. Wie soll man sich auf einem Raid schnell durch die Horden pflügen, wenn man einem Troll erst einmal 5Min erklären muss wie die Keule schwingen soll, und wieso überhaupt nimmt der eine Keule und nicht ein SuperMegaUborPottHässlichDolch, der hätte doch viel bessere Werte. Oder noch Schlimmer der Taubstumme, dem auch noch Zettel ausfüllen was er tun soll, oder immer jemand hinterher schicken, weil er die Kommandos der Raidleitung nicht hört.
    Nein, die Zeiten sind vorbei. TS ist in dieser Entwicklung nur ein ganz logischer Schritt. Bevor ich ein Kommando tippe, habe ich es in TS schon mehrfach gesagt.
    Das ist alte MMOG’r Romantik (ähnlich der Seefahrer, schönen alten Zeiten mit Segelschiffen über die Meere… Tja weg mit dem Mist, Supertanker sind effizienter und wir kennen eh jeden Zentimeter der Weltoberfläche)
    Heute bildet die Basis für das Spielen im MMOG reine Mathematik. Story, Grafik und was weiß ich kann noch so Toll sein, wichtig sind in erster Linie: wie Level schnell hoch und wie kriege ich möglichst maximale Werte der Ausrüstung (selbst wenn diese noch so bescheuert aussieht).

    Und deswegen sehe ich (als MMOG-Romantiker) auch für die Zukunft eher schwarz, es gibt soviele MMOG’s wie noch nie, aber die Spiele sind eben auf die Masse ausgelegt und angepasst, und nicht wie früher die Community vom Spiel ausgesiebt.
    Für die Spiele selbst und diejenigen die sie mögen, wird sich allerdings diese Vielfalt noch vergrößern. Auch wird es denke ich mit Smartphone und Tablets neue Möglichkeiten geben. Aber die Romantik aus alter Zeit ist mit den Segelschiffen verschwunden...

  2. Oha, wenn der Rippi anfängt zu philosophieren, dann sollte man in Deckung gehen :o)

    Ich kann jetzt leider mit keinem Roman antworten (ja, auch DIESE Zeiten sind leider vorbei), aber ich will mal so sagen: Im Großen und Ganzen gebe ich dir Recht.

    Ausnahmen:

    1) Das RP-Getue ging mir (bis auf ein paar Ausnahmen) schon damals auf den Keks und ich habs auch nie wirklich betrieben. Kein Wunder, dafür gab's ja auch meist eigene RP-Server. Sowas vermisse ich also nun wirklich nicht.

    2) Es geht ja auch in WoW und Co. nicht immer nur um Raids. Die meiste Zeit ist man ja einfach so unterwegs, pflückt Blümchen und campt nen Spot, was auch immer. Und selbst da ist es nicht gern gesehen, dem Voicechat fern zu bleiben. Finde diese Entwicklung abartig. Fehlt nur noch, dass der komplette Textchat verschwindet.

    3) Und jetzt mal der eigentliche Kern meines Artikels: Es geht doch darum, warum neue MMORPGs mich nicht mehr bei der Stange halten. Und die Möglichkeiten sind a) Übersättigung b) Primitiv gemachte Spielkonzepte. Und Tatsache ist, dass es sich hierbei um einen Mix aus Beidem handelt: Ich habe schon zu viel gesehen (= Übersättigung) und die Online-Rollenspiel-Industrie bringt Jahr und Jahr neue Varianten des immer gleichen Gameplays heraus. Wäre ich ein Neuling, würde ich wahrscheinlich sagen: WOW, wie geil. Als alter Hase sage ich hingegen: WOW, alles schon gesehen, alles schon gespielt und vor allem bemerkt man einfach, wie aufgesetzt alles wirkt, wie die Story der Quests bei jedem noch so gut gemachten Questgebiet eher eine Farce ist, weil doch eigentlich klar ist: Hier gehts nur um EXPs und Items. Klar, um was soll es auch sonst gehen? Aber genau darum funktionieren diese storylastigen Mechanismen in Online-Rollenspielen auch gar nicht, selbst wenn da Millionen wie bei The Old Republic reingeblasen werden: Weil sich gar keine Story entfalten kann, denn im Zuge des Konkurrenzkampfes mit anderen will man Aufleveln und Raids bestreiten möchte und zwar möglichst schnell. In einem The Witcher gehts in erster Linie um Story und Items und Levelaufstiege sind dann ein geiles Zubrot. Und vor allem: Es gibt niemanden, der einem dabei im Nacken sitzt. Hier kann ich die Zeit bestimmen, die ich dafür brauche. Glaube das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

    Und ganz ehrlich: Mir gings schon in Everquest Zeiten darum, möglichst die besten Spots zum Leveln zu finden und möglichst geile Ausrüstung zu haben. Das ist ja auch der Sinn des Spiels. Aber das kann man 1x, 2x, 3x, oder wie in meinem Fall vielleicht auch 7x oder 8x mitmachen. Irgendwann raffts dann aber auch der größte MMO-Fanboy: Das Genre bietet keinen Tiefgang, sondern immer nur das Gleiche. Während Offline-Rollenspiele wie gute Bücher ein ums andere Mal eine faszinierende Story erzählen, bleibt der Mechanismus in MMORPGs stets gleich. Und irgendwann reichts mal oder das Genre erfindet sich endlich mal neu oder geht den nächsten Schritt der Evolution. Aber das ist mit Sicherheit nicht Free2Play, das kann ich versichern.

    So, jetzt isses ja doch ein Roman geworden. Naja, wenigstens schon mal etwas Stoff für den nächsten Podcast.

  3. Nun was erwartest du? Klar wird/hat sich eine gewisse Übersättigung breit gemacht. Wenn du 3 Wochen nur Gummibärchen futterst, hängen die dir auch zum Hals raus, egal ob grün, gelb oder rot.
    Aber man kann ein ein Gerne nicht neu erfinden, MMOG's waren neu als Ultima Online und Meridian59 raus kam (damals noch für Nerds), die Masse entdeckte das Gerne mit Everquest, AnachyOnline und vorallem mit WoW.
    Aber eigentlich haben sich seit UO und M59 die Questen nicht mehr geändert:
    - bringe von A nach B
    - töte XY
    - rede mit YX
    (oder Kombinationen davon)

    diese Quests sind auch in Offlinespielen nicht anders, der Unterschied ist nur, dass ich dort die Questen einmalig gestalten und perfekt in eine Story einbinden kann. Im Onlinespiel werden diese Questen möglichst einfach gehalten um diese mehrfach absolvieren zu können. Da ich mich in diesen Spielen auch deutlich länger aufhalte als in einem Offlinespiel, müssen diese Questen auch in gewisser Weise unabhängig von einer Story sein. Oder wie es in LOTR gelöst ist, es gibt einen Handlungsstrang mit "Story-Questen" und normale Questen. Aber dennoch gibt es einfach nur diese Grundtypen von Questen: reden, töten, bringen ... oder kombinationen davon. Das ist auch in Offlinespielen nicht anders.

    Zudem ist es in MMOG's eben zur Normalität geworden für Quests einen Autopilot mit einzubauen. Nachdenken, selber suchen, oder Rätzel lösen die eventuell noch von der stupiden Grundstruktur der Questen abgelenkt hätte, wurde quasi komplett abgeschaft.
    (Hat natürlich auch wieder damit zu tun, dass die Masse eben sich auf die Quests beschränkt hat, welche das beste EXP/Zeit Verhältnis haben. Und natülich bedient der Hersteller eher solche Features die viel genutzt werden)

    ... so wie es aussieht bin wohl ich für die Romane zuständig, den Rest können wir dann aber mal gepflegt direkt ausdiskutieren.

  4. Interessant ist aber tatsächlich, dass sich ausgerechnet die ersten drei Online-Rollenspiele Meridian 59, Ultima Online und Everquest von der Spielmechanik grundsätzlich unterscheiden. Nur irgendwie ist dann der Schwenk auf die Everquest-Schiene, später dann WoW-Schiene passiert, von der nicht mehr abgewichen wurde.

    Wir haben übrigens grade unseren MMORPG-Podcast abgedreht und da hättest du echt gut rein gepasst! :(