Sothis Review: Anno 1404

Sothi | 10. Juli 2009 | 10:17
Anno 1404

Neue Produkte großer Spielserien haben stets mit Erfolgsdruck zu kämpfen -- Druck, der großartigen Vorgängern und der damit verbundenen Erwartungshaltung der Fans entspringt. Dies bekam auch die Aufbaustrategiemarke "Anno" zu spüren, als sie 2002 mit Anno 1503 den Nachfolger des Megahits Anno 1602 gebar, der nach heutigen Erkenntnissen der Tiefpunkt der Serie darstellt; "Anno" brauchte danach viele Jahre, um wieder zu altem Glanz zurückzufinden.

Mit Anno 1701 und neuen Entwicklern ("Related Designs") kam wieder frischer Wind in das inzwischen recht muffig riechende Aufbaugenre: "1701" spielte sich frisch, besaß eine fulminante Optik, war erstaunlich bugfrei und konnte damit sogar Schauspielerlegende Sky DuMont ein monetär-unterstützes Mann-Oh-Mann abtrotzen. Ein Makel blieb jedoch: Das Spiel war eher auf Casual Player ausgelegt, die Warenketten viel zu simpel, die Herausforderung deutlich zu gering für altgediente Anno-Recken. Genug Verbesserungsspielraum für den Nachfolger, der auf den Namen Anno 1404 hört.

Die äußerlichen Unterschiede zwischen Anno 1404 und seinem direkten Vorgänger sind eher marginaler Natur. In der Tat machte Anno 1701 bereits eine so gute Figur, dass die Entwickler die knapp bemessene Zeit nur mit kleineren Schönheitsarbeiten, Effektzugaben und imposanteren Gebäuden vergeudeten; der Rest scheint vor allen in die Entwicklung des alternativen Siedlungsplans investiert worden zu sein: Den Orient. Wer nun aufschreit und sich um sein gutbürgerliches Mittelalter-Städtchen bangt, muss keine Angst haben: Related Designs schafft das Kunststück, den Spieler parallel zu fordern, was besonders Frauen zugute kommen müsste, denen man im Allgemeinen nachsagt, Multitaskingfähigkeiten mit in die Wiege gelegt bekommen zu haben.

Bei Anno 1404 läuft es also letztlich darauf hinaus, funktionierende Siedlungen in zwei unterschiedlichen Kulturkreisen zu etablieren, die jeweils mit eigenen Gebäudetypen und Bedürfnissen verwaltet werden wollen. Dabei ist stets das Zusammenspiel zwischen Okzident und Orient im Auge zu behalten, da besonders die Bedürfnisse der abendländischen Bewohner nach orientalischen Gütern schon relativ früh zu Tage treten. Durch dieses Zusammenspiel, die sehr große Anzahl unterschiedlicher Güter und durch die Notwendigkeit, alles durch Schiffsrouten miteinander zu verbinden, bezieht das neueste Anno-Sproß einen Großteil seines Reizes und seiner Komplexität.

Endlich ist auch eine umfangreiche Kampagne von Anfang an mit am Start, die im Vorgänger erst per Erweiterung integriert wurde. Die Qualität der Kampagne ist gut, allerdings ein wenig zu naiv in Story und Missionsdesign, um damit höhere Weihen zu erreichen. Diesen Makel gleicht freilich das Endlosspiel aus, das die meisten ANNOholiker ohnehin als Kernelement des Spiels sehen werden. Der Multiplayermodus wurde übrigens gestrichen, was den Entwicklern den Groll einiger Fans einbrachte.

Fazit: Anno bleibt Anno, nur besser. Da ich selbst eingefleischter Siedlerianer bin und sich hier seit dem Siedler 2-Remake nichts mehr Brauchbares aufgetan hat, kommt mir Anno 1404 gerade recht -- zumal der forderndere Spielverlauf im Vergleich zum Vorgänger wirklich wohltuend ist. Kritikpunkte gibt es dennoch: So hätte die Kampagne länger und vor allem einen Hauch intelligenter gestaltet werden können (besonders nervig: Die ätzende Sprachausgabe der Madame D'artois) und der fehlende Multiplayermodus ist nach dem Anno 1503-Debakel der ultimative Schlag in das Gesicht eines jeden Anno-Fans. Und wer sich ein Aufbauspiel wünscht, dessen Militärpart endlich einmal mehr als bloße Staffage ist, wird auch in neuesten Anno-Sproß enttäuscht: Umständlicher und unnötiger wurden Militäreinsätze in einer Wirtschaftssimulation selten umgesetzt.

Wertung:
9/12

 

5 responses to "Sothis Review: Anno 1404"

  1. Schönes Review. Ich bin aber immer noch am überlegen ob ich mir diesen Teil anschaffe. Der "noch" fehlende Multiplayer Teil macht mich doch etwas stutzig. Er soll ja noch nachgeliefert werden aber ob er nun kommt oder nicht steht ja noch in den Sternen.

  2. Irgendwie lastet über Anno der "mieser Militärpart"-Fluch. Schöne Review! Werde mir das Spiel definitiv zulegen, weiß nur nicht wann. Bin im Moment mit so vielen Klassikern beschäftigt, vor allem Adventures (damn you, LucasArts! *g*).

    Die Demo von Anno fand ich aber bereits sehr stimmig und dort fallen direkt ein paar der Neuerungen auf. :)

  3. Zum Multiplayerpart kann ich nur sagen: Objektiv ist es natürlich ein Manko, wenn er fehlt. Und für die Multiplayerspieler ist es sowieso ein großer Verlust. Mich selbst hat es nicht gestört, weil ich den Multiplayermodus im Vorgänger schon ziemlich öde fand und einfach darauf verzichten kann.

    Und der Militärpart: Also ich war erst am grübeln, obs an mir liegt oder ob die den echt so mies umgesetzt haben... jedenfalls habe ich hab selten sowas umständliches gesehen.

  4. Als Singleplayer-Aufbaugame ist Anno wirklich stark. Etwas schade finde ich wirklich, dass sie keinerlei Wert auf Action legen. Das Spiel hätte sonst eigentlich eine Höchstwertung verdient.

  5. Hab mir Anno bereits am Erscheinungstag zugelegt, und als Tutorial und Anleitungsmuffel gleich mal ein Endlosspiel gestartet.

    Mein Fazit, es läßt sich super spielen, durch die steigende Bedürfnisse die jede Bevölkerungsstufe braucht, steigt der Schwierigkeitsgrad im Spiel schön an.

    Multiplayer vermiss ich jetzt bei der Anno Reihe weniger, da ich solche Aufbauspiele eher gemütlich vor mich hin spiele und weniger um mit anderen um die Wette zu bauen.

    -> Spitzen Spiel!